Brüderpaar aus Güntersberge Brüderpaar aus Güntersberge: Mit dem Rollstuhl bei der Freiwilligen Feuerwehr

Güntersberge - „Wir machen heute Gerätekunde. Zieht jeder eine Karte“, fordert Lars Deutel, stellvertretender Ortswehrleiter der Güntersberger Feuerwehr, die Mädchen und Jungen der Kinderfeuerwehr auf.
Kinder und Jugendliche, die sich für die Arbeit der freiwilligen Feuerwehr in Güntersberge interessieren, können in der Kinderfeuerwehr oder in der Jugendfeuerwehr mitarbeiten. Die Jugendwehr zählt derzeit sieben Mitglieder. Jugendwart ist Felix Wawra; ihm steht Heiko Runge als Stellvertreter zur Seite. Im Bereich der Kinderfeuerwehr - der „Firekids“ - arbeiten die Wehren aus Straßberg, Siptenfelde und Güntersberge zusammen. Die 14-täglichen Dienstnachmittage finden abwechselnd in den Orten statt. In der Kinderfeuerwehr arbeiten derzeit zehn Mädchen und Jungen mit.
Was braucht man für sauberes Wasser? Wie heißt das Gerät ganz am Ende der Schlauchkette? Was braucht der Feuerwehrmann für den Atemschutz? Mal kommt die Antwort sofort, mal tasten sich die Kinder an die Lösung heran. Mittendrin im gemeinsamen Dienstabend von Kinder- und Jugendfeuerwehr sind Benjamin und Pascal Weiß. Die Zwillingsbrüder verwalten die Frage- und Antwortkärtchen, helfen beim Präsentieren der Geräte und dem einen oder anderen beim Antwort-Finden auf die Sprünge. Auch als die Jüngsten sich an der Kübelspritze ausprobieren dürfen, arbeiten der 17-jährige Benjamin und sein Bruder Pascal, der seit seiner Geburt auf einen Rollstuhl angewiesen ist, Hand in Hand und sorgen für ausreichend Wasser.
„Wir machen immer alles zusammen“
Die Brüder sind seit sieben Jahren bei der Feuerwehr. „Wir machen immer alles zusammen“, sagt Pascal Weiß. Ihr Interesse wurde durch ihren Vater geweckt, der selbst aktiv bei der Feuerwehr war, und durch Freunde, die nach und nach bei der Jugendfeuerwehr mitmachten, erzählt sein Bruder Benjamin. So waren die beiden schon vor ihrem 10. Geburtstag - ab zehn Jahren kann man bei der Jugendfeuerwehr mitmachen - immer mal wieder gucken. „Es hat uns interessiert, was dort so gemacht wird“, sagt Pascal.
Dann veranstaltete die Feuerwehr eine Familienfahrt, eine Floßfahrt auf der Talsperre Wendefurth. „Da waren wir das erste Mal aktiv mit dabei - und seitdem bei der Jugendfeuerwehr“, erzählt Benjamin. Dass einer der beiden Jungen auf einen Rollstuhl angewiesen war, war - und ist - für die Güntersberger Wehr kein Thema. „Für uns waren das zwei Kinder. Es war eine Familienfahrt. Warum sollten wir da jemanden ausschließen?“, sagt Ortswehrleiter Mario Sander. Das galt auch für die Mitarbeit der beiden Jungen in der Jugendwehr: „Hier hilft jeder jedem, dann geht alles“, so der Ortswehrleiter.
Pascal ist immer mit dabei
Mit dem Ausflug in die Reihen der Jugendfeuerwehr aufgenommen, stand für die Brüder alle zwei Wochen der Ausbildungsdienst auf dem Programm, den sie mit viel Engagement absolvierten. „Es gibt wohl keinen Dienst, bei dem ich nicht dabei war“, sagt Pascal mit einem Schmunzeln. Auch wenn die Jugendfeuerwehr unterwegs ist, wird stets dafür gesorgt, dass Pascal dabei sein kann.
Benjamin Weiß gefällt an der Arbeit in der Wehr besonders „das Gruppengefühl, dass hier jeder für jeden einsteht, ohne auf Äußerlichkeiten zu achten. Jeder versucht, den anderen mit einzubinden, Tipps und Anregungen zu geben. Wir helfen uns untereinander. So soll es ja auch sein“. Sein Bruder bekräftigt das und ergänzt: „Ich bin dabei. Dabei sein ist alles, und ich mache das, was geht.“ Dazu zählt die theoretische Ausbildung in der Jugendfeuerwehr. Er ist aber ebenso mit von der Partie, wenn zur praktischen Ausbildung ausgerückt wird. Dann macht er Fotos, die auf der Internetseite der Wehr zu sehen sind.
Benjamin Weiß, der derzeit eine Ausbildung zum Schornsteinfeger absolviert, hat als 16-Jähriger den Grundlehrgang für den Einsatzdienst erfolgreich abgeschlossen. Zu Ausbildungszwecken ist er bereits in die Einsatzabteilung der Wehr integriert. Wenn er 18 Jahre alt ist, wird er in diese wechseln und zu Einsätzen mitfahren. Sein Bruder Pascal, der die Schule in diesem Jahr mit einem qualifizierten Hauptschulabschluss abschließen möchte und im September eine Ausbildung zum Bürokaufmann beginnt, wird mit Vollendung des 18. Lebensjahres in die Ehrenabteilung der Güntersberger Wehr wechseln.
Mit der Arbeit bei der Feuerwehr haben Benjamin und Pascal eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, findet ihre Mutter Sylvia Weiß. „Soweit wir können, unterstützen wir das. Wo Pascal mit seinem Therapie-Fahrrad nicht hinkommt, bringen wir ihn mit dem Auto hin.“
Sind die Brüder mal nicht mit der Feuerwehr unterwegs - „da stehen wir ganz dahinter“, so Benjamin -, sind sie am liebsten mit ihren Fahrrädern auf Tour. Zu ihren gemeinsamen Interessen gehört auch die Playstation - „aber nur bei schlechtem Wetter“, schränkt Pascal sofort ein. Doch klar ist: „Sobald die Sirene geht, hält die beiden nichts mehr zu Hause“, sagt Sylvia Weiß. „Dann heißt es nur noch: Fahrräder raus und gucken, was los ist.“ (mz)
