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G8-Gipfel in Ilsenburg? G8-Gipfel in Ilsenburg?: Träumen von Obama

Von ingo kugenbuch 07.01.2014, 08:10
Ilsenburgs Bürgermeister Denis Loeffke sitzt vor der „Forelle“, in die er die Mächtigen der Welt einladen will.
Ilsenburgs Bürgermeister Denis Loeffke sitzt vor der „Forelle“, in die er die Mächtigen der Welt einladen will. chris wohlfeld Lizenz

Ilsenburg/MZ - „George Clooney war nicht schlecht“, sagt Denis Loeffke. „Aber“, fügt er hinzu, „Obama ist noch einmal eine andere Hausnummer.“ Nachdem das Landhaus „Zu den Rothen Forellen“ in Ilsenburg im vergangenen Jahr bereits Gastgeber für Hollywoodstars wie Matt Damon, Bill Murray, John Goodman und eben George Clooney war, sollen nun die politischen Größen dieser Welt in das Harzstädtchen kommen. Barack Obama, Wladimir Putin, François Hollande und Angela Merkel im Ilsetal? „Wir haben zusammen mit Bürgermeister Loeffke die Bewerbung für den G-8-Gipfel 2015 abgeschickt“, sagt Sebastian Ott, Chef der „Forelle“.

Dass der Gipfel der sieben wichtigsten Industrieländer und Russlands 2015 in Deutschland stattfinden wird, ist abgemachte Sache. Noch unklar allerdings ist, wo sich die mächtigsten Politiker der Welt treffen werden. So schickt Mecklenburg-Vorpommern erneut Heiligendamm sowie Binz ins Rennen. Außerdem bewirbt sich Dresden um die Ausrichtung des Gipfels. „Entscheiden wird letztlich die Bundeskanzlerin“, sagt ein Regierungssprecher auf Anfrage. „Ein Bewerbungsverfahren gibt es dazu nicht, vielmehr werden mögliche Gipfelorte, die die notwendigen Rahmenbedingungen - wie zum Beispiel Kapazitäts- und Sicherheitsanforderungen - erfüllen, geprüft. Eine Entscheidung wird voraussichtlich noch im Frühjahr bekanntgegeben.“

Nicht alle sind begeistert

Ott und Loeffke (CDU) haben ihre Bewerbung an das Bundeskanzleramt und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) geschickt. Was dieser davon hält? „Sie wollen doch wohl nicht was zu der G-8-Bewerbung wissen“, knurrt Regierungssprecher Matthias Schuppe am Dienstag genervt am Telefon. Von ihm gibt es nur per E-Mail eine Antwort. Zwei Sätze: „Die Landesregierung sondiert ständig Möglichkeiten einer positiven Werbung und überregionalen Präsentation Sachsen-Anhalts. Auch eine Bewerbung zum G-8-Gipfel wird natürlich geprüft.“ Begeisterung klingt anders.

Die ist aber bei den beiden Bewerbern zu verspüren. „Der Standort Ilsenburg ist mit dem Brocken symbolträchtig für ganz Deutschland“, sagt Hotelchef Ott. „Ich sehe auch nicht ein, warum das G-8-Treffen zum zweiten Mal in Mecklenburg-Vorpommern stattfinden sollte.“ Sachsen-Anhalt sei ohnehin ein Land, „das medial nicht im Mittelpunkt steht“. Er sehe sich durchaus in der Lage, solch eine Veranstaltung zu stemmen, sagt Ott. „Die anderen Hotels, die sich bewerben, sind vielleicht bekannter, aber nicht unbedingt größer als wir“, sagt er. Er ist sich sicher, dass in Ilsenburg auch die Sicherheit der Konferenz gewährleistet wäre. „Wir sehen uns der Aufgabe gewachsen“, sagt Ott selbstsicher.

Das allerdings ist schwer vorstellbar. Rund um das Kempinski-Hotel in Heiligendamm sorgten 2007 knapp 16 000 Polizisten und mehr als 1 000 Soldaten sowie ein zwölf Kilometer langer Zaun für Ruhe. Dadurch fanden die Kämpfe woanders statt: Das Wochenende vor dem G-8-Treffen wurde von Ausschreitungen militanter Globalisierungsgegner überschattet. Bei Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstranten in Rostock wurden fast 1 000 Menschen - 433 Polizisten und 520 G-8-Gegner - verletzt. 128 Personen mussten in Polizeigewahrsam.

Reichen die Betten?

