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Angelika Zädow: Ich bin in erster Linie die Zuhörende

Von Uwe Kraus 07.03.2010, 16:36
Angelika Zädow ist die neue Superintendentin des Kirchenkreises Halberstadt.
Angelika Zädow ist die neue Superintendentin des Kirchenkreises Halberstadt. Uwe Kraus

Halberstadt/Quedlinburg - "Hoch oben auf der Kirchturmspitze, die Wetterfahne, die hat mein Urgroßvater, der Schlossermeister Rein geschmiedet." Sie selbst hat 1987 "als Besuch aus dem Westen" in eben dieser Kirche das "Weihnachtsoratorium" mitgesungen.

Angelika Zädow erinnert sich an ihre Kindheit und Jugend, als sie ihren Großvater, Schmiedemeister wie schon dessen Vater besuchte. Dort "Am Frauenhause", in den alten Gerberhäusern, "die dem Flächenabriss zum Opfer fielen". Sie fuhr mit der Straßenbahn durch Halberstadt und war dabei, als ihr Großvater in seiner Handwerkermeister-Runde mit Drechslermeister Thielemann & Co. Skat spielte. Die Theologin wundert sich immer wieder, wie viele Brücken, von denen sie nichts geahnt habe, es von ihrer alten Wirkungsstätte in Meckenheim und Bad Godesberg nach Halberstadt gibt, kirchliche und private. Zwei Busse voll Gemeindeglieder aus dem Rheinland reisten extra zu ihrer Amtseinführung nach Halberstadt. "Bisschen verrückt, oder?", fragt die Superintendentin.

"Als ich von dort fort ging, gab es schon eine große Portion Abschiedsschmerz. Wenn das nicht so gewesen wäre, hätte ich mich fragen müssen, ob ich nicht etwas falsch gemacht habe." Auch bei ihr schwang damals Traurigkeit mit, aber ebenso die Vorfreude auf eine neue Herausforderung. "Für mich und für die Gemeinde ist es gut, sich immer wieder an Neuem zu versuchen. Das hält Kirche lebendig und bewahrt sie davor, zu erstarren," sagte sie bei ihrer Verabschiedung. Superintendent Eberhard Kenntner bedauerte ihren Weggang: "Ihre fachliche Kompetenz, ihre ansteckende Fröhlichkeit und tiefe Glaubensgewissheit werden wir in der Landessynode schmerzlich vermissen."

So herzlich, wie Angelika Zädow im Rheinland verabschiedet wurde, so offen fühlte sie sich im Kirchenkreis Halberstadt aufgenommen. "Das hat mich ziemlich beeindruckt, da war nicht dieser Seitenblick auf die Wessi-Frau." Dass Tante, Onkel und Cousine in Halberstadt leben, erleichterte den Start nicht minder. Doch die Superintendentin bleibt nicht lange Kern-Halberstädterin. Noch lebt sie am Domplatz in einer schönen Ferienwohnung, das Haus in Langenstein wird in den kommenden Wochen mit ihrem Mann bezogen. Die zwei Töchter, die zur Familie gehören, sind erwachsen. "Dadurch, dass sie Handball spielen, habe ich die Liebe zu dieser Sportart entdeckt."

Angelika Zädow scheint in Halberstadt angekommen zu sein. Die gebürtige Bonnerin wirkte ein Jahrzehnt lang als Pfarrerin in Meckenheim und stellvertretende Superintendentin im Kirchenkreis Bad Godesberg-Voreifel. Der war etwas größer als der zwischen Kroppenstedt und Brocken. "Ich hatte damals klar gesagt, ich sehe das nicht als Lebensstellung. Und dann war die Zeit gekommen, dass ich mich intensiver umgeschaut habe. Viele meiner Pfarrerkollegen und die Gemeinde hat es etwas überrascht." Die Bewerbung um die Position als Superintendentin in Halberstadt war ihre einzige. Und mit Erfolg gekrönt.

Nun übernahm die 45-jährige Theologin die Verantwortung für reichlich 30 000 evangelische Christen in den knapp 100 Kirchgemeinden der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und 115 Kirchengebäuden in einem Gebiet zwischen Harz und Börde, das geografisch auf sie "wie ein Backenzahn wirkt." "Der Kirchenkreis Halberstadt kann verlässlich auf mich rechnen. Ob ich aber in 20 Jahren hier aus dem kirchlichen Dienst scheide, wer will das wissen?"

Pfarrerin Angelika Zädow verbrachte ihre ersten Tage im Vorharz auch mit Antrittsbesuchen, ob beim Halberstädter Oberbürgermeister Andreas Henke oder in ganz unterschiedlichen Gemeinden und Einrichtungen der Kirche. "Ich bin nicht der Hoppla-da-komme-ich-Typ. Ich arbeite mich langsam ein, bin in erster Linie die Zuhörende, lerne die Region, Gesichter und die dazugehörigen Funktionen kennen. Eigene Akzente setzen, Impulse geben und neue Ideen verkünden, das braucht noch etwas Zeit." In den ersten Wochen merkte sie schnell, die Fragestellungen im Rheinland und in Sachsen-Anhalt unterscheiden sich so wesentlich nicht. "Wir müssen lernen, von Glauben und Kirche so zu sprechen, dass die Menschen uns verstehen, ganz im Sinne Luthers und nicht in unserer Insider-Sprache. Die Menschen wollen Antwort, welchen Mehrwert der Glaube an Gott in ihrem Leben bringt. Das ist eine ganz wichtige Fragestellung, die meine Kollegen im Verkündigungsdienst hier und dort gleichermaßen bewegen."

Angelika Zädow sitzt in ihrer "Notsuperintendentur" unter dem Dach des Baudezernates. Ihre Diensträume um die Ecke mit dem Blick von Liebfrauen auf den Dom St. Stephanus und St. Sixtus werden gerade saniert. An der Wand hängt ein Kreuz und einige Fotos, Kirchenräume zumeist. Auf einem Bild sieht man Angelika Zädow im Kreise ihres Gemeindeorchesters. Sie hat es 28 Jahre lang geleitet. "Ich dirigiere, seit ich zwölf Jahre alt bin", sagt sie nicht ohne Stolz. "Barock und Klassik haben wir gespielt, zu Gottesdiensten und bei großen Konzerten, von der Abendmusik bis zur Vesper. Irgendwann nahm sie Gesangsstunden. "Es stellte sich heraus, ich kann singen." Ihre Liederabende absolvierte sie mit guten Pianisten, das Programm "ist liedertechnisch weit gesteckt." Händels "Messias", das Weihnachtsoratorium, Moses Mendelssohn-Bartholdy und Hugo Wolff. "Bei meiner Verabschiedung in Meckenheim habe ich Reinhard Mey gesungen."

Die Superintendentin kann wunderbar erzählen, stellt sich vor Kindergartengruppen und Schulklassen und beginnt spontan. Sie