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Brexit Brexit: Schottische Dozentin aus Hasselfelde bekommt Post von der Ausländerbehörde des Landkreises Harz

Von Rita Kunze 26.03.2019, 07:57
Die Britin Heather Fort ist Dozentin an der Kreisvolkshochschule und durch den bevorstehenden Brexit verunsichert.
Die Britin Heather Fort ist Dozentin an der Kreisvolkshochschule und durch den bevorstehenden Brexit verunsichert. Marco Junghans

Wernigerode - „Doctor schreibt man aber mit C! Das ist doch kein Deutsch“, sagt Heather Fort mit scherzhaftem Unterton zu einem ihrer Kursteilnehmer. Sie sitzen in einem Raum der Kreisvolkshochschule in Wernigerode; die Männer und Frauen, manche in reiferem Alter, wollen Englisch lernen, und Fort bringt es ihnen bei. Die Britin lebt seit vier Jahren in Hasselfelde. Im Sommer arbeitet sie in der Westernstadt Pullman City, im Winter ist sie Dozentin an der Kreisvolkshochschule. Ginge es nach ihr, könnte das immer so weitergehen. Aber da ist der Brexit.

„Wir haben unsere Existenz in Großbritannien aufgegeben, um hier in Pullman City zu arbeiten. Das ist kein Job, das ist Leidenschaft. Der Gedanke, das alles aufgeben zu müssen, bereitet mir schlaflose Nächte.“

Ehepaar aus Schottland kaufte sich ein Haus in Hasselfelde

Mit ihrem Mann Ian hat sich die 47-Jährige ein altes Haus in Hasselfelde gekauft, das sie nun Stück für Stück restaurieren. Eines ihrer drei Kinder lebt seit Februar hier. Das Paar hat Freunde gefunden und eine neue Heimat.

Doch nun, wenige Tage vor dem geplanten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, haben Heather Fort und ihr Mann von der Ausländerbehörde Post bekommen. „Mehr oder weniger ein Asylantrag“, beschreibt sie die Unterlagen, die sie ausfüllen sollten. Alle Briten, die in Deutschland leben, hätten solche Unterlagen zugeschickt bekommen, „aber verdient haben wir das nicht. Wir fühlen uns im Stich gelassen“, sagt sie - und meint damit ebenso die britische Regierung wie die deutsche.

„Wir haben sehr wenig Informationen bekommen“, sagt sie. „Wir zahlen in die deutsche Rentenversicherung ein. Was wird damit? Was wird mit unserer Krankenversicherung?“ Sie habe auf der Internetseite des britischen Konsulats mehr herausfinden wollen. Das Ergebnis war ernüchternd: „No Information“, sagt sie fassungslos. Ihr ältester Sohn lebt in Spanien: „Der hat keine solchen Papiere bekommen wie wir.“

„Ich bin stolz, Schottin zu sein. Warum sollte ich das aufgeben?“

Viele ihrer Landsleute in Deutschland dagegen haben mittlerweile deutsche oder irische Pässe beantragt, weil sie damit in der EU bleiben können. Heather Fort will das nicht. „Wir sind Europäer“, sagt sie. „Ich bin stolz, Schottin zu sein. Warum sollte ich das aufgeben?“

Bevor Heather Fort nach Hasselfelde kam, hatte sie schon einmal in Deutschland gelebt. 1991 war die gelernte Krankenschwester hergekommen und bis 2005 geblieben. Dann ging sie zurück nach Großbritannien, bis sie mit ihrem zweiten Mann Ian in den Harz kam - und sich in die Region verliebte.

„Als ich in den 90ern hier war, war alles grau. Und wenn man jetzt sieht, was die Menschen hier geschafft haben, das ist toll. Das wollen mein Mann und ich auch. Wir wollen unser Haus wieder so machen, wie es einmal war“, sagt sie.

Anfangs habe sie sich gefragt, wie sie wohl aufgenommen werden in der kleinen Stadt. So als Fremde. „Aber die Leute hier sind weltoffen und neugierig auf Neues. Und es ist schön, dass viele Englisch lernen wollen.“

Forts Kollegen in Pullman City und bei der Kreisvolkshochschule unterstützen sie

Sie bekomme viel Unterstützung, von ihrem Chef in Pullman City ebenso wie von der Kreisvolkshochschule. „Ich kann immer kommen und fragen.“ Und dann fragt sie ihre Kursteilnehmer und Kollegen, denen sie auf dem Gang begegnet: „Soll ich gehen oder bleiben?“ Die Antwort ist stets die gleiche: „Bleiben!“

Beim Referendum 2016 hat Heather Fort für den Verbleib Großbritanniens in der EU gestimmt. Das Ergebnis der Abstimmung - 51 Prozent waren für den Austritt - war ein Schock für sie. Jetzt ist sie vor allem enttäuscht. Weil in den vergangenen zwei Jahren Millionen britische Pfund in den Brexit geflossen seien, die anderswo dringender gebraucht würden: „Unsere Kinder gehen ohne Essen in die Schule, unser nationales Gesundheitssystem ist am Boden.“

„Zwei Jahre sind eine kurze Zeit, um aus der EU auszusteigen“, sagt sie rückblickend. „Was bringen denn da jetzt noch zwei Monate mehr? Nichts.“ Ihre Hoffnung ist ein „no vote“, mit dem der Austritt Großbritanniens doch noch abgeblasen werden könnte. In der kommenden Woche wird das britische Parlament wieder über den Brexit verhandeln. Die Ungewissheit für Heather Fort bleibt. (mz)