Berlin Berlin: Harz in den Messe-Hallen
BERLIN/Quedlinburg/MZ. - Auf den Gong genau 10 Uhr strömen die Besucher in die Hallen auf der Grünen Woche in Berlin. Bequeme Schuhe, ausreichend Münzen für die Probierhäppchen, ein Rucksack und ausgefahrene Ellenbogen, manche Aussteller aus dem Landkreis Harz kennen ihr Publikum schon über Jahre.
Harzer Züchter
Und doch scheinen einige Verbraucher in diesem Jahr, kritischer an die Stände zu treten. Wollen wissen, woher das Fleisch für die Würstchen kommt, die sie da gerade verkosten und ob bei den Quedlinburger Forschern des Julius Kühn-Instituts, die in der Halle 23a des Bundeslandwirtschaftsministeriums ihre Arbeit präsentieren, Gentechnik in den Möhren steckt. Denn mit großen Riech-Möhren wollen die Experten die Besucher, denen es weniger um einen schmackhaften Happen, sondern um Wissenszuwachs geht, für den Geschmack und die Inhaltsstoffe von Karotten sensibilisieren. Sie geben zu, es stimmt, die Mohrrüben von Oma haben noch ganz anders geschmeckt. Beim Züchten gesunder, kräftiger und wirtschaftlicher Sorten blieb der urtümliche Geschmack auf der Strecke.
Wer selber Gemüse und Blumen anbauen will, auch für den haben Quedlinburger etwas auf die weltgrößte Verbraucherschau für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau mitgebracht. Erneut präsentieren sich nur wenige Meter von den Wissenschaftlern entfernt die Saatgutproduzenten und -händler des Quedlinburger Stiftgartens.
Hier in Halle 23b drängeln sich gefühlt die Besucher am stärksten auf der gesamten Grünen Woche. Gleich am Halleneingang steht der Stand der Halberstädter Würstchen- und Konservenfabrik GmbH. "Da strömen die Besucher direkt auf uns zu", weiß Marketing-Chef Markus Prause. Das Unternehmen hat lange Jahre Erfahrungen gesammelt, wie es den Kundenkontakt pflegt. Schließlich gehört die Firma zum 22. Mal zu den Ausstellern. Prause verweist darauf, dass seit 129 Jahren experimentiert werde, wie man das "unverwechselbare, kräftige Kaminraucharoma, das man aus der Konserve kennt, in die Frische-Verpackung rettet". Das sei nun gelungen, wovon sich der Kunde überzeugen könne, so Prause. Dem Unternehmen seien Werte wie Verbrauchersicherheit ein hohes Gut. "Wir haben zertifizierte Zulieferer, zerlegen unser Fleisch selbst und haben von allen Lieferfirmen schriftlich, dass keine der Grenzwerte überschritten werden." Kunden könnten sich davon bei den Rundgängen durch das Unternehmen und in der erfolgreichen Dauerausstellung "Konservierte Zeiten" überzeugen.
Ekkehard Heilemann, Chef der Keunecke Feinkost GmbH in Badeborn, gehört ebenso zu den Stammgästen der Leistungsschau der Ernährungswirtschaft. Unterdessen präsentiert er zum 21. Mal seine Produkte in der Hauptstadt. Verkaufsleiter Stefan Frühauf, der am Stand kräftig mit Hand anlegt, erläutert, dass sich die Palette der Harzer Spezialitäten erweitert habe. "Bisher standen wir ja vornehmlich für geschmackvolle Fertiggerichte und Konserven. Nun haben wir mit dem Harzer Frischesortiment den Schritt in die Selbstbedienungstheken getan. Dort finden sich auch solche Grillprodukte wie Harzer Griller und Harzer Riesen."
Die Ditfurter Feinkost Reich GmbH, die in Harsleben produziert, hätte eigentlich die Sektkorken in Berlin knallen lassen können. Ein Jahrzehnt ist deren Tresen dort dicht umdrängt. Gisela Maeße, Marketing-Chefin von Feinkost-Reich, hält die Ernährungsmesse für einen ganz wichtigen Ort, um nah am Kunden zu sein. "Besser geht es nicht. Die Kunden erzählen uns hier, wie gerne sie unsere Produkte kaufen oder fragen, wo es die Kaviarcreme gibt, die sie gerade verkosten." Knapp ein Drittel der Lieferungen verlassen Harsleben bereits gen Westen. Aus über 30 verschiedenen Artikeln bestehe das Sortiment; Fischpaste und Kaviarcremes, Kräuterfisch, Matjesprodukte und natürlich Salzheringe, die dem Unternehmen zu Weihnachten und Silvester gute Umsätze bescherten. "Wir haben ja 28 feste Mitarbeiter, aber in der Fischsaison brauchen wir immer 30 bis 40 Aushilfen. Immerhin machen wir von November bis Januar fast 60 Prozent unseres Jahresumsatzes. Unsere Produkte werden zu Großteil in Handarbeit hergestellt. Das bringt natürlich Qualität, aber es heißt auch, jedes Häppchen muss geschnitten und per Hand eingelegt werden." Qualitätsansprüche spürt auch die erfahrene Messeakteurin Maeße zunehmend. Die Verpackung verweist darauf, wo der Fisch aus dem Meer geholt wurde. Es sei wichtig, dass die Rohware aus kontrolliertem Fang komme, wodurch Überfischung vermieden werde. "Schließlich wollen wir in 20 Jahren den Kunden ja auch noch gute Fischprodukte anbieten", meint Maeße.
Deutlich Männer-Überschuss
Wer sich am Stand des Landkreises Harz, der auf die Sehenswürdigkeiten vom Halberstädter Domschatz bis Schmalspurbahn und Bergwerksbesuch verweist, an Erbsensuppe aus der Gulaschkanone Michael Wieckers, dem Inhaber des gleichnamigen Cafés und dem Brockenwirt, vorbeigekostet hat, der findet den Weg auch in die Halle 12. Hier herrscht deutlicher Männer-Überschuss. Bestens zum Gerstensaft passt etwas Deftiges, dachte sich im Vorjahr Stefan Kaufhold, Geschäftsführer der Halberstädter Landwurst GmbH, bei der Messepremiere des Halberstädter Unternehmens. Darum zog es ihn auch auf der Grünen Woche 2012 in die "proBier"-Halle. Kaufhold selbst reicht den Berlinern im großen Gewimmel ein paar Kostproben der "Groben Landwurst". Und der Berliner Peter Mertens stellt fest, wie kraftvoll im Geschmack die Landwurst sei. "Da sind doch ein paar besondere Gewürze drin", will er den Halberstädtern die Zutaten entlocken. David Mussmann hat alle Hände voll zu tun, um die Hausschlachteware und die beliebte Knackwurst über die Theke zu reichen. Gemeinsam mit Susi Werner betreut er den Stand. Die Verkäuferin wird nicht müde, die Qualität der Wurst anzupreisen. "Wenn Sie hier den Einkaufsbeutel leer gegessen haben, können sie bei uns nachbestellen. Was wir hier verkaufen und dem Kunden schmeckt, kann der Endverbraucher bei uns nachkaufen", ist die einfache Botschaft. Der virtuelle Einkaufsbummel ist rund um die Uhr möglich. Kaufhold freut sich, dass das Geschäft im Internet so gut läuft. Die Internetadresse haben sich Kunden aus allen Himmelsrichtungen gemerkt und nutzen sie, um den ganz speziellen Landwurst-Geschmack auch fernab des Harzes zu genießen. Kaufhold verweist die Besucher am Stand auch auf zwei Neuheiten, die in Halberstadt schon gut eingeschlagen haben: "Die Germania-Camping-Griller als Rostbratwurst im Glas kommt gut an. Dazu haben wir den Verkauf der Domstädter Landwürstchen mit einem guten Zweck gekoppelt. 20 Cent aus dem Verkaufserlös eines jeden Glase gehen an die Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt. Dabei handelt es sich um rauchfrische Brühwürstchen, die nach einer traditionellen Rezeptur der Halberstädter Landwurst GmbH hergestellt und in einem besonderen Verfahren im Glas eingekocht werden." Die Würstchen haben somit einen besonderen "harzhaft"-deftigen Geschmack.
Müde Füße am Abend
Am Messe-Abend haben nicht nur die Besucher der Grünen Woche müde Füße. Auch die Mitarbeiter der Harzer Firmen, die die Region kulinarisch so gut vertreten, brauchen erst einmal etwas Ruhe und Zeit für sich - und um die Theken, Regale sowie Frischetresen nachzufüllen. Damit sie am nächsten Morgen wieder mit dem Gong um 10 Uhr die Besucher begrüßen können.
Die Internationale Grüne Woche ist auf dem Messegelände am Funkturm, Messedamm 22, zu finden. Sie ist bis zum 29. Januar täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, am kommenden Freitag und Samstag bis 20 Uhr. Die Tageskarte kostet zwölf Euro, Familienkarte (max. zwei Erwachsene + max. drei Kinder bis 14 Jahre) 26 Euro.