Archäologen zeigen Waffen Archäologen zeigen am Schlossberg Quedlinburg mittelalterliche Waffen: So wurde vor 1.000 Jahren gekämpft

Quedlinburg - Reichweite: rund 1,2 Kilometer. Abschussgeschwindigkeit: 500 km/h. Der Pfeil, den der US-Amerikaner Kevin Strother 1992 mit seinem Compoundbogen abschoss, hält einen Pfeilflug-Weltrekord. Rund tausend Jahre zuvor waren die Vorgänger eines solchen Bogens die „Wunderwaffe“ der Ungarn, sagt Adam Nawrot. Deren Reiterhorden überfielen immer wieder weite Teile Mitteleuropas und waren gefürchtet.
„Sie konnten mit kleinen Bögen sehr weit schießen“, sagt Nawrot, der zum Team von „Kaptorga - Visual History“ gehört, das am Samstag auf dem Schlossberg zu Gast war. Im Schatten der alten Bäume zeigen die Archäologen und Historiker, wie in Zeiten Heinrichs I. gekämpft und Politik gemacht wurde.
Reiterhorden aus Ungarn konnten mit kleinen Bögen sehr weit schießen
Was Heinrich nicht schaffte, sollte seinem Sohn Otto I. gelingen: Er schlug die gefürchteten Ungarn am 10. August 955 bei der legendären Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg.
„Diese Schlacht war das Ende der frühmittelalterlichen Reiterhorden“, sagt Philipp Roskoschinski, der Inhaber von „Kaptorga“. Der Archäologe ist der Zeit entsprechend gekleidet: Er trägt einen langen Mantel aus blauer Wolle, braune Lederschuhe, eine fellbesetzte Mütze und ein Schwert.
Aus der Zeit von Heinrich I. gibt es nur wenige Quellen
Kaptorga legt Wert auf historische Korrektheit, sagt Roskoschinski. „Wir beraten und statten Dokumentationen und Spielfilme aus“, sagt er. Denn oftmals hätten sich bei vielen falsche Vorstellungen festgesetzt. Das „dunkle Mittelalter“ sei eben nicht so finster gewesen, wie viele meinen. Die Übersetzung aus dem englischen „dark age“ beziehe sich vielmehr auf die schlechte Quellenlage – vieles bleibe dadurch im Dunkeln.
Erst recht in der Zeit Heinrichs I., die als eine der quellenärmsten überhaupt gilt. Aber es gibt Quellen, sagt Roskoschinksi. „Wir haben viel Wissen aus Urkunden und aus der mit der Zeit von Heinrichs Tod einsetzenden Geschichtsschreibung.“
Männer zeigen, wie Bögen gehandhabt, Schwert und Axt geführt wurden
Ab der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts gebe es „gute Autoren“: „Sie bemühen sich – wie wir heute – sich aus der ihnen bekannten Frühgeschichte der Historie zu nähern.“ Und wenn man diese Quellen kritisch betrachte, könne man wissenschaftlich gut abschätzen, was wirklich passiert ist. Waffen können dabei ausgesprochen hilfreich sein.
Sie lassen auf die Kriegsführung und damit auf das Sozialgefüge einer Gesellschaft schließen. Kaptorga präsentiert einige davon: Die Männer zeigen, wie Compound- und Langbogen gehandhabt, Schwert und Axt im Kampf geführt wurden. Johannes Reil zeigt sich als Ritter mit Helm, Schild und Kettenhemd, Felix Kreysig führt in Leinenhemd und -hose den Langbogen vor.
Wurde ein starker Regen den Ungarn bei der Schlacht auf dem Lechfeld zum Verhängnis?
Die Waffen sind Repliken und auch für sich genommen interessant, sagt Roskoschinski, aber von weit größerer Bedeutung ist für den Altertumsforscher die Möglichkeit, die Militärausstattung selbst als historische Quelle zu nutzen.
So hätten auch die gefürchteten Bögen der Ungarn eine - nicht unwichtige - Schwachstelle gehabt. Die Einzelteile waren mit Leim verbunden, der sich nach einem kräftigen Regenguss auch schon mal auflösen konnte. Ob dies auch auf dem Lechfeld durch ein kräftiges Sommergewitter passiert sein könnte, liege aber im Bereich der Spekulation, so Adam Nawrot.
„Er betrieb Realpolitik in bester Form.“
Fest steht, dass die ungarischen Reiterhorden nach ihrer Niederlage gegen das Reichsheer, das die Adligen unter Heinrichs Regentschaft aufstellen, an Macht verlieren. Und: „Viele heidnische Strukturen werden christlich“, sagt Nawrot. Mit Religion habe das allerdings wenig zu tun: „Es geht darum, zu einem System von Handel zu gehören.
Es geht auch um Wissenschaftstransfer. Und – der Papst kann einen zum Kaiser machen. Statt weiter Stammesführer im Wald zu sein, kann man auch König werden. Es hat nur Vorteile.“ Die Christianisierung sei also „eher praktische Not als religiöse Hingabe“ gewesen.
Die Welt, in der Heinrich König wird, sei eine Welt der sich etablierenden Nachfolgereiche gewesen. Sein Vorgänger Konrad sei ein schwacher König gewesen, der sich in Kämpfen mit den eigenen Adligen aufgerieben habe. Heinrich dagegen sei inneren Konflikten aus dem Weg gegangen. „Er hatte die Erkenntnis, dass man anders nicht weiterkommt“, sagt Roskoschinski. „Er betrieb Realpolitik in bester Form.“
Die bessere Verwaltung
Heinrich habe es verstanden, die strukturlose Reichsverwaltung zu überwinden und neu zu organisieren. Ein Vorteil gegenüber den Ungarn, die immer wieder ins Reich einfielen. Die hatten dabei zwar immer wieder durchschlagende Erfolge, sagt Nawrot, sie konnten aber ihre Landgewinne verwaltungstechnisch nicht gut umsetzen. Nach der Niederlage 955 begann sich auch ihre Gesellschaft zu wandeln: Sie wurden sesshaft und „baten um christliche Missionierung“, so Nowak. Die Vorteile lagen auf der Hand.
(mz)