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Ballenstedt Ballenstedt: Kinderarzt Peter Albrecht geht in Ruhestand

Von Uwe Kraus 23.12.2014, 12:28
Peter Albrecht übergibt symbolisch sein Stethoskop an seine Nachfolgerinnen Gesine Braune und Kerstin Tinnefeld (r.) in der Lungenklinik Ballenstedt.
Peter Albrecht übergibt symbolisch sein Stethoskop an seine Nachfolgerinnen Gesine Braune und Kerstin Tinnefeld (r.) in der Lungenklinik Ballenstedt. Chris Wohlfeld Lizenz

Ballenstedt - Die letzte Sprechstunde hielt er am Dienstag ab, das Praxisschild wird nun abgeschraubt, die Praxistür verschlossen, die kleinen Patienten versorgt eine Kollegin weiter; Peter Albrecht beendet seine Tätigkeit als Kinderarzt. Scherzend meint der 65-Jährige: „In diesem Monat bekomme ich zum ersten Mal Rente überwiesen.“

Für viele Menschen in der Region tritt damit eine Institution in den Ruhestand. Unterdessen kamen schon Eltern mit ihren Kindern in die Sprechstunde, die er selbst als Patienten hatte. „Damals lief das noch anders, da fuhr der Arzt über die Dörfer und machte bei der Gemeindeschwester seine Mütterberatung. Da war ich zwischen Quedlinburg, dem Südharz bis kurz vor Aschersleben unterwegs.“

Patienten kommen von weit her

In den vergangenen Jahren habe sich das gedreht: „Meine Patienten reisen schon mal aus Reinstedt, Hoym, Frose oder Nachterstedt oder aus dem Mansfeldischen an.“ Nur heute seien die U-Untersuchungen freiwillig, den Eltern bleibt die Entscheidung überlassen, ob sie ihre Kinder impfen lassen. „Mit all den Gefahren, wenn man es nicht tut.“ Der gestandene Kinderarzt berichtet von rigiden Festlegungen anderswo. „Eine Austauschschülerin stand vor der Entscheidung, alle vorgeschriebenen Impfungen nachzuweisen oder auf ihr USA-Jahr zu verzichten.“

Peter Albrecht begann seine Schulzeit in Quedlinburg, legte sein Abitur aber von 1964 bis 1968 in Ballenstedt ab. Eine Internats-EOS (Erweiterte Oberschule), die neben der Hochschulzugangsberechtigung ihm noch etwas Wichtiges mit auf den Weg gab: einen Berufsabschluss. Er lernte während dieser Phase der DDR-Bildungspolitik nebenher Krankenpfleger. „Wenn man so von der Pike auf beginnt, versteht man die Patienten oft besser“, sagt er. Nach drei Jahren Medizin-Studium in Greifswald wechselte er nach Halle. „Ich hatte geheiratet und da meine Frau in Harzgerode lebte, durfte ich den Studienort wechseln.“

Seit drei Jahren führte Peter Albrecht schon keine „eigene“ Praxis mehr. Er arbeitete für das Medizinische Versorgungszentrum Ballenstedt und teilte sich mit Gesine Braune die Stelle der Kinderarztpraxis, er unten im Ort, sie oben in der Klinik. Die junge Ärztin eint mit dem alten Medizin-Hasen die Herkunft: Sie stammen aus Quedlinburg. Doch im Unterschied zu ihm ist sie (noch) nicht nach Ballenstedt gezogen, sondern lebt mit ihrem Mann in Braunschweig und rollt im Jahr 60 000 Kilometer über die B 6n.

Sieben Jahre arbeitete Albrecht in der Lungenklinik, absolvierte bei Chefarzt Riekers in Wippra seine Kinderarztausbildung. Er und seine Frau Ursula, die ihm nicht nur fünf Kinder schenkte, sondern nach der Wende ab 1991 in seiner Praxis arbeitete, erinnern sich gut an die Zeit der „Husten- und Mottenburgen“.

Jene Krankenhäuser im Harz sollten die Tuberkulose (TBC) im Knochengerüst ausheilen. Kinder lagen ruhig gestellt bis zu einem Jahr in Gipsschalen, ob in Schielo, Harzgerode oder Neustadt.

