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Gleimhaus Halberstadt Gleimhaus Halberstadt: Bibel aus der Zeit der Reformation wird ausgestellt

Von Rita Kunze 13.01.2014, 19:22
Gleimhaus-Besucher bestaunen die Halberstädter Bibel, die ihnen von Bibliothekarin Annegret Loose gezeigt wird.
Gleimhaus-Besucher bestaunen die Halberstädter Bibel, die ihnen von Bibliothekarin Annegret Loose gezeigt wird. Chris Wohlfeld Lizenz

Halberstadt/MZ - Vorsichtig blättert Annegret Loose die vergilbten Seiten des massigen Buches um. Fast 500 Jahre ist sie alt, diese Halberstädter Bibel, die die Bibliothekarin des Gleimhauses dem interessierten Publikum vorstellt. Eine seltene Gelegenheit, denn eigentlich wird das Buch hinter verschlossenen Türen aufbewahrt.

Beim Neuen Familienkundlichen Abend, einer regelmäßigen Vortragsreihe im Literaturmuseum, wird sie als Beispiel der Buch- und Druckgeschichte des 16. Jahrhunderts vorgestellt. Sie ist die letzte vorlutherische Bibel, die in deutschen Landen gedruckt worden ist - und ein grandioses Beispiel unternehmerischen Scheiterns in politisch unruhigen Zeiten. Denn gerade als das in Niederdeutsch verfasste Buch gedruckt und gebunden ist, erscheint auf dem Markt die in verständlicherer Sprache gehaltene Bibelübersetzung Martin Luthers, die weitaus populärer ist. Die Halberstädter bleiben auf ihrer Ausgabe sitzen.

Das, so erklärt Annegret Loose, ist einer der Gründe, warum die Halberstädter Druckerei nach nur vier Jahren aufgegeben wird. Dabei hat das Unternehmen in dieser kurzen Zeit 23 Druckwerke herausgebracht. „Das ist eine stattliche Anzahl, darunter waren auch etliche umfangreiche Druckwerke“, sagt die Bibliothekarin.

Bezahlt vom stellvertretenden Bürgermeister

Drei davon befinden sich im Literaturmuseum. Neben der Bibel sind dies Predigten des Mystikers Johannes Tauler (1300-1361) und ein Stundenbuch, das von der Diözese Hildesheim in Auftrag gegeben wurde, die zuvor auch in Nürnberg drucken ließ. Die Bibel ist mit Sicherheit der größte Auftrag, den der aus Nürnberg stammende Lorenz Stuchs in Halberstadt bekommen hat. Das Buch erscheint 1522, nach zwei Jahren Arbeit. Verlegt und bezahlt wird das Ganze von Ludwig Trutebul, dem stellvertretenden Halberstädter Bürgermeister, der Geschäftsbeziehungen nach Nürnberg unterhält.

Der Sohn einer wohlhabenden Ascherslebener Kaufmannsfamilie, der in Wittenberg Jura studiert hat, macht in Halberstadt schnell und steil Karriere. Warum? „Die Stadt Halberstadt war auch damals schon verschuldet“, sagt Loose, „und die Familie Trutebul hat ihr ein Darlehen gegeben.“ Das war so groß, dass Ludwig Trutebul selbst die Abzahlung nicht mehr erlebte.

„Trutebul war ein früher Anhänger Luthers“, sagt Annegret Loose, und er wollte in Halberstadt eine eigene Druckerei haben, was ihm jedoch erst 1519 gelang. Bis dahin hatte der Geschäftsmann sämtliche Drucke in Nürnberg anfertigen lassen. Nun druckte ein Nürnberger in Halberstadt.

Altbackenes Werk

Die Forschung geht davon aus, dass Lorenz Stuchs der Sohn des einflussreichen Druckers Georg Stuchs ist. Der wiederum soll Druckstöcke der berühmten Kölner Bibel erworben und seinem Sohn mitgegeben haben, denn diese Bilder finden sich in der Halberstädter Bibel wieder.

Buchbinderisch ist das Werk kein Prunkstück, sondern „eher altbacken“, sagt die Restauratorin Stefanie Volmer. „Das ist auffällig: Die Halberstädter Bibel geht nicht mit der Mode, sondern hat eher traditionelle Motive.“ In den robusten schweinsledernen Einband sind noch Rauten geprägt, obwohl zu jener Zeit figürliche Motive beliebter waren, „oft eine Porträtplatte Luthers mit Rankenornamenten Drumherum“.

Die Druckerei überlebte gerade einmal vier Jahre. Nach dem verlegerischen Fiasko mit der Bibel saß den Druckern auch noch der Bischof in Magdeburg im Nacken, der die Druckerei als „Ketzerküche“ vernichten wollte, erzählt die Bibliothekarin. Die Firma wurde verwüstet, Trutebul floh nach Goslar. Dort ist er auch gestorben. Die von ihm herausgegebene Bibel findet man heute auf allen Kontinenten.

Die Halberstädter Bibel des Gleimhauses besitzt eine eingefügte handgeschriebene Seite. Das macht sie zu etwas Besonderem.
Die Halberstädter Bibel des Gleimhauses besitzt eine eingefügte handgeschriebene Seite. Das macht sie zu etwas Besonderem.
Chris Wohlfeld Lizenz
Blick in die Halberstädter Bibel.
Blick in die Halberstädter Bibel.
Chris Wohlfeld Lizenz
Restauratorin Stefanie Volmer erklärt, wie Bücher gebunden wurden.
Restauratorin Stefanie Volmer erklärt, wie Bücher gebunden wurden.
Chris Wohlfeld Lizenz