Dixieland- und Swingtage in Quedlinburg Dixieland- und Swingtage in Quedlinburg: Trompete auf Gleis 3

Quedlinburg - Das passt doch ganz gut zusammen: knarzige Fachwerkbalken und ebenso knarzige, handgemachte Musik, dazwischen Mauern voller Geschichte.
Für viele der insgesamt geschätzten 5.000 Zuhörer ist dieser Mix das Fundament der Quedlinburger Dixieland- und Swingtage. Schließlich hätten sowohl die Fachwerkstadt als auch Jazzmusik ihren ganz eigenen Charme.
Am Wochenende hat der Freundeskreis „Quedlinburg swingt“ beide Teile bereits zum 16. Mal erfolgreich miteinander verheiratet.
„Wer einmal da war, kommt meistens wieder“, weiß Werner Richter aus dem Organisationsteam.
Etwa 80 Prozent seien Auswärtige und Stammgäste.
Dixieland- und Swingtage in Quedlinburg: Konzept hat sich verfeinert
Über die Jahre hat sich das Konzept verfeinert: Im Marktkirchhof haben die 11 Bands so etwas wie ihre Heimspielstätte, dazu gibt es mit „Jazz in der City“ Straßenauftritte, Abendkonzerte in ausgewählten Hotels und Lokalen und mit dem Ökumenischen Jugendchor erstmals den „S(w)ing Gottesdienst“ in der Marktkirche.
Letzterer besiegelt die Idee von Domorganist Markus Kaufmann, dass eine Zusammenarbeit des Freundeskreises mit dem Quedlinburger Musiksommer nur gut sein könne. Für das städtische Kulturangebot allemal.
Dixieland- und Swingtage in Quedlinburg: Superstar mit acht Wagons
Der Superstar unter den Programmpunkten - und entsprechend langfristig ausverkauft - ist zugleich der exotischste: der Dixie-Train.
Sieben Bands und 280 Gäste swingen in einer historischen Dampflok mit acht Waggons lautstark in Richtung Waldhof Silberhütte, wo die Bands erst einzeln und dann gemeinsam spielen. Europaweit ist das einmalig.
Als der Zug nach etlichen Stunden auf Gleis 3 wieder in Quedlinburg einrollt, will die Musik nicht verstummen. Die Besucher des rollenden Konzerts verlangen mehr, „Sunshine Brass“ aus Thüringen geben mehr.
Dass die Luft dünn und der Platz knapp ist, stört niemanden. Selbst auf dem Bahnsteig geht es weiter: Große Instrumente, Gute-Laune-Jazz und lachende Gesichter dominieren die Szenerie.
Dixieland- und Swingtage in Quedlinburg: Viele Wiederholungstäter dabei
Auch hier finden sich viele Wiederholungstäter: Familie Vonkukowski aus Aschersleben weiß gar nicht mehr genau, ob sie nun das dritte oder schon das vierte Mal im Dixie-Train sitzt.
Dieses Jahr haben sie sich noch Verstärkung aus dem Raum Hildesheim eingeladen. Für Ruth und Horst Meier ist der Dixie Train neben dem Gottesdienst der Höhepunkt. Die Zugfahrt ins heimische Ludwigshafen dürfte in jedem Fall eintöniger ausfallen.
Dixieland- und Swingtage in Quedlinburg: Publikum mit höherem Alter
Während die Vonkukowski-Kinder mit 9, 11 und 12 Jahren zu den jüngsten Besuchern zählen, zeichnen Uve Mißfeldt und Sabine Lerche mit 80 und 82 Jahren das typischere Festivalbild. „Das Publikum beim Jazz ist immer höheren Alters“, sagt Gisela Günzel schmunzelnd.
Dass der Samstagnachmittag im Marktkirchhof dank Wind und Wetter etwas ungemütlicher ausfällt, verhagelt der 69-Jährigen nicht die Stimmung, unentwegt wippen ihre Füße.
Im Gegensatz zum gut besuchten Eröffnungskonzert am Freitag bleiben dennoch viele Plätze frei. Vor allem der Jugendjazzband Blankenburg hätte Günzel mehr Zuhörer gewünscht.
Die Acht- bis Zwölftklässler finden hier viele neue Fans. Für Werner Richter ein gutes Omen: „Wir feiern sicher auch noch 50. Dixieland- und Swingtage, dann sind die Jungs in dem Alter wie Lutzemanns Jatzkapelle jetzt“.
Dixieland- und Swingtage in Quedlinburg: Es bewerben sich immer genügend Bands
Privat hört der 16-jährige Oliver Geisler viel Elektromusik, aber eben auch Dixieland. Seine Bandkollegen nicken zustimmend: Neben „eigentlich von allem etwas“, ist Jazz ebenso Teil der heimischen Musikauswahl.
Der unterscheidet sich ohnehin noch in verschiedene Stilrichtungen und bedient viele Geschmäcker. Mal instrumental, mal mit Gesang; mal energisch, mal demütig.
Die Organisatoren sind bemüht, diese Vielfalt zu repräsentieren. Das sei gar nicht so schwer, so Richter. „Wir müssen zum Glück nicht betteln, es bewerben sich immer genug Bands.“
Für Abwechslung zu sorgen, nicht jedes Jahr die gleichen Künstler einzuladen, sei die größere Herausforderung.
Dixieland- und Swingtage in Quedlinburg: Auch bekannte Volkslieder mit dabei
Oft sind es bekannte Melodien ganz anderer Musikrichtungen, die Jazz sich zu eigen macht. Mit dem Volkslied „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“ liefern die Blankenburger ein Paradebeispiel dafür.
Verjazzt mit Trompeten, Posaunen, Banjo, Waschbrett. Waschbrett? Was für die meisten eine Haushaltshilfe aus grauer Vorzeit ist, ist - bespielt mit Fingerhüten, Sticks oder Schellen - zwischen Dixieland- und Skifflemusik kaum wegzudenken.
Genau wie das Rampenlicht für jeden einzelnen Musiker. Wer ein Solo spielt, wird mitten im Lied mit Applaus belohnt.
„Daran erkennt man Jazz-Fans ganz gut“, sagt Gisela Günzel. „Ich musste das damals erst lernen.“
Der swingende Gottesdienst kommt definitiv wieder. Selbst der amerikanische Generalkonsul aus Berlin, der zufällig im Internet davon las, ist unter den gut 500 Teilnehmern, die Pfarrer Carstens schlicht die Sprache verschlagen.
Dass das Straßenkonzert in der Steinbrücke so viele Hörlustige anlockt, könnte die erste Änderung für 2019 bedeuten: In der Bockstraße überlegen einige Geschäfte, nachzuziehen. (mz)