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Bedarf steigt weiter

Seine alte Wirkungsstätte in Harzgerode, zu der er eine besondere Bindung hat, ist verwaist, das Albrechtshaus abgebrannt. Auch wenn heute therapeutisch ganz anders vorgegangen wird, Albrecht sieht einen steigenden Bedarf im Bereich Kinderpneumologie und freut sich, dass in der Ballenstedter Lungenklinik durch Gesine Braune als Kinderpneumologin sein Lebenswerk fortgesetzt werde.

Nachdem Peter Albrecht mit Familie, Trabant und offenem W 50 1979 nach Ballenstedt gezogen war, begann er im Oktober als Kinderarzt an der dortigen Poliklinik. Seine Promotion 1983 schrieb er am Schreibtisch im Wohnzimmer. „Jeden Tag eine halbe Seite, an guten eine“, erinnert sich das Ehepaar Albrecht.

„Dann kam die Wende und wir erfuhren von den West-Kollegen, dass man in die private Niederlassung gehen müsse.“ Kopfschüttelnd stellt er fest: „Nun läuft alles wieder retour“ und lobt das Modell des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), dessen Angebot er 2012 folgte. „Nach der Wende bin ich zu einem Kollegen nach Kiel gefahren. Der ließ mich völlig offen überall reinschauen, erklärte mir auch, was an Büro- und Steuerkram auf mich zukommt.“ Lange Zeit empfand er den Freitagabend als schönsten Moment der Woche. „Ich konnte den Computer ausmachen, der Symbol des Administrativen neben der ärztlichen Tätigkeit war.“

Dass er damals eine halbe Stelle an Gesine Braune abgab, brachte mehrfachen Gewinn. Albrechts Mitarbeiterinnen wussten, wie die Zukunft aussieht, der sanfte Übergang war gut für die Patienten, denn so ein Kinder-Haus-Arzt lebt vom Vertrauen. „Die hingen an ihrem Doktor“, meint Gesine Braune. „Er hat auch uns den Weg leicht gemacht, das geht nicht überall so gut“, findet die Ärztin. Sie lacht wie Albrecht, als der sagt: „Ärzte sind große Individualisten.“ Künftig werden die kleinen Patienten auf den Doktor im weißen Kittel verzichten müssen, Braune trägt gelbes T-Shirt. Und auch nach den uralten Bausteinen aus dem Wartezimmer suchen sie vergebens.

Ursula Albrecht ist gespannt, wie es nun weitergeht. „Wir sind zwar eine Riesenfamilie, aber bei unseren fünf Kindern werden wir uns nicht festsetzen, auch wenn gerade das 16. Enkelkind unterwegs ist.“ Nein, Arzt sei niemand geworden. Doch die Kinder zwischen Freiburg, Magdeburg und Potsdam haben soziale Berufe ergriffen.

Sogar in Rom im Einsatz

Als engagierte Christen haben die Albrechts seit Jahren in der Gemeinde ehrenamtlich mitgearbeitet. 1991 gründeten sie die Malteser in Ballenstedt mit. Im „Heiligen Jahr“ war der Doktor sogar zwei Wochen in Rom im Einsatz. Dass er beim „Rockharz“ auf dem Flugplatz, „wo es vier Tage voll was auf die Ohren gibt“, wie er mit durchaus kritischem Mediziner-Blick sagt, als Arzt im Einsatz ist, glaubt man auf den ersten Blick auch nicht.

Erst kürzlich hatten sich die Albrechts für drei Tage auf dem Brocken eingemietet. Peter Albrecht mag den Harz. „Ich bin gerade erst wieder zu den Schirmen unterwegs gewesen“, erzählt er. „Früher ging es als Jugendlicher per Rad von Quedlinburg zur Rappbodetalsperre.“ Am 3. Dezember 1989 wanderte er mit seinen Kindern auf den Brocken. „Als wir 14.30 Uhr oben ankamen, war das Tor schon offen“, erinnert er sich. Es scheint also nicht so, als ob es dem Kinderarzt in Rente so langweilig werden wird, dass er sich „nach Jahrzehnten ohne“ doch noch einen Fernseher kaufen wird…

(mz)