Das Fünf-Sterne-Haus „Zu den Rothen Forellen“ liegt romantisch an einem Teich direkt im Zentrum des Harzstädtchens. „Ilsenburg müsste sicher an allen Zufahrten gesperrt werden“, sagt Bürgermeister Loeffke. Oder ist das Ganze vielleicht doch nur ein Marketing-Gag? „Wir denken, dass wir geeignet sind“, sagt Loeffke. Ob die 650 Hotelbetten im Ort reichen, da ist er sich allerdings nicht sicher. „Mit der Forelle allein ist es ohnehin nicht getan“, sagt Loeffke. „Wir haben nur die Kapazität, alle Staatschefs zu beherbergen“, bestätigt Hoteldirektor Ott. „Der restliche Tross müsste in anderen Häusern untergebracht werden. So war das bei Clooney auch.“

Loeffke erhofft sich von der Bewerbung „eine Steigerung der Bekanntheit der Region und auch eine höhere Wertschöpfung“, sagt er. Auf jeden Fall wolle er sich als Schauplatz von „hochkarätigen Veranstaltungen“ einen Namen machen. Gleichzeitig wünscht sich der Bürgermeister für den Fall, dass die Bewerbung Erfolg hat, Unterstützung vom Bund - etwa für den Neubau von Straßen. „Es müsste einiges in die Infrastruktur investiert werden. Geld haben wir nicht, das müssten die anderen schon mitbringen.“

Die Gruppe der Acht (G 8) ist ein informelles Forum der Staats- und Regierungschefs aus acht Industrieländern. Dazu gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, die USA, Kanada (seit 1976) und Russland (seit 1998). Auf ihren jährlichen Gipfeltreffen stimmen sie gemeinsame Positionen zu globalen politischen Fragestellungen ab - insbesondere zu den Bereichen Weltwirtschaft, Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklung und Klima.

Die G 8 ist keine internationale Organisation, sie besitzt weder einen eigenen Verwaltungsapparat noch eine permanente Vertretung ihrer Mitglieder. Aufgrund der informellen Strukturen spielt die jeweilige Präsidentschaft eine besonders wichtige Rolle, in ihren Händen liegen die Organisation sowie die Agenda des Gipfels.

2014 übernimmt Russland die Präsidentschaft. Das Gipfeltreffen wird am 4. und 5. Juni 2014 in Sotschi an der Schwarzmeerküste stattfinden. Deutschland wird die Präsidentschaft 2015 innehaben.

Unter deutscher Präsidentschaft fand im Juni 2007 auch der Gipfel im Grand Hotel Kempinski des Ostseebades Heiligendamm statt. Zum Schutz der Teilnehmer wurde vorab unter anderem ein zwölf Kilometer langer und 2,50 Meter hoher Zaun mit Stacheldraht, Kameraüberwachung und Bewegungsmeldern rund um den Tagungsort errichtet. Begleitet wurde der Gipfel von zahlreichen Protesten. Mehrere Razzien im Vorfeld des Treffens stufte der Bundesgerichtshof später als rechtswidrig ein.

Die Kaufleute rund um den Ilsenburger Marktplatz sind weitaus weniger begeistert von der G-8-Idee als Loeffke und Ott. „Ich weiß nicht, ob man damit der Region einen Gefallen tun würde“, sagt Apotheker Christian Schulze. „Bei Clooney habe ich gesagt: Der interessiert mich nicht. Aber auf einen G-8-Gipfel bin ich überhaupt nicht scharf.“ Dann nämlich „reist die halbe Welt an, um zu demonstrieren“. „Ob Ilsenburg mit diesen Demonstrationen in Verbindung gebracht werden will, weiß ich nicht“, sagt Schulze. Sein Vorschlag: Den Gipfel auf einen amerikanischen Flugzeugträger verlegen.

Christel Hoppe vom „Café am Markt“ direkt gegenüber der „Forelle“ fürchtet vor allem um ihre Umsätze. „Ich finde die Idee nicht gut, weil dann hier keiner mehr her darf“, sagt sie. „Wer ersetzt uns unsere Ausfälle?“ Außerdem macht sie sich Sorgen wegen der Sicherheit. „In Heiligendamm konnte man alles schön überwachen - das geht hier nicht“, sagt die Geschäftsfrau. Und die Werbung, die es durch das Mammutereignis für Ilsenburg geben würde? „Auch Herr Clooney hat uns nicht viel gebracht“, sagt sie trocken.

Die Frage ist, ob wenigstens das romantisch am Forellenteich gelegene Hotel einen Gewinn durch den Besuch von Obama, Merkel und Co. hätte. Nicht, wenn es ihm so ergeht wie dem Grand Hotel Heiligendamm. Die Betreiber der einst für 178 Millionen Euro herausgeputzten Luxusherberge mussten 2012 Insolvenz anmelden.

Die mächtigsten Politiker der Welt - in der Mitte Angela Merkel und George W. Bush - trafen sich 2007 in Heiligendamm.
Die mächtigsten Politiker der Welt - in der Mitte Angela Merkel und George W. Bush - trafen sich 2007 in Heiligendamm.
dpa Lizenz