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Ermsleben Ermsleben: Altes Handwerk ganz lebendig

Von PETRA KORN 24.05.2010, 17:31

ERMSLEBEN/MEISDORF/MZ. - "Das Letzte, was noch gemacht werden muss, ist das Wasserrad", sagt Dirk Hörning. Seit fast zehn Jahren Besitzer der Ellermühle in Ermsleben (Stadt Falkenstein / Harz), hat er hier in den vergangenen Jahren vieles aufgearbeitet und instand gesetzt. Heute ist die Mühle wieder voll funktionsfähig, wovon sich interessierte Besucher am Montag überzeugen konnten.

Traditionell öffnen am Pfingstmontag, dem Deutschen Mühlentag, Mühlen in ganz Deutschland ihre Türen und lassen dabei ein Jahrhunderte altes Handwerk wieder lebendig werden. Im Landkreis Harz luden dabei beispielsweise die Ellermühle, die Wassermühle Meisdorf, die Turmwindmühle bei Endorf (alle Stadt Falkenstein / Harz) und die Getreidemühle in Thale zum Mühlentag ein.

Die Ellermühle in Ermsleben öffnete aus diesem Anlass zum fünften Mal ihre Pforten. Um 1800 gebaut, ist sie eigentlich eine Wassermühle, welche durch ein Wasserrad im Mühlgraben angetrieben wurde. Doch der führt schon lange kein Nass mehr - "das finden wir alle sehr schade", bedauert Dirk Hörning. So ist die Mühle - eine von insgesamt 16, die es einmal in Ermsleben gab - zuletzt elektrisch angetrieben worden. Bis zum Hochwasser 1994 produzierte Vorbesitzer Martin Kipping hier noch Mehl; danach wurde die vom Hochwasser getroffene Mühle nicht mehr genutzt.

Vor rund zehn Jahren bekam die Ellermühle, die ihren Namen durch die einst hier stehenden Erlen, im Volksmund auch Ellern genannt, erhielt, mit Dirk Hörning und Melanie Behrens neue Eigentümer. Eigentlich nur auf der Suche nach einem Haus, hatte Dirk Hörning erst bei der Besichtigung erfahren, dass zu der alten denkmalgeschützten Hofanlage auch eine Mühle gehörte. "Mir hat das sofort gefallen, ich fand das sofort toll", ist er noch immer begeistert. Inzwischen sind die Spuren des Hochwassers beseitigt, die Geräte gereinigt. Dass die Mühle, in der am Pinnbrett noch alte Rechnungen und Bestellungen hängen, nun so wirkt, als hätte der Müllermeister sie gerade verlassen, davon konnten sich Interessenten am Montag bei einer Führung bei laufendem Betrieb verfolgen: angefangen vom alten Elektromotor, den Antriebsriemen und der Haupttransmissionsachse im Erdgeschoss über die Fertigung mit Mühlensteinen und Schrotern sowie dem Original-Werkzeugraum, in welchem von Riemen bis hin zu Ersatzteilen Tausende Dinge lagern, in der ersten Etage bis hin zur zweiten Etage, in welchem sich unter anderem der Speicher befindet. Die oberste Etage beherbergt die Reinigung - und die sehr urtümliche, ins Staunen versetzende Bremsanlage des Aufzugs. "Das Besondere an dieser Mühle ist, dass hier wirklich noch alles in Originalsubstanz aus der Bauzeit erhalten ist", beschreibt Dirk Hörning. Zu verdanken ist dies Vorbesitzer Martin Kipping. "Ich möchte dieses Erbe jetzt weiterführen. Das macht ja auch Spaß." Zur Vorführung tatsächlich richtig Getreide mahlen will Dirk Hörning in der Mühle nicht. Das, so erläutert er, wäre mit zu vielen, aufwändigen Arbeiten verbunden. Er möchte die Mühle erhalten, sie im laufenden Betrieb zeigen und ihre historisches Bild wieder komplettieren - wozu auch das Wasserrad gehört.

Über Wasserräder angetrieben wurde früher auch die Wassermühle in Meisdorf, eine der letzten, noch produzierenden Mühlen der Region. "Heute haben wir eine Wasserturbine", erklärt Müllermeister Reinhard Bischof, der am Montag die Gäste führte. Führt die Selke viel Wasser, wird die Mühle ausschließlich mit eigenem Strom betreiben; wird das Wasser weniger, werden Bereiche auf den Betrieb mit Fremdstrom umgestellt. "Somit kann ich so viel Energie wie möglich aus der Selke entnehmen", erläutert Reinhard Bischof.

Sein Großvater hatte 1932 die Mühle gekauft, die 1512 erstmals erwähnt, im 19. Jahrhundert umgebaut und um eine Nudelfabrik erweitert worden war. Seither in Familienbesitz, war hier bis zur Wende nur Roggenmehl produziert worden.

Weil die Nachfrage dann aber stark zurückging, "haben wir den Beschluss gefasst, wir bauen noch eine Weizenmühle", so der Müllermeister. "Wir verarbeiten heute im Jahr 300 Tonnen Roggen und 700 Tonnen Weizen zu Mehl." Das Getreide kommt dabei unmittelbar aus der Region; mit dem Mehl werden Handwerksbäckereien in der näheren und auch weiteren Umgebung beliefert. Und auch viele Hausfrauen holen sich ihr Mehl direkt von der Mühle, bei der es auch einen Mühlenladen gibt.

Bei der Führung konnten sich die Interessenten davon überzeugen, dass sich in dem historischen Gebäude ein moderner Produktionsbetrieb befindet. "Wir setzen auf Klasse, nicht auf Masse", unterstreicht Reinhard Bischof, der einen ausführlichen Einblick in den Produktionsprozess gab, in welchem das Getreide unter anderem die Schälmaschine, eine Getreidebürste und eine so genannte Netzung durchläuft, in welcher etwas Wasser aufgebracht wird, ehe es auf einen ersten Walzenstuhl und nach erneutem Sieben auf weitere Walzenstühle gelangt. Gemahlen werden in Meisdorf übrigens nur E-Weizen - Elite-Weizen mit den besten Qualitätsmerkmalen - und A-Weizen, dessen Qualität etwas darunter liegt, unterstreicht der Müllermeister. Das werde dann gemischt, "damit meine Bäcker immer einen gleichen Rohstoff haben".