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Barrieren auf der Spur Barrieren auf der Spur: Kein Zustand - Autos parken auf Gehwegen

Von Petra Korn 25.09.2020, 15:56
Viel zu steil: Daniela Schäfer hat Mühe, mit ihrem Rollstuhl die Schräge sicher hinabzukommen.
Viel zu steil: Daniela Schäfer hat Mühe, mit ihrem Rollstuhl die Schräge sicher hinabzukommen. Korn

Quedlinburg - Daniela Schäfer macht die Probe aufs Exempel. Mit ihrem Elektrorollstuhl kommt die junge Frau sehr gut die sanfte Schräge hinauf und in den Gebäudekomplex an der August-Bebel-Straße hinein, in dem sich eine Arztpraxis und eine Apotheke befinden.

Die Quedlinburgerin hat bereits im vergangenen Jahr am Rundgang für ein barrierefreies - oder wenigstens barriereärmeres - Quedlinburg teilgenommen. Damals stand mit dem Kleers das Gebiet, in dem sie wohnt, im Mittelpunkt der Begehung.

„Ich möchte gern mitmachen“

Am Donnerstagvormittag ist es nun ein Teil der Süderstadt. Daniela Schäfer ist wieder dabei: „Ich möchte gern mitmachen“, sagt sie und begründet: damit es möglichst wenig Bordsteinkanten in der Stadt gebe, die für Rollstuhlfahrer ein Hindernis seien.

Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren - am 23. September 2015 - habe er erstmals zu einem solchen Rundgang für mehr Barrierefreiheit eingeladen - und seither jedes Jahr, sagt Quedlinburgs Oberbürgermeister Frank Ruch (CDU). Ein solcher Rundgang sei eine öffentlichkeitswirksame Aktion; doch zwischendurch passiere „sehr viel Kleinarbeit durch die Arbeitsgruppe ,Design für Alle’, für die ich sehr dankbar bin“. Die Arbeitsgruppe habe auch diesen Rundgang vorbereitet.

Beim ersten Rundgang nicht viel Barrieren festgestellt

„Wir sind vor zwei Wochen die kleine Runde schon einmal gegangen“, berichtet Ulrike Döcke. Die Gleichstellungsbeauftragte bei der Stadtverwaltung arbeitet ebenso ehrenamtlich in der Gruppe mit wie Astrid Staudenraus, Leiterin des Seniorenzentrums „Azurit“, Jeanette Schmidt, die bei der Lebenshilfe im Bereich des betreuten Wohnens tätig ist, und Rollstuhlfahrer Klaus Stegmann.

Bei dem ersten Rundgang seien nicht viele Barrieren festgestellt worden - aber ein Abbau von eben solchen. „Deshalb haben wir uns entschieden, die Runde für eine Vorbildwirkung zu gehen“, erklärt Ulrike Döcke.

Autos auf Fußwegen sind Hindernisse

Schon auf den ersten Metern gibt es einen Hinweis einer Anwohnerin: Auf dem Fußweg vor der Kindertagesstätte und der Kinderkrippe im August-Bebel-Ring stünden oft Autos; Fußgänger müssten dann die Straße nutzen. Die Stadtverwaltung nimmt das gleich auf.

Geprüft werden soll, ob hier Holzpoller gesetzt werden - und ob auf einer Fläche vor dem Gymnasium noch zusätzlich Kurzzeitparkplätze angelegt werden können, die Eltern nutzen könnten, die ihre Kinder in die Schule oder die Kindereinrichtung bringen.

Vor der gerade neu eröffneten städtischen Kindertagesstätte Süderstadt weist Ulrike Döcke auf die Zugänge: Die Rampe habe nur eine leichte Steigung, sei gut mit einem Kinderwagen zu passieren; und auch neben der Stufe gibt es noch einen barrierefreien Weg. „Es ist schön, wenn in Zukunft alle Baumaßnahmen so umgesetzt werden“, sagt Ulrike Döcke.

Blindenleitsystem kann hilfreich sein

Für die Arbeitsgruppe gibt es aber dennoch einiges zu notieren auf dem weiteren Rundgang: So zum Beispiel, dass die Wegführung zu Gebäuden für Blinde und Sehbehinderte nicht immer gut nachvollziehbar ist. Ein Blindenleitsystem - aufgebrachte Streifen mit Riffelung, die der Stock „erkennt“ - könnte hier helfen, sagt Jörg Schulze, der einen Langstock nutzt, mit dem Weg und Umgebung abgetastet werden.

„An Bushaltestellen gibt es so etwas. Das sollte es eigentlich an allen öffentlichen Einrichtungen geben“, ergänzt Heiko Marks vom „Bündnis inklusiv“, das beim Rundgang ebenso mit dabei ist wie beispielsweise Vertreter der Lebenshilfe, der Evangelischen Stiftung Neinstedt, der Wohnungswirtschaftsgesellschaft Quedlinburg und der Wohnungsgenossenschaft Quedlinburg.

Und weitere Hindernisse wie Barrieren werden offenbar: Seien es die Gehwegplatten, die durch eine Baumwurzel hochgedrückt wurden, oder Bordsteine am Ende von Fußwegen. Susanne Krüger vom Tiefbauamt der Stadt markiert gleich mit Farbspray, wo beispielsweise Kanten abgesenkt werden sollen.

Vom Abbau von Barrieren profitierten alle

Kurz neben dem Eingang Erxleben-Straße 19 führt neben der Treppe eine Schräge hinunter. Daniela Schäfer lässt ihren Rollstuhl ganz vorsichtig hinunterfahren, immer wieder abbremsend. „Ganz schön steil“, stellt sie fest. Robert Jung von der Wohnungswirtschaftsgesellschaft, der das Wohnhaus gehört, notiert sich das. Eine Änderung wäre nicht nur für Rollstuhlfahrer hilfreich. „Wir sehen das aus allen Perspektiven“, sagt Ulrike Döcke; vom Abbau von Barrieren profitierten alle: Mütter mit Kinderwagen ebenso wie Radfahrer, Senioren mit Rollatoren oder Menschen, die zum Beispiel wegen eines Unfalls oder einer Operation vorübergehend auf Gehhilfen angewiesen sind.

„Ich denke, dass - wenn man genauer hinschaut - doch das eine oder andere Problem auftaucht“, bilanziert Frank Ruch am Ende des Rundgangs. Er stellt in Aussicht, dass die notwendigen Reparaturen und Absenkungen erfolgen - „so dass wir auch in der Süderstadt Barrieren abbauen. Wir werden mit Sicherheit nicht ganz barrierefrei. Aber wir werden immer das Versprechen haben, besser zu werden.“

Einen Hinweis gibt die Gruppe der Sehbehinderten dem Oberbürgermeister noch mit: Wenn Straßen neu gebaut werden, wie das in der Lindenstraße geplant ist, sollte auch an Blindenleitsysteme gedacht werden. (mz)

Susanne Krüger kennzeichnet, wo Bordsteine abgesenkt werden sollen.
Susanne Krüger kennzeichnet, wo Bordsteine abgesenkt werden sollen.
Korn
Mit dem Langstock unterwegs: Hilfreich wäre hier besonders vor öffentlichen Einrichtungen ein Blindenleitsystem.
Mit dem Langstock unterwegs: Hilfreich wäre hier besonders vor öffentlichen Einrichtungen ein Blindenleitsystem.
Korn