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Caritas-Frauenhaus in Ballenstedt Caritas-Frauenhaus in Ballenstedt: Ein zweites Zuhause

Von petra korn 03.12.2013, 18:43
Im Frauenhaus wird oft Schutz gesucht.
Im Frauenhaus wird oft Schutz gesucht. Archiv/Chris Wohlfeld Lizenz

ballenstedT/MZ - Als Sina M. (Namen geändert) sich dafür entscheidet, Zuflucht im Frauenhaus Ballenstedt zu suchen, ist sie ganz unten. Nach jahrelangen ständigen Beschimpfungen und auch körperlicher Gewalt ist die junge Mutter physisch und psychisch am Boden. Als die Situation zu Hause wieder einmal eskaliert, ist für Sina M. Schluss. „Da ist mir klar geworden: Entweder gehe ich, oder es wird noch Schlimmeres passieren.“ Hals über Kopf flüchtet sie. „Ich hatte nur das, was ich am Körper hatte.“

Nur mit dem, was sie gerade bei sich hatte, kam auch Simone F.. Dass ihr Mann, mit dem sie lange verheiratet war, sie körperlich angriff, war eines von vielen Problemen, die sich schier unüberwindbar vor Simone F. auftürmten. „Irgendwann ist mir der Faden gerissen. Ich wollte ins Frauenhaus“, sagt sie.

Sina M. und Simone F. sind zwei von 837 Frauen, die ebenso wie 696 Kinder in den vergangenen 20 Jahren im Caritas-Frauenhaus Ballenstedt Schutz, Begleitung und Beratung fanden. Und die auch später nicht allein gelassen wurden: Die Mitarbeiter der am 6. Dezember 1993 eröffneten Einrichtung bieten den Frauen und ihren Kindern auch nach deren Auszug aus dem Frauenhaus weitere Unterstützung an, sagt Jolanta Richter. Sie arbeitet vom ersten Tag an im Frauenhaus, leitet dieses und betreut und berät die Frauen heute gemeinsam mit Beate Schlüter und Jeanette Zelke, bis die aus allen Altersgruppen und sozialen Schichten kommenden Frauen wieder auf eigenen Füßen stehen.

"Sich mit den Frauen auf Augenhöhe begeben"

Bis dahin war es auch für Sina M. und Simone F. ein weiter Weg. „Ich hatte nichts“, erinnert sich Sina M. an die Zeit ihrer Ankunft im Frauenhaus. „Ich war auf alles angewiesen. Man freut sich über jede Kleinigkeit, selbst über eine Zahnbürste.“ Das Frauenhaus bedeutete aber für sie zuerst eines: Ruhe. „Hier ist man geschützt. Man kann in Ruhe ins Bett gehen, in Ruhe schlafen, in Ruhe aufstehen, ohne Angst haben zu müssen, dass wieder etwas passiert.“ Für Sina M. war es genau so wichtig, dass immer jemand da war, mit dem sie reden konnte. „Ich hatte keine Lust mehr, mich um mich zu kümmern. Man hatte innerlich aufgegeben. Hier lernt man auch wieder, zu lachen.“ Beim Verarbeiten des Geschehenen half ihr ebenso, dass sie ihre Kinder in guten Händen wusste, wenn sie Zeit für sich brauchte. „Es gab Momente, wo ich mich zurückziehen musste.“ Typisch ist ein solches Kinderbetreuungsangebot für ein Frauenhaus nicht, sagt Jolanta Richter. In Ballenstedt ist es möglich Dank des Wohnprojekts St. Elisabeth für minderjährige Schwangere und Mütter. Hier stehen mit Gabriele Fügemann und Winni Marie Hönig Ansprechpartnerinnen rund um die Uhr zur Verfügung.

Stück für Stück kämpften sich Sina M. und Simone F. über viele Monate hinweg in ein eigenes Leben. Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses machten ihnen Mut, halfen bei Behördengängen, beim Stellen von Anträgen, bei der Suche nach einer Wohnung, bei deren Ausstattung - und hörten zu, wenn es Sorgen, Ängste oder Probleme gab. „Und sie waschen einem auch mal den Kopf, wenn es angebracht ist“, sagt Sina M. schmunzelnd. „Es ist uns wichtig, uns wirklich mit den Frauen auf Augenhöhe zu begeben. Sie haben genug Erniedrigung in ihrer Beziehung erfahren“, sagt Jolanta Richter. „Natürlich gibt es im Zusammenleben immer mal auch Krisen und Probleme. Wichtig aber ist, dass man sich am nächsten Tag wieder begegnen kann.“

Nach fast einem Jahr im Frauenhaus zog Sina M. mit ihren Kindern in eine eigene Wohnung. „Sie zu finden, war ein Glückstreffer. Und dann ging es Knall auf Fall. Auch die Mitarbeiter der Koba in Quedlinburg waren sehr nett, sehr hilfsbereit“, erzählt die junge Frau, die nun auch wieder eine berufliche Zukunft hat. Eine solche zeichnet sich ebenso für Simone F. ab, die ebenfalls in einer eigenen Wohnung lebt. Beide Frauen stehen in engem Kontakt, reden oft miteinander und helfen sich gegenseitig. Auch ins Frauenhaus kommen beide gern immer wieder. Nicht nur, wie Sina M. sagt, weil es für sie ein zweites Zuhause ist. „Da fehlt sonst was“, sagt Simone F.. Beide möchten auch etwas zurückgeben. Sina M., die immer versucht hat, andere mitzuziehen und zu motivieren, macht das bis heute und bietet zudem immer ihre Hilfe an. Auch Simone F. ist stets da, wenn Unterstützung gebraucht wird, hilft bei jedem Umzug einer Frau in eine Wohnung mit und ist zur Stelle, wenn Kinder betreut werden müssen. Nein sagen? Das geht nicht, sagt Simone F., die ohnehin nicht für viele Worte ist. „Einfach machen“, ist ihre Devise.