Asylbewerber in Halberstadt Asylbewerber in Halberstadt: Grenze der Aufnahmekapazität in Sicht

Halberstadt - „Im Moment kommt vieles auf einmal“, sagt Eckhardt Stein, der sich kaum vor Aufgaben retten kann. Der Leiter der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Sachsen-Anhalt (Zast) muss seit einem Jahr nicht nur mit seinen Mitarbeitern den verstärkten Andrang von Asylbewerbern bewältigen. Auch eine Umgestaltung des Innenhofes und die Erweiterung der Kapazitäten gehen über seinen Schreibtisch.
Die Flüchtlinge sind nicht erst seit den Nachrichten über Ertrunkene im Mittelmeer oder Ereignisse in Tröglitz ein Thema - jüngst hatten Pläne des Landes, das Kiez in Güntersberge als Aufnahmestelle für Asylbewerber zu nutzen, für große Unruhe gesorgt.
Wissen als Basis politischer Entscheidungen
Ronald Brachmann (SPD), Vorsitzender des Innenausschusses im Magdeburger Landtag, informierte sich mit Land- und Kreistagsabgeordneten sowie dem Vorstand seiner Partei im Kreis in der Zast über aktuelle Entwicklungen. „Das Wissen ist Basis für politische Entscheidungen“, begründete er Fragen, die sich um Unterbringung, Verweildauer oder Verfahren drehten.
Er erfuhr, dass auf einen Termin für den Asylantrag bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge rund vier Wochen gewartet werden muss. Meist seien die Asylsuchenden dann schon auf die Kreise verteilt. „Besser ist, sie so lange in der Zast zu behalten“, so Brachmann. Damit sei klar, dass auf die Anforderung reagiert werden muss. Wurden 2009 gerade 817 Anträge auf Asyl in Sachsen-Anhalt gestellt, waren es 2014 fast 7.000. Im laufenden Jahr ist eine weitere Steigerung zu erwarten. „Allein in der Zeit vom 1. Januar bis 31. März wurden in Halberstadt bereits knapp 3.000 Anträge gestellt“, meldet die Pressestelle des Innenministeriums. Nach Prognose des Bundes werden 2015 nach Quote der Länder rund 12.000 Antragsteller für Sachsen-Anhalt erwartet. „Ich rechne aber mit mehr“, sagt Stein, der sich an seinen Erfahrungen aus dem Vorjahr und denen seines Vorgängers Rolf Harder orientiert.
Die Verteilung der Flüchtlinge auf die deutschen Bundesländer richtet sich nach den vorhandenen Kapazitäten und dem „Königsteiner Schlüssel“, benannt nach der Stadt Königstein im Taunus, wo 1949 die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz erstmals diese Quoten festlegte.
Der feste Schlüssel wird jedes Jahr neu berechnet. Als Grundlage dienen die Steuereinnahmen und die Einwohnerzahl der Bundesländer. Das Steueraufkommen wird dabei mit zwei Dritteln, die Bevölkerungszahl mit einem Drittel gewichtet. Als Anteil des Landes Sachsen-Anhalts wurde für 2015 eine Quote von 2,83 Prozent ermittelt.
Damit würde die Zast die Grenze der Aufnahmefähigkeit erreichen, weshalb schon kurzfristig die Kapazität erhöht wird. Gegenwärtig werden bereits zwei Etagen in einem fünfstöckigen Gebäude saniert, um noch in diesem Jahr weitere 200 Betten vor allem für Männer zu bekommen.
Nachdem sich mehrere Objekte im Harzkreis für eine schnelle Kapazitätserweiterung als unzureichend oder kurzfristig nicht machbar erwiesen, darunter auch das Kiez, hat sich das Land entschieden, auf dem Gelände der Zast zusätzliche Wohncontainer aufzustellen. „Das ist unsere Aufgabe, der wir uns stellen“, erklärt Brachmann. Der Umfang dafür betrage mehr als 6,5 Millionen Euro, so Brachmann. „Darin sind auch Kosten für zusätzliches Personal sowie Unterbringung und Verpflegung enthalten.“ Der Antrag zum Nachtragshaushalt soll voraussichtlich schon im Juni in den Landtag eingebracht werden.
Keine Container mitten im Gelände
„Mit einer Entscheidung rechne ich für September“, sagt der SPD-Politiker. Dann könnte im vierten Quartal mit der Aufstellung der Wohncontainer für bis zu 500 Plätze zur Erstaufnahme begonnen werden. „Dafür wollen wir Flächen gegenüber dem Küchengebäude sowie am Rand der Einrichtung nutzen“, sagt Stein, der gegen ein „Zupflastern“ mit Containern mitten im Gelände ist.
Zudem soll 2016 eine zweite zentrale Anlaufstelle im Land eingerichtet werden. Landrat Martin Skiebe kürzlich: „Aber nicht in unserem Kreis.“ (mz)