1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Eine 108-jährige Dame hat sich gründlich putzen lassen

Eine 108-jährige Dame hat sich gründlich putzen lassen

Von SIGRID DILLGE 18.09.2008, 16:25

HARZGERODE/MZ - "Wir haben die Uhr komplett in alle Einzelteile zerlegt, sie gründlich geputzt und mit einem neuen Farbanstrich versehen", zählt "Chefarzt" Schott die einzelnen Schritte auf. Etwa 130 Teile galt es zu kontrollieren, davon allein 17 Zahnräder. Auf dem Rad, das die Stundenschlagzahl bestimmt, sind seit der Generalreparatur zwei Gravuren zu erkennen. Die erste stammt aus dem "Geburtsjahr" der Uhr, enthält das Datum 9. 9. 1900 und den Namen von Uhrmachermeister Dittmar, der das Kunstwerk erbaute. Die zweite auf der Rückseite trägt das Datum 9. 9. 2008 und verweist auf Uhrmachermeister Dietrich Schott, den Freundeskreis Hasacanroth.

Die Namen Lutz Ludwig, Jochen Kaiser, Joachim Ender, Lutz Wisnewski und Dieter Sachers, alle Mitglieder des Freundeskreises, sind ebenfalls auf der alten Uhr zu finden. Schließlich haben sie dafür gesorgt, dass die ehrwürdige alte Dame jetzt in neuem Glanz erstrahlt. Und dafür, dass sie auch für Kirchturmbesucher besser sichtbar ist. Zwei kleine Fenster in der Umhausung geben den Blick auf das technische Meisterwerk frei. Zusätzlich ist eine Kamera installiert, deren Aufnahmen auf einem Fernsehschirm unten im Kirchenschiff zu sehen sind. Ob diese, von einer Eislebener Firma kostenlos zur Verfügung gestellte Übertragungsart, bleiben wird, ist allerdings noch nicht endgültig entschieden. Klar jedoch ist, dass in einem der Turmzimmer der Freundeskreis eine Dokumentation über die Uhr und ihre Reparatur dauerhaft zeigen wird.

"Jetzt kann die Uhr wieder mindestens 100 Jahre lang funktionieren", ist sich Uhrmachermeister Dietrich Schott sicher. Er kennt den Zeitanzeiger bis in das kleinste Detail. Denn seit 1961 ist er ihr immer wieder sehr nahe gekommen. 1958 hatte sein Vater Willi Schott die Wartung der Uhr übernommen. Von 1961 bis 1978 arbeitete er mit Sohn Dietrich gemeinsam. Der hatte 1991 die letzte größere Überprüfung des Uhrwerks vorgenommen, und schwärmt von den technischen Finessen. Das Pendel beispielsweise ist aus Ebenholz und braucht für jede Doppelschwingung eine Sekunde. Die Gewichte haben eine Fallhöhe von 18 Metern, die seit dem Einbau des elektrischen Antriebes allerdings nur auf einem Meter hängen. Dadurch hat die Uhr eine Gangreserve von einer Woche, falls der Strom einmal ausfällt. Das Gangsystem, das Herz der Uhr, hat eine so genannte Graham-Hemmung, und treibt drei Zifferblätter an. Alles ist noch im Original erhalten.

Und noch eine Besonderheit gibt es: Die Uhr gehört der Stadt Harzgerode, die, weil der Kirchengemeinde das Geld fehlte, 1898 einen Fond zur Beschaffung einer neuen Turmuhr anlegte. Am 6. Oktober 1900 konnte die heute 108-Jährige dann in Betrieb genommen werden.