Gute Tasse wächst aus Klumpen Ton
Quedlinburg/MZ. - "Töpfer sind manchmal Philosophen", meint Hannelore Schellbach. "Jedes Gefäß wächst doch aus einem Klumpen Ton. So ein Schöpfungsakt, das rührt doch an den Grundfesten der Menschen. Ich hinterlasse doch in jeder Tasse, jedem Krug, jedem anderen geformten Gegenstand meine Person."
Die Frau ist mit Herz und professioneller Hand Töpferin. In der Blasiistraße 6 in Quedlinburg empfängt sie Besucher, Menschen, die die Kunst an der Drehscheibe zu schätzen wissen oder sich für das Wachsen schöner Keramik interessieren. So wie Marion Hilbig aus Berlin, die mit der Familie erst die Werkstatt von Uwe und Hannelore Schellbach in Blankenburg besuchte und dann in Quedlinburg vorbeischaut.
"Wir sind Stammkunden und totale Keramik-Fans." Behutsam streicht sie über die Glasur und prüft den Henkel einer Tasse. "Eine gute Tasse zu machen, ist schon fast hohe Kunst", meint Keramikerin Schellbach und setzt sich an die Drehscheibe. "Die Töpferscheibe macht nichts, die dreht sich nur. Die Form wächst in meinem Kopf." Sie nimmt einen Drehton-Klumpen, der aus Thüringer Lagerstätten stammt, und formt in vielen Drehungen eine Grundform. Aus der Formlosigkeit wächst eine Kreisform, fast Meditatives hat diese Konzentration auf die Mitte für Hannelore Schellbach. "Das genaue Drehen ist viel schwieriger als das figürliche Formen", erklärt sie. "Für mich verbinden sich hier handwerkliche, weltanschauliche und regionale Aspekte. Unsere Keramiken haben ihren eigenen Charakter, sind regionale Produkte, das stiftet Identität in der auseinanderfließenden Welt." Sie liebt und lebt ihren Beruf, weil er so vielseitig ist. Drehen, Brennen, Glasieren, Verkaufen, all das und mehr liegt in ihrer Hand. "In Keramikbetrieben drehen Maschinen 3 000 Teller in der Stunde, andere Abteilungen übernehmen die folgenden Arbeiten."
Auch Kerstin Kupfer hat im "Quartier 7" ihre Töpferscheibe aufgestellt. Seit 1999 unterhält sie Werkstatt und Keramik-Laden hier in der Marktstraße. "Unser Tag der offenen Töpferei soll mehr als nur Werbung sein. Wir möchten den Menschen unser Handwerk hautnah vermitteln und letztlich Kunden sensibilisieren, ihnen zeigen wie viel Arbeit dahinter steckt. Ich erkläre den Gästen, was wir hier so machen und lasse sie auch mal an die Scheibe." Damit will sie zeigen, wie viel Handgriffe und Können dazugehört, eine Tasse oder eine Vase zu drehen oder eines ihrer berühmten Kamasutra-Eier zu formen. "Natürlich gibt es im Baumarkt oder anderswo Tasse für 99 Cent. Da fragen schon viele Leute, warum unsere Keramik vergleichsweise teuer ist. Doch für viele Menschen ist der Topf, den sie kaufen, mit dessen Schöpfer verbunden. Und sie erkennen den Wert unserer Hände Arbeit." Welchen Wert solch irdenes Geschirr besitzt, weiß man aus der Kindheit, als man dem Märchen vom König Drosselbart lauschte.
Jeder Töpfer hat seine spezielle Brenntechnik, seine Formen, Motive und Glasuren. Die Keramiker liefern keine Massenware, oft aber liebevoll gestaltetes Gebrauchsgeschirr für Haushalte, die auf Individualität setzen. "Wenn bei uns in der Werkstatt vier Töpfer die gleiche Tasse drehen, ich würde die Unterschiede erkennen", versichert Hannelore Schellbach und bewirtet ihre Besucher mit Kuchen und Kaffee aus einer bauchigen Tasse, handgefertigt natürlich. Nur ob Keramik-Scherben Glück bringen, sagt sie nicht. Aber Töpfer leben ja schließlich auch davon, dass mal ein Stück zu Bruch geht.