Sachsen-Anhalts erfolgreichster Elektronikmusiker Apparat: Sachsen-Anhalts erfolgreichster Elektronikmusiker - Wie Sascha Ring zum Weltstar wurde

Quedlinburg - Eine Kleinstadt, rätselhafte Charaktere, ein Selbstmord, unabsehbare Entwicklungen, ein ungewisses Ende. Und dazu diese Musik: Die Österreicherin Anja Franziska Plaschg, besser bekannt unter dem Namen „Skin&Soap“, singt mit dunkler Altstimme von Abschied und Ewigkeit und von Tränen und Leid.
Dazu tänzelt ein Flügel über flächige Orchesterarrangements, die der Quedlinburger Sascha Ring sich als Filmmusik für die deutsche Netflix-Serie „Dark“ ausgedacht hat. Sascha Ring? Kennt kein Mensch. Aber beim Namen Apparat, wie sich der 39-jährige Musiker aus Quedlinburg nennt, ist das schon anders.
Neues Album „LP5“: Stücke verbinden Elektronik und Orchesterklang
„LP5“ (hier bei Amazon erhältlich) überschreibt der unter seinem bürgerlichen Namen weitgehend unbekannte Star aus Sachsen-Anhalt sein fünftes Album. Die zehn Stücke auf dem orchestralen Werk verbinden Elektronik und Orchesterklang, große Geste und feines Detail zu einer Musik, die mal an die Zusammenarbeit von Eberhard Schoener mit The Police-Chef Sting erinnert, um im nächsten Moment an die epischen Klangwelten von Sigur Rós oder Múm zu gemahnen.
Ring schielt hier nicht auf die Hitparade, auch wenn ein Song wie „Dawan“ das Potenzial hätte, entsprechend zugespitzt zu werden. Statt das zu versuchen, orientierte sich der Mann im Apparat diesmal aber auf cinemaskopische Sounds und aufeinandergeschichtete Klangspuren. Keine klassischen Arrangements, lieber Atmosphären, wie sie in Kinofilmen benutzt werden, um Stimmungen zu erzeugen. „Ich habe die Platte nur deswegen so machen können, weil es Moderat gibt“, sagt Sascha Ring, der dem gemeinsamen Projekt mit den beiden Modeselektor-Leuten Gernot Bronsert und Sebastian Szary mehrere Top-Ten-Platzierungen in den Charts verdankt. Mit Moderat besitze er „eine große Bühne und ein Medium für die großen Gesten“, das entlaste Apparat vom Anspruch, massentaugliche Musik zu produzieren.
Wobei LP5-Songs wie „Heroist“ oder „Outlier“ weder Freejazz noch atonale Fingerübungen eines Popstars sind, der sich seit seinem 2013 erschienenen Album „Krieg und Frieden“, einem Soundtrack zu Sebastian Hartmanns gleichnamiger Theaterinszenierung des Tolstoi-Romans für die Ruhrfestspiele, zu schade ist für sein Hauptgeschäft.
Sascha Ring: „Ich wollte eine kleine Platte machen“
Nein, die Pop-Idee prägt die zehn Lieder hier, die durchweg eher symbolische Titel tragen, im Fall von „Brandenburg“, einem gemächlich auf Celloschwingen dahinsegelnden Stück, aber auch mal konkreter heißen, als sie dann klingen. Hauptsache, es wird nicht stadiontauglich, keine Hymnen für Feuerzeuge und Handylampen.
„Ich wollte eine kleine Platte machen“, sagt Sascha Ring, „das habe ich auch allen Beteiligten gesagt, dass sie nicht groß denken sollen. Pathos ist verboten!“ Anstelle tanztauglich umgesetzter Melodien wie im Moderat-Hit „Bad Kingdom“ oder dem tribaldanceartigen Klappern des Klassikers „Rusty Nails“ schwelgt Sascha Ring als Apparat acht Jahre nach seinem letzten regulären Studioalbum „The Devils Walk“ nicht mehr in Erinnerungen an die Romantik, sondern „In Gravitas“, wie eine der schönsten Kompositionen hier heißt. Schwerelos verbinden sich elektrische Gitarre und Orchester, elektronisches Hundegeheul und plötzlich einsetzende energische Beats zu einem schlüssigen Gesamtkunstwerk.
Das hat keine Botschaft außer der, dass es Ring gelungen ist, mit dem Cellisten Philipp Thimm, mit dem Posaunisten, Trompeter und Saxofonisten, Harfinisten und Schlagzeuger John Stanier in „endlosen Gruppenimprovisationen und Orchestersessions“ (Ring) hunderte von Tonspuren zu füllen, von denen am Ende aber nur ein durchscheinend transparenter Rest im Mix belassen wurde. „Manchmal“, sagt Sascha Ring, „haben wir Hunderte von Spuren aufgenommen und alles wieder auf ein paar Dutzend reduziert.“
Die Kunst des Weglassens ergänzt hier am Ende die Kunst, die große Geste zu vermeiden und den Fokus auf das Gesamterlebnis zu legen. Mit „Caronte“, „EQ Break“ und „In Gravitas“ belegt Sascha Ring, der große Introvertierte der deutschen Pop-Szene, dass er Intimität noch immer am besten kann. (mz)