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«Da steckt unsere ganze Kraft drin»

Von STEPHAN NEEF 13.01.2009, 18:57

THALE/MZ. - Auch, dass es sich um eine kleine Sehenswürdigkeit handelt, um den letzten Exponenten eines einst auch in Thale weit verbreiteten Handwerks: Denn im Obersteigerweg 3 arbeitet die letzte Bäckerei der Bodestadt.

Stadtbekannter Bäckersmann

Für Dirk Pfeiffer, den Chef des gleichnamigen Familienbetriebes, ist die Rolle des "letzten Mohikaners" nicht ganz neu. Vor 43 Jahren gehörte er zu den letzten Thalensern, die im heimischen Bodetal-Krankenhaus das Licht der Welt erblickten. Vielleicht war er sogar der Allerletzte, schmunzelt der Meister heute. Denn wer danach und somit zu spät kam, den bestrafte auch damals schon das Leben. Der war eben kein gebürtiger Thalenser mehr. Auch in dieser Hinsicht zählt Dirk Pfeiffer also zu einer langsam aussterbenden Spezies.

2008 feierte der stadtbekannte Bäckersmann nicht nur seinen 43., sondern auch den 45. Geburtstag. Denn den Betrieb, den er seit drei Jahren erfolgreich leitet, haben seine Eltern 1963 übernommen und damit eine langjährige Tradition fortgeführt. In dem Haus zwischen Albertstraße und Obersteigerweg wurde schon seit 1906 gebacken. Doch Pfeiffer-Vorgänger Kurt Stephan musste sein Handwerk krankheitshalber an den Nagel hängen, die Backstube blieb ein Dreivierteljahr kalt.

So etwas sprach sich in Fachkreisen schnell herum. Altmeister Hartmut Pfeiffer, der in Westeregeln zu Hause war und im nahen Staßfurt das Backen und seine Frau (kennen)lernte, erfuhr von der toten Bäckerei. "Wir waren frisch verheiratet", erinnert sich Brigitte Pfeiffer. Die Gewerbegenehmigung hätten sie schnell bekommen, "aber keinen Zuzug". Doch Thales damaliger Bürgermeister Heinz Hornburg habe genauso zügig wie unbürokratisch geholfen. Für Brigitte und Hartmut Pfeiffers Thalenser Leben war der Weg geebnet.

1966 kauften sie die Bäckerei, 1971 / 72 bauten sie Backstube und Laden grundlegend um. Doch die Freude über den modernisierten Betrieb bekam schon bald einen herben Dämpfer. "Wir wurden 1974 gezwungen, in die PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks, d.R.) zu gehen", berichtet Brigitte Pfeiffer. Weil sie zögerten, seien sie "gar nicht mehr beliefert worden". Auch sarkastische "Drohungen" habe es gegeben. "Wenn wir uns nicht beteiligen, könnten wir aus unserem Backofen einen Gartenzaun ziehen und eine Sauna draus machen", ist ihnen gesagt worden, berichten Pfeiffers. "Wir haben lange überlegt, immerhin hatten wir unsere ganzen Ersparnisse in die Modernisierung gesteckt", räumt die Meister-Gattin ein. Schließlich verkauften sie die Maschinen an die PGH Bodetal, vermieteten alle Betriebsräume für 173 Mark und wurden Angestellte im eigenen Unternehmen, das nur noch als Produktionsstätte für Brötchen und Kuchen diente. Die Brote wurden in der Breitscheidstraße gebacken, Konditorwaren kamen aus der Joachimstraße. Und Hartmut Pfeiffer wurde "Bereichsleiter".

Bäckerlehre aus eigenem Antrieb

Sieben Jahre später begann Sohn Dirk in Quedlinburg seine Bäckerlehre. "Er sollte nicht, er wollte", präzisiert die 67-jährige Mutter. Kein Wunder, schließlich ist er nicht nur der Sohn, sondern auch der Enkel eines Bäckers, der Abkömmling eines ganzen "Bäcker-Clans", der schon als Kind gern mit Teig "arbeitete", wie der 69-jährige Vater betont. Im Herbst 1989, "als sie in Halle schon mit der Kerze an der Kirche standen", habe er in der damaligen Bezirksstadt seine Meisterprüfung abgelegt.

Die Wende bot ihm eine unerwartete Chance. "Für uns hätte sich ein Neuanfang nicht mehr gelohnt", gesteht die Mutter. Aber ihr Sohn wollte den eigenen Betrieb. "Und da haben wir natürlich noch mal rangehauen", erinnert sich Brigitte Pfeiffer. "Die Maschinen wurden peu-a-peu und aus eigener Kraft zurück gekauft." Dann begann die nächste, systematische Modernisierung. Ausrollmaschine und Kneter wurden erworben, Mehlsilo und vollautomatische Brötchenanlage, der Hof umgebaut und die Backstube erweitert. Parallel wuchs das Netz der Filialen, das bis nach Blankenburg reichte. 1998 entstand in der Bertolt-Brecht-Straße, in Kooperation mit einer Fleischerei, ein Geschäftsneubau. Das Haus, in dem heute die Timmenröder Filiale residiert, wurde ersteigert, saniert und mit einem Café ausgerüstet. Warnstedt, Weddersleben, Stecklenberg und Quarmbeck werden allmorgendlich durch einen Verkaufswagen versorgt.

18 Mitarbeiter hat die Bäckerei zur Zeit. 25 "Lieferbetriebe" lassen bei Pfeiffers backen. "Ich stelle abends die Produktion zusammen, lege fest, was in der Nacht zu backen ist", so Brigitte Pfeiffer. Um 1 Uhr beginnt die Produktion mit drei, vier Mitarbeitern. Zwei Stunden später stößt der Meister dazu. Um 10 Uhr ist Feierabend. "Wenn wir noch eine Flasche Bier trinken, wird's 10.30 Uhr", ergänzt Pfeiffer. Das geschehe an jedem Sonnabend.

Und wann schläft der Bäcker? "Von 14 Uhr bis 17 Uhr, dann noch mal von 22 Uhr bis 2.30 Uhr - wenn die Bayern spielen, geht's auch mal später ins Bett", grinst Pfeiffer. Wach hält ihn auch sein tierisches Hobby: Er ist preisgekrönter Tauben- und Putenzüchter, hält Enten, Gänse und Hühner, Hund und Katze, Sittiche, Papageien und Fische, aber auch Haflinger-Pferde, Ponys und Pfauen. Die majestätischen Vögel, die oft auch auf Dachfirst und Bäumen sitzen, sind zu einem Markenzeichen des Rübchen-Gasthauses geworden, in dem Pfeiffer mit einer Wirtstochter lebt. Das Paar hat drei Kinder, 19, 14 und zehn Jahre alt. Stephan, "der Mittlere", will Konditor werden und soll mal den Betrieb übernehmen, eventuell macht's auch Elisa, die Jüngste. Klappt auch das nicht, "wird noch jemand adoptiert", lacht Dirk Pfeiffer. "Es wäre wirklich schade, wenn Schluss wäre, da steckt doch unsere ganze Lebenskraft drin", fügt seine Mutter hinzu.