Faschingsjubiläum Faschingsjubiläum: Sechs Jahrzehnte Frohsinn

Güntersberge/MZ - Als 1954 wieder einmal der Winter in der Güntersberger Abgeschiedenheit für Langeweile sorgte, entstand in einer humoristischen Stammtischrunde die Idee: „Wir brauchen eine fünfte Jahreszeit.“ Fortan hielten fern von staatlich verordneter Heiterkeit die Narren als Güntersberger Faschingsclub (GFC) Einzug im Ort und begeistern bis heute die zahlreichen Besucher.
Schnell bürgerte es sich auch ein, dass jede noch so kleine runde Zahl der verschiedenen beteiligten Gruppen irgendwie gewürdigt werden musste. Aber erst nach 60 Jahren funkte es bei den Spaßverbreitern mal wieder am Biertisch: „Wir könnten ja eine Extra-Jubiläums-Veranstaltung mit den Partnern und Sponsoren des Vereins feiern.“
Die ersten Sitzungen des Güntersberger Faschingsclubs wurden im Speisesaal der Maschinen-Traktoren-Station (MTS) abgehalten, bevor der „Goldene Löwe“ für lange Zeit zum Treff der Karnevalisten wurde, inklusive der Bar als Mittelpunkt.
Nach Schließung des „Löwen“ zogen die Narren einstweilen ins Kiez, bis die davon wenig entfernte Turnhalle der früheren POS und Grundschule bis heute zum Zentrums des Humors wurde. (bü)
Zur Premiere erschienen neben gekrönten Majestäten, darunter Prinzenpaare, Vereinspräsidenten und der Quedlinburger Zigeunerbaron, aber auch helfende Vereine, wie die Siptenfelder Hexen und die Harzgeröder Schlossgeister. Dass ohne Sponsoren kaum etwas geht, war an den frischen Kostümen der verschiedenen Gardegruppen auch optisch zu erkennen.
Güntersberger Faschingspolizei
Die Prinzengarde feierte ein halbes Jahrhundert ihres Bestehens und schaffte es, nochmals die ersten Tänzerinnen, allerdings wegen der Masken mit stark veränderten Gesichtszügen, auf die Bühne zu holen. Auch die Güntersberger Faschingspolizei (Güfapo), die dank der LPG zu DDR-Zeiten sogar mal eine berittene Truppe war, existiert schon 50 Jahre. Seitdem kümmert sie sich um den reibungslosen Ablauf der Veranstaltungen, ist für Requisiten verantwortlich und sorgt für die Einhaltung karnevalistischer Grundregeln. Früher reichte dies vom traditionellen Schlips-Abschneiden bis zum öffentlichen Einsperren gleichgeschlechtiger Tanzpaare in einem eigens dafür gefertigten Käfig. „Seit die Ordnungshüter nach der Wende verweichlicht wurden, ist der Käfig zur Litfaßsäule geworden“, stellte der amtierende Vereinspräsident Swen Klauß fest.
Musikalisches Korps
Weil sich die Faschingspolizisten dadurch unterfordert fühlten und auf sich aufmerksam machen wollten, begannen sie zu trommeln - es war der Beginn des Faschingspolizei Musikkorps (FPMK). Seit 15 Jahren haben sich die derzeit über 25 aktiven Trommler, Flötistinnen und Bläser unter Leitung von Silke Konzian und dem musikalischen Chef Henry Kahl zu einem Ensemble gemausert, das bei den Umzügen anderer Vereine, wie in Thale und Quedlinburg, heiß begehrt ist. Ihren Heimvorteil spielen die Musiker beim eigenen Umzug am Samstag, dem 1. März, ab 14 Uhr aus. Die Tage darauf ziehen sie und ihre Clubkollegen durch die Straßen von Quedlinburg und Köthen.
Swen Klauß ist erst der vierte Chef des Vereins, nachdem schon Vater Axel und Großvater Willy lange Zeit an der Spitze standen. „Zwischenzeitlich lenkte Otto Peters die Geschicke“, erzählt Axel Klauß, der sich nach seinem Rückzug von der Spitze noch im Elferrat die Narrenhaube aufsetzt oder mit dem Männerballett bei Schwanensee in Strumpfhosen über die Bühne schwebt.
Vereinseigene Chronik
Die vereinseigene Chronik zur Geschichte des Güntersberger Faschingsclubs in Wort und Bild, deren erste drei Bände per ABM entstanden und inzwischen über fünf vollendete Teile verfügt, wird von Sandra Klauß fortgeführt, der Schwester des Präsidenten. Darin gibt es auch viele Dinge über die „Muschibuschis“ zu erfahren, „Nur nicht über die Hintergründe des Namens“, wie Swen Klauß bedauert. Seit 30 Jahren begeistern sie das Publikum mit tänzerischen Interpretationen bekannter Musiktitel - auch eine runde Jahreszahl. „Besonders faszinierend sind die Kostüme“, fand Horst Badzinski vom Quedlinburger Carnevalsverein (QCV) bei der Festsitzung.
Auch das aktuelle Prinzenpaar hat sich dem „Jubiläumswahn“ angepasst. Martin I. (Wicht) und Kirsten I. (Junge) waren bereits vor 20 Jahren das Kinderprinzenpaar, in der Session zum halben Jahrhundert zum ersten Mal Prinzenpaar. Nun sind sie erneut die Majestäten der Saison, obwohl es keine engere Bindung gibt. „Da läuft sonst gar nichts“, klärte ein gut informierter Präsident das Publikum auf, stellte seine Aussage aber zugleich mit einer Handgeste infrage.
Den Rhythmus der zehn Jahre pflegt auch eine Damengruppe. Swen Klauß hofft, sie nochmals zu sehen, errechnete er doch: „Sie sind zu siebt schon 460 Jahre alt.“
