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Erinnerung an Ehrenbürger Erinnerung an Ehrenbürger: Sieskind Sieskind war im Herzen ein Ballenstedter

Von steffen held 22.03.2015, 16:16
Ein Ballenstedter Sohn: Sieskind Sieskind
Ein Ballenstedter Sohn: Sieskind Sieskind privat Lizenz

ballenstedt - Durch eine Straßenbenennung ist der Name Sieskind in das kulturelle Gedächtnis der Stadt Ballenstedt sichtbar eingegangen. Namensgeber war der jüdische Großkaufmann Jakob Herz Sieskind, dessen Sohn, Sieskind Sieskind, vor 90 Jahren als Ehrenbürger dieser Stadt starb.

Als Fürst Friedrich Albrecht von Anhalt-Bernburg 1765 seine Residenz von Bernburg nach Ballenstedt verlegte, ließen sich auch mehrere jüdische Familien in der neuen Residenzstadt nieder. Einige erhielten den Titel Hoffaktoren und standen unter dem ausdrücklichen Schutz des Landesherrn.

Einer dieser jüdischen Neu-Ballenstedter war David ben Herz, dessen Nachkommen den Familiennamen Sieskind wählten, und die als Hoffaktoren zur jüdischen Oberschicht in Anhalt-Bernburg gehörten. Ihr wirtschaftliches Betätigungsfeld war lange Zeit der Wollhandel.

Sieskind Sieskind wurde am 28. August 1833 als erstes Kind von Jakob Herz Sieskind und Mathilde, geborene Oppé, in Ballenstedt geboren. Sieskind wuchs unter dem Einfluss des Landesrabbiners von Anhalt-Bernburg, Salomon Herxheimer, in einem der jüdisch-religiösen Reformbewegung zugeneigten Elternhaus auf. Rabbiner Herxheimer war seit 1832 mit der in Ballenstedt geborenen Helene-Lea Sieskind verheiratet.

Tochter wurde in Ballenstedt geboren

Sieskind absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, zu der auch ein längerer Arbeitsaufenthalt im Ausland, vor allem in England, gehörte. Er heiratete die aus dem schlesischen Grünberg stammende Marie Laskau. In Ballenstedt wurde am 22. Juli 1863 die Tochter Amalia geboren. Am 16. Oktober 1884 heiratete sie den Bankier Georg Schreiber aus Breslau. Er wurde am 12. August 1854 geboren und starb am 23. Juli 1912 in Leipzig. Amalia starb acht Jahre später, am 26. Oktober 1920, ebenfalls in Leipzig. Die Tochter Elsbeth wurde am 10. November 1867 geboren. Am 16. Oktober 1890 heiratete sie den Bankier Eugen Michael Maas. Maas starb im Jahr 1940. Am 19. September 1942 wurde Elsbeth in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie am 31. Oktober 1942 starb.

Nachdem 1863 Anhalt-Bernburg an das Herzogtum Dessau gekommen war, büßte Ballenstedt noch vorhandene Standortvorteile einer einstigen Residenzstadt ein. Für die jüdische Gemeinde beschleunigte sich ein schon lange zuvor begonnener Schrumpfungsprozess, denn immer weniger Juden lebten in der Kleinstadt.

Auch die sehr vermögende Familie Sieskind verließ Ballenstedt und zog 1871 nach Leipzig. Hier wurde Sieskind Teilhaber der 1852 von Jacob Plaut gegründeten Privatbank H. C. Plaut. Als Sieskind Ballenstedt verließ, lebten dort noch 92 Juden; in Leipzig traf er auf über 1 700 Glaubensbrüder und –schwestern.

Als sich Plaut wenige Jahre später aus dem Bankgeschäft zurückzog, wurde Sieskind alleiniger Inhaber. Dieser Schritt veranlasste ihn, Leipzig als neuen Lebensmittelpunkt anzunehmen. Er suchte um die Verleihung der sächsischen Staatsangehörigkeit und des Leipziger Bürgerrechts nach. Beides wurde ihm schon nach einer kurzen Entscheidungszeit durch die zuständigen Behörden gewährt.

Am 23. März 1925 starb im Alter von 91 Jahren Sieskind Sieskind in Leipzig. Er wurde im engsten Kreis der Angehörigen in der Familiengrabstelle auf dem jüdischen Friedhof an der Berliner Straße beerdigt. Auf der Grabstelle ist heute nur noch eine kleine Gedenktafel erhalten, die die besondere Ehrung „Ehrenbürger seiner Vaterstadt Ballenstedt“ nennt.

Die Stadtverwaltung von Ballenstedt unter Bürgermeister Moritz Markgraf ließ in einer Leipziger Tageszeitung eine Traueranzeige veröffentlichten. Darin heißt es: „Die Stadt Ballenstedt bedauert den Tod dieses Mannes. Seiner wird hier in der Heimat stets ehrend gedacht werden.“ (mz)