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Fachwerkzentrum Fachwerkzentrum Quedlinburg: Flüchtlinge helfen bei Restaurierung von Baudenkmalen

Von Rita Kunze 07.07.2017, 11:45
Zusammen mit Ibrahim Bah fügt Korbinian Stern (l.) ein fehlendes Element im Deckenbalken ein.
Zusammen mit Ibrahim Bah fügt Korbinian Stern (l.) ein fehlendes Element im Deckenbalken ein. Chris Wohlfeld

Quedlinburg - „Wer rettet alte Baudenkmale und nimmt dabei die halbe Welt mit?“, sagt Claudia Hennrich. Das Deutsche Fachwerkzentrum, dessen Geschäftsführerin sie ist, tut eben genau das. In Seminaren bekommen Flüchtlinge Gelegenheit, sich an der Restaurierung historischer Gebäude im Landkreis Harz und darüber hinaus zu beteiligen.

Mit seinem Projekt „Integrativer Ort BauDENKMAL!“ hat das Zentrum den Preis im diesjährigen bundesweiten Wettbewerb „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“ gewonnen - als einer von 100 Orten in Deutschland und einziger in Sachsen-Anhalt.

Preis im Wettbewerb „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“

Gemeinsam mit ausgebildeten Tischlern, Steinmetzen und Restauratoren arbeiten die Flüchtlinge im Tandem und auf Augenhöhe. „Das Projekt lebt davon“, betont Hennrich: Der Anleiter erkläre und der Teilnehmer höre zu - und umgekehrt. Sprachprobleme würden auf der Baustelle gelöst; gesprochen wird zumeist auf Englisch oder Französisch.

Jeder werde nach seinen Fähigkeiten und Interessen eingesetzt; selbst wenn die Männer noch nie in ihrem Leben ein Haus restauriert haben, könnten sich doch alle einbringen: „Sie wissen, wie man eine Putzkelle hält und wie man Lehm aufbringt.“ Lehmputz und Lehmwickel seien schnell getan, „da gab es nie einen Qualitätsverlust“, sagt sie. Die Männer haben auch Ziergefache mit Ziegelsteinen geschaffen und Sandsteine für ein Fundament zugeschlagen.

Die Flüchtlinge seien teilweise Elektriker, Tischler, Fahrer, Kaufmann oder Lehrer. „Keiner hat sich mit den Aufgaben so schwer getan, dass es nicht ging“, sagt Hennrich. Sie erinnert sich an einen syrischen Farmer, der mit einem Skalpell eine Tür aus dem 16. Jahrhundert bearbeitet und dabei Renaissance-Malerei freigelegt hat. „Er konnte das, er hatte sehr ruhige Hände.“

Ihr Projekt hat die Chefin des Fachwerkzentrums in der Halberstädter Zast und Flüchtlingsunterkünften im Harzkreis vorgestellt. „Wer zu den Seminaren kommt, der ist hoch motiviert“, so ihre Erfahrung. „Hierher kommen nur Freiwillige, und es haben sich immer mehr beworben, als wir mitnehmen konnten.“

„Es bewarben sich mehr, als wir mitnehmen konnten“

Das Kennenlernen steht im Mittelpunkt, und das beschränkt sich nicht nur auf die Baukultur und das theoretische und praktische Wissen, wie alte Bausubstanz erhalten werden kann. Claudia Hennrich geht es um ein Miteinander auch im Alltag, und so gibt es immer wieder Kontakt zu Vereinen und Fachexkursionen, die beispielsweise in den Magdeburger Dom, die Stephanikirche Osterwieck oder auf das Stolberger Schloss führten.

Es sind kleine Gruppen mit sieben bis zwölf Teilnehmern, in denen für jeweils eine Woche gearbeitet wurde oder wird - am Schloss II des Schlosskomplexes in Erxleben in der Börde beispielsweise, im Bunten Hof Osterwieck oder am Grudenberg 8 in Halberstadt. „2018 läuft das Projekt wieder an“, sagt Hennrich. Dann geht es weiter in Erxleben, am Grudenberg 7 in Halberstadt und in Osterwieck.

Jeder Teilnehmer erhält am Ende des Seminars ein Zertifikat mit einer Fotodokumentation, „die beschreibt, was er kann“, erklärt die Geschäftsführerin. Damit könnten sie sich um eine Lehrstelle oder eine Stelle bei einem Freiwilligendienst bewerben. Das Projekt soll helfen, die Flüchtlinge in die Gesellschaft zu integrieren; den Jungen als Hilfe für eine Ausbildung, den Älteren als Einstiegschance, weil sie gezeigt haben, was sie können.

„Wir schaffen etwas Bleibendes. Es sind Bauten, die vorher ein Schandfleck waren. Wir machen daraus einen Schönheitsfleck. Das ist ein tolles Gefühl für alle - dass man sieht, dass etwas entsteht.“ Überzeugt hat das Fachwerkzentrum damit bereits die Commerzbankstiftung und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die das Projekt finanziell unterstützen.

Was Hennrich sich wünscht, ist mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft, „dass die Firmen das als gemeinsame Aufgabe verstehen. Es ist die beste Integration, die man sich vorstellen kann.“ (mz)

Baubesprechung mit Claudia Hennrich am Halberstädter Grudenberg 8.
Baubesprechung mit Claudia Hennrich am Halberstädter Grudenberg 8.
Wohlfeld
Claudia Hennrich erklärt und übersetzt, was bei der Sanierung zu tun ist.
Claudia Hennrich erklärt und übersetzt, was bei der Sanierung zu tun ist.
Wohlfeld