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Harz Harz: Goldene Hochzeit mit dem Beruf

Von SIGRID DILLGE 13.10.2011, 14:05

HARZGERODE/MZ. - Ein Bild wie aus alten Zeiten. Und leider auch ein Bild, das sehr selten geworden ist und es wohl nicht mehr lange geben wird. "Heute fragt keiner mehr nach, den Uhrmacherberuf zu erlernen", bedauert Dietrich Schott. Er feierte vor kurzem die goldene Hochzeit mit seinem Beruf.

Im September 1961 begann der damals 16-Jährige die Uhrmacherlehre im elterlichen Betrieb. Das Ticken und Schlagen der Uhren hat Schott quasi in die Wiege gelegt bekommen. "Ich wollte schon immer Uhrmacher werden", erinnert er sich. 1972 bestand er die Meisterprüfung mit Bravour. Ein Jahr darauf machte er sich selbstständig und ist es bis heute.

Sein Geschäft in der Harzgeröder Mittelstraße 6 ist unübersehbar: Ein riesiger Wecker signalisiert, welcher Berufsstand hier zu finden ist. Auch auf dem Hof vor dem Geschäftseingang finden sich viele Dinge, die auf die Leidenschaft des Handwerkers für Mechanik hinweisen, zum Beispiel die fliegenden Hexen. Fast unspektakulär wirkt dagegen eine alte Turmuhr, die hier vorübergehend Asyl gefunden hat. Sie stammt aus dem Jahr 1775 und war in einem Uhrenturm in Silberhütte eingebaut. Schott hat sie wieder zum Laufen gebracht. "Turmuhren sind die Königinnen der Uhren", sagt er und fügt hinzu, dass er wohl fast alle dieser Majestäten im Umkreis kennt.

Zu einer aber hat er ein ganz besonderes Verhältnis. Das ist die Kirchturmuhr auf St. Marien in Harzgerode. Schott kennt den Zeitanzeiger bis in das kleinste Detail. Denn mit dem Beginn seiner Uhrmacherlehre kam er auch dieser alten Dame sehr nahe. Sein Vater Willi hatte die Wartung der Uhr übernommen und so auch Sohn Dietrich in die Besonderheiten des Schmuckstückes eingeweiht. Über Uhren und die dazu gehörigen Geschichten kann Dietrich Schott stundenlang erzählen. Er hat viele Details parat, wohl ebenso viele, wie es Uhren gibt. Die älteste Uhr, die ihm zur Reparatur anvertraut wurde, stammte aus dem Jahr 1510. "Die hatte ein handgeschmiedetes Uhrwerk und Steingewichte", sagt der Fachmann anerkennend für die Handwerkskunst vergangener Zeiten. Auch für diesen Zeitmesser fand der Uhrendoktor eine passende Behandlung.

180 Großuhren hat er im vergangenen Jahr repariert. "In diesem Jahr werden es wohl noch mehr werden", schätzt er ein. So manches Mal kommen die Aufträge und die "Patienten" per Post zu ihm. Und so manches Mal haben sie eine lange Reise hinter sich. Der gute Uhrendoktor-Ruf hat sich bis Übersee herumgesprochen. Schuld daran ist wohl, dass Schott kein Geheimnis um seine Arbeit macht und sich gerne über die Schulter blicken lässt. Das tun dann auch beispielsweise Reisegruppen oder Fernsehteams und erzählen anderen von den geschickten Händen des Harzgeröders Uhrmachermeisters. "Ich repariere auch Kuckucksuhren. Da traut sich selbst im Schwarzwald keiner ran", ist Schott stolz. Sein Können schätzen auch Ursula und Willy Crell aus Neudorf, die zum 50. Berufsjubiläum schrieben: "Von der kleinsten Uhr bis zur Turmuhr - alle können Sie reparieren. Auch unsere Uhren waren bei Ihnen zur Pflege und Reparatur."

Als Uhrendoktor wird Schott auch weiterhin zur Verfügung stehen, obwohl er ab dem nächsten Jahr etwas kürzer treten möchte. Ein Nachfolger für das Geschäft ist nicht in Sicht. "Als ich anfing, gab es noch 15 Lehrlinge. So viel wurden es nie wieder. Vor zwei Jahren gab es den letzten Uhrmachergesellen in Deutschland", bedauert Schott. Gründe dafür gebe es viele, meint er. Einer könne sein, dass die vielen unterschiedlichsten Kenntnisse für die unterschiedlichsten Uhren nicht immer überall abruf- und einsetzbar seien. Oftmals beschränke sich die Arbeit eines Uhrmachers auf das Wechseln von Zellen. Auch Kostenfragen gebe es. Außerdem muss wohl jemand, der zum Uhrendoktor wird, mit einem ganz besonderen Virus infiziert sein.

Schott hat diesen Virus und ist begeistert, wenn er Meisterwerke wie eine Taschenuhr von 1910 mit mechanisch erzeugter digitaler Zeitanzeige in der Hand hält. Dann leuchten seine Augen und der Mann gerät ins Schwärmen.