Der Glücksfall auf der Augustenhöhe
Harzgerode/MZ. - 1997 war zweifelsohne der Wendepunkt in der Geschichte des Sondermaschinenbauers im Selketal, blickt Thomas Illian zurück: Die Sima Silberhütter Maschinenbau GmbH hatte Mitte Oktober 1997 einen neuen Investor gefunden, nachdem sie Monate zuvor in Schwierigkeiten geraten war. Der damalige Geschäftspartner, die Firma Systec Anlagentechnik GmbH & Co. KG aus dem unterfränkischen Gössenheim, entschloss sich schließlich, den damals noch in Silberhütte angesiedelten Betrieb zu übernehmen und somit das Ausbluten des Harzer Betriebes im einstigen Holdingverbund zu beenden.
Nicht ohne Grund fiel die Wahl der Unterfranken auf die Sima. Systecs kaufmännischer Geschäftsführer Dr. Frank Kampmann bestätigte damals, dass Sima Silberhütte seit Jahren ein zuverlässiger Geschäftspartner für sein Unternehmen war. Als Grundstock für Sima brachte deshalb der Gössheimer Zulieferer für die Anlagen- und Maschinenbauindustrie im In-und Ausland weitere Aufträge und ein funktionierendes Vertriebsnetz ein. Von den 32 Arbeitsplätzen in der Harzer Firma für Spezialmaschinen und -anlagenbau wurden 28 und zwei Lehrstellen übernommen.
"Dies war ein Glücksfall für uns", erklärt Thomas Illian, der seit 1994 bei der Sima war. Seit der Betriebsübernahme durch Systec leitete er die Geschicke des Harzgeröder Werkes. Die Unterharzer sind somit ein relativ junges Unternehmen in der weltweit agierenden Unternehmensgruppe. In den vergangenen zehn Jahren wurden über zehn Millionen Euro in einen modernen Maschinenpark und in den neuen Werkssitz im Gewerbegebiet "Augustenhöhe" investiert. Eine weitere Fertigungshalle soll dazukommen. Der Stolz der Harzgeröder: ein in Sachsen-Anhalt einmaliges Dreh-und Fräsbearbeitungszentrum. Dort können Werkstücke mit 36 Werkzeugen über zehn Achsen gleichzeitig bearbeitet werden. Moderne Fertigungsmethoden sind auch nötig, um auf dem Markt die Nase vorn zu haben, weiß der Betriebsleiter - immerhin schläft auch die Konkurrenz nicht. Deshalb setzen Systec besonders auf Qualität, Zuverlässigkeit und Service. Doch das reiche nicht.
"Der Kunde will alles aus einer Hand: Konstruktion, Bauen, Montage und Wartung", sagt Betriebsleiter Illian. Dies setze Teamgeist einer gut qualifizierten Belegschaft - das Durchschnittsalter liegt bei 42 Jahren - und eine moderne Fertigung voraus. So entstand beispielsweise für einen großen Automobilbauer für 1,2 Millionen Euro eine spezielle Rohrbiegemaschine. Sie entstand in nur einem halben Jahr - von der Idee bis hin zum Betriebseinsatz vor Ort. Für einen Automobilzulieferer wurde eine Nockenzuführungsanlage entwickelt und gebaut, für Taiwan eine Delaborierungsanlage. Die Aufzählung ist lang - Aufträge, von den Illian noch heute schwärmt. Die Harzer haben weltweit 28 Stammkunden.
Doch auf der Augustenhöhe wird der Blick stets nach vorn, auf neue Projekte gerichtet: So beispielsweise auf eine Konservierungsanlage für Kupplungsscheiben. Haben die Harzgeröder bisher nur Unikate von Anlagen und Maschinen gebaut, so ist in jüngster Zeit auch die Serienfertigung von Spezialpressen zum Brikettieren von Plastikabfällen und nachwachsenden Rohstoffen wie Holz- und Getreideabfälle oder Sonnenblumenkerne als Fertigungssparte hinzugekommen. Somit wendet sich Systec vermehrt auch der Vakuum- und Umwelttechnologie zu. Wie auch beim jüngsten Kind: Für Bulgarien wird eine Bildschirmrecyclinganlage gebaut. Sie zerlegt Bildschirmgeräte, entsorgt die anfallenden Gase, trennt den Elektronikschrott und Kunststoff. Elektronikschrott-Recycling sei weltweit auf dem Vormarsch.
"Wir sind weiter auf Wachstumskurs", meint der Betriebsleiter zur Auftragslage. Doch um das Tempo durchhalten zu können, sucht der Betrieb qualifizierte Mitarbeiter - Zerspaner / Dreher / Fräser, Konstrukteure oder in der Arbeitsvorbereitung. "Wir müssen feststellen, dass viele Bildungsträger auf dem Markt mit dem Stand der technischen Entwicklung gar nicht mithalten können", zeigt Illian ein altes Problem auf. Ein Ausweg könnte eine gemeinsame Kooperation sein. So biete Systec einerseits Lohnarbeit, anderseits könnten sich so die Ausbildungsfirmen modernste Technik für eine marktgerechte Ausbildung refinanzieren.
Da bis dahin Fachleute weiter Mangelware bleiben, bildet Systec seinen qualifizierten Nachwuchs selbst heran. Derzeit lernen sieben junge Leute im Betrieb. 18 waren es in den vergangenen zehn Jahren, die ausgebildet wurden. Die große Mehrzahl ist in der Firma geblieben.