Brandenburger Samariter hat im Harz zahlreiche Helfer
Neinstedt/MZ. - Neue Lebensaufgabe
Wenn der pensionierte Russischlehrer in Neinstedt absteigt, will er Bilanz ziehen. Und sich, wie jetzt wieder geschehen, bedanken. Denn am Harz - in Neinstedt und Weddersleben, Thale oder Gernrode - hat Rehor seit vielen Jahren zahlreiche Sympathisanten. Menschen, die für ihn Lebensmittelpakete und Kleidersäcke packen, Möbel spenden oder Waschmaschinen. Denn Rehor sammelt - und zwar Hilfsgüter aller Art. Seit er zu Beginn der 90er Jahre das Schicksal behinderter Kinder und ihrer Familien im weißrussischen Gomel kennen lernte, hat er eine neue (Lebens-)Aufgabe. Mit 400 Adressen betroffener Familien habe die Aktion begonnen, berichtet Bernd Püschel, Arbeitstherapeut im Marienhof der Neinstedter Anstalten, der die Nordharzer "Zulieferungen" organisiert.
Inzwischen betreuen Renate und Paul Rehor mehr als 600 Familien, allein 130 mit bettlägerigen Kindern. Eigentlich versorge das Ehepaar "eine ganze Großstadt", denn Gomel sei etwa so groß wie Dresden, erläutert Püschel. Zwei bis drei Sattelschlepper brauchen Rehors dafür, zweimal im Jahr. "24 Tonnen Ladung pro Fahrzeug", präzisiert Rehor im Gespräch mit der MZ, bis zu 70 Tonnen Hilfsgüter pro Aktion. Jörg Zenke heißt der Brandenburger Spediteur, der für die Weihnachts- und Osteraktion seine Super-Brummis samt Chauffeuren zur Verfügung stellt, oft sitzt der Chef selbst mit am Steuer.
"Das ist eine Dimension, die wir nicht kennen", räumt Püschel ein, der selbst Mitglied einer kleinen Initiativgruppe ist, die seit Jahren vor allem medizinische Hilfsgüter in das weißrussische Ivje bringt, mit zwei kleinen Transportern samt Hänger. Was Rehor und Püschel eint, ist die Sympathie für die leidgeprüften Menschen Belorusslands.
Püschel-Besucher spüren das spätestens, wenn sie in der Küche seines Eigenheims jene Bildtafel sehen, die an manche Begegnung zwischen Gomel und Ivje erinnert, auch an Menschen wie die junge Anna, die ihre Krankheit nicht überlebte. Neben dem Porträt des hübschen Mädchens hängt das Foto ihres Grabes. 415 Euro, 115 Pakete, ein Rollstuhl, diverse Waschmaschinen und Schleudern konnte Püschel im Rahmen der letzten Aktion an Rehor übergeben. Über 1 100 Pakete und Kleidersäcke hatten die Brandenburger diesmal an Bord. An der Havel wurden die Trucks auch schon vom Zoll verplombt, die Wartezeiten an den Grenzen sind dadurch relativ kurz. Um so länger - oft vier bis sechs Wochen - dauert Rehors Arbeit in Gomel, erschwert durch den oft zermürbenden Kampf mit der belorussischen Bürokratie.
Bundesverdienstkreuz
"Andere Menschen wären schon längst verzweifelt", ist Püschel überzeugt, der Rehor seit über zehn Jahren kennt. Eine Brandenburger Mutter, deren Sohn in den Neinstedter Anstalten betreut wird, hatte den Kontakt hergestellt. Im Dezember 2002 bekam Paul Rehor aus der Hand von Johannes Rau das Bundesverdienstkreuz.