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Geschichte Geschichte: Frau schreibt über Frauen aus Sachsen-Anhalt

Von uwe kraus 24.11.2013, 13:00
Die Historikerin Eva Labouvie plant ein Lexikon über Frauen in Sachsen-Anhalt.
Die Historikerin Eva Labouvie plant ein Lexikon über Frauen in Sachsen-Anhalt. Uwe Kraus Lizenz

quedlinburg/MZ - „Viele Frauen haben Geschichte gemacht, aber keine geschrieben“, diesen Satz sagt die Historikerin Eva Labouvie von der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität oft und gern, wenn es um den weiblichen Teil sachsen-anhaltischer Geschichte geht.

„Adelheid und Theophanu, Editha, Zarin Katharina und als Künstlerin die Karschin, die in Halberstadt Spuren hinterließ, dann hört es doch meist auf, wenn es um Frauen zwischen dem Fürstentum Anhalt, Erzstift Magdeburg, Quedlinburg und solch kleinen Ländern wie Stolberg-Wernigerode geht.“ Eva Labouvie hat einen von deutschlandweit nur vier Lehrstühlen inne, die sich mit Geschlechterforschung befassen. „Wenn es in der Geschichte um Frauen geht, wird alles auf die berühmten reduziert, auf ihre Rolle an der Seite wichtiger Männer oder als Herrscherin, der klassische alte Ansatz. Dabei haben viel, viel mehr Frauen Innovatives geleistet. Nur ist über die Meisten nichts bekannt, egal ob es Wohltäterinnen oder Künstlerinnen waren oder Einfluss auf Religion und Verwaltung nahmen.“

"In biografischen Lexika sind Frauen unterrepräsentiert"

Der Professorin für Geschichte der Neuzeit ist das Biografisch-bibliografische Lexikon, das bis Ende 2014 entstehen soll, ist ihr sehr wichtig. Die Koordination der ganzen Beteiligten, „rund 100 könnten es werden“, erweise sich als große Herausforderung. „In biografischen Lexika sind Frauen unterrepräsentiert. Es wird meist abgeschrieben, was aus dem 19. Jahrhundert stammt, viel Reproduktion statt Forschung, und das betrifft auch die Berühmtheiten. Ich beobachte, dass viel zu wenig in den Archiven gearbeitet wird.“

Vor anderthalb Jahren näherte sich ihr Master-Seminar dem Thema an, im Sommer 2013 gab es als zweiten Schritt eine stark beachtete Tagung. Unterdessen besitzt die Forscherin eine 130-seitige Namensliste. Ob das Lexikon ein oder zwei Bände umfassen werde, sei noch unklar. Jedoch habe sie sich bereits entschieden, das 20. Jahrhundert davon erst einmal zu trennen. „Das könnte ein Sonderband werden.“ Die Bände sollen das Frauenleben in der Region des heutigen Sachsen-Anhalts über Jahrhunderte abbilden. „Bei der geballten wissenschaftlichen Aufarbeitung gibt es noch ungeheuer viel zu entdecken. Manche Frauen werden erstmalig öffentlich vorgestellt, die Damen von Namen erneut wissenschaftlich unter die Lupe genommen“, erklärt die Professorin, die bereits angesehene Forscherinnen für einzelne Artikel gewonnen hat, manche werden mehrere beisteuern. Dazu zählt bereits die Halberstädter Literaturwissenschaftlerin Dr. Ute Pott vom Literaturmuseum Gleimhaus. Noch befinde sich das Projekt in der „Sammelphase“, denn jede Lexikon-Frau soll mit Bild, Archiv- und Literaturquellen dargestellt werden. So rege die Veröffentlichung Interessierte an, weiter zu recherchieren. Die Magdeburger Gender-Forscherin mit enger Bindung an die Regionalgeschichte möchte ein Lexikon herausbringen, das Schulen bei Projekttagen hilft, von der Heimatforschung bis hin zur Wissenschaft Gewinn bringt . „Ich verstehe es aber auch als Lesebuch mit vielen spannenden Texten, die zum Querlesen verführen. Schließlich kommen die beschriebenen Frauen aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen, Epochen und Orten.“ Zwar drehe das Lexikon den Fokus weg von den wenigen weiblichen Berühmtheiten, wolle jedoch gleichzeitig mit Mythen aufräumen, die durch Belletristik und TV gestrickt wurden. „Es bieten sich schon jetzt durchaus neue Forschungsansätze in ganz unterschiedlichen Disziplinen“, sagt die Historikerin. So sei Sophie Charlotte von Stolberg-Wernigerode weit mehr als Gattin von Christian Ernst gewesen. „Sie haben als Herrscher den Pietismus von oben eingeführt, was an der These von der Volksbewegung kratzt. So entwickelte sich der Wernigeröder Pietismus anders als der Hallenser. Sophie Charlotte spielte eine starke Rolle als Landesfürstin, baute mit dem Grafenhof in Wernigerode als einem pietistischen Zentrum ein europäisches Netzwerk auf“, weiß die Historikerin.

"Das Lexikon bietet für uns eine große Herausforderung"

„Und wer kennt heute außerhalb der Fachwelt Louise Aston, die die radikalste Vorkämpferin der Frauenrecht und Vormärz-Autorin war? Ich denke, das Lexikon bietet für uns eine große Herausforderung, aber einen noch weit größeren Gewinn, in dem wir den Frauen einen Platz in unserer Geschichte geben.“