Harz Harz: Mit Dotter am Fuß
Ditfurt/MZ. - Sie schnurrt sie herunter, die Geschichte von den Ditfurter Bauern, die es leid waren, die vielen Abgabe-Eier für die Äbtissin immer den weiten Weg bis nach Quedlinburg zu schleppen. Weshalb sie auf die Idee mit dem Ochsenkarren kamen. Doch der war wohl zu klein für die Eiermassen. Aber die Ditfurter wussten auch in diesem Falle Rat und traten sie einfach ein bisschen zusammen. Gelbe Füße waren das Ergebnis. Und: Sie geben den Difurtern bis heute ihren Spottnamen.
Der hinterlässt seine Spuren überall im Dorf. Lucina, Romy, Angali und die anderen Kinder aus der Kindertagesstätte werden von den gelben Füßen am Eingang fast täglich daran erinnert. Natürlich nennen sich die Krippen-, Kinder- und Hortkinder "Geelbeinchen", und bis vor einigen Jahren gab es auch einen Schulchor dieses Namens.
Wer mehr wissen möchte, dessen Weg führt unweigerlich zum Ditfurter Heimatverein, der mitten im Ort ein umfangreiches und liebevoll gestaltetes Museum betreibt. Eine Ecke ist hier auch den Versen um die Geelbeine gewidmet, die 1921 auf dem Ditfurter Notgeld zu lesen waren und von denen noch einige Scheine erhalten sind. Wolfgang Gröpke, der im Vorstand des Vereins mitarbeitet, weiß, dass Ditfurt als einziges von einst 18 Stiftsdörfern die Zeit überdauert hat. Das Burggut Ditfurt war eins von fünf Stiftsgütern, die Vorwerke genannt wurden. Die anderen waren das Münzenberggut, der Münchehof, die Gersdorfer Burg und die Vorburg am Schlossplatz. In dieser Zeit ist wohl auch die Geschichte um die eiertretenden Ditfurter angesiedelt. Die Vermutung, die Bauern können nicht besonders schlau gewesen sein, kontert Wolfgang Gröpke: Dafür könnten sie sich ganz gut selbst auf die Schippe nehmen und würden alles nicht so tierisch ernst auffassen.
Der ehemalige Bodendenkmalpfleger hat sowieso noch eine andere Erklärung für die Herkunft des Namens. Die ersten Behausungen waren auf lehmigem Boden gebaut, das Hüttengeflecht mit Lehm ausgefacht. Doch weil das Material nur bedingt witterungsbeständig ist, wird es vom Regen schnell ausgewaschen. "Die Menschen bekamen gelbe Füße und sind damit natürlich aufgefallen", sagt Gröpke und betont, dass dies seine ganz eigene, aber denkbare Interpretation ist. Selten ist der Spottname allerdings nicht. So spricht der Märchendichter Bechstein in den "Sieben Schwaben" von den "Geelfießlern". Auch in unmittelbarer Nähe, in Allrode, wird von den "Geelbaanen" gesprochen, in Brandenburg und im Rheinland gibt es die gelben Beine auch. Im Rheinland sollen die Bauern versucht haben, ihre Eier über die Grenze zu schmuggeln. Als sie erwischt wurden, zertraten sie sie vor Wut. Ja, da verstehen die sonst so lustigen Rheinländer wohl keinen Spaß.
Spaß verstehen dagegen die Ditfurter, wenn sie die Geschichte von den Geelbeinen nachspielen. Dran glauben und Eier treten müssen auf jeden Fall die Zugezogenen. Aber oft sind es auch Leute, die schon jahrzehntelang in Ditfurt wohnen und bisher immer durch die Lappen gegangen sind. Neuerdings gibt es nicht nur die alte Version der Geelbeinverse. Aus der Feder von Cornelia Schneider stammt ein neues Lied. Es spricht vom Stolz darauf, ein "Geelbein" zu sein und wird bei Festen kräftig gesungen, wie Gröpke versichert.
Ob der Ort sonst noch eine besondere Beziehung zum Gelben vom Ei hat - das weiß der Heimatgeschichtler beim Gespräch im Museum nicht zu sagen. Nur eines: "Da wo wir jetzt sitzen", sagt er, "war zu LPG-Zeiten die Hühnerzucht." Jetzt freut er sich erstmal auf Ostern. Denn da geht's zum Eierkullern mit dem Enkel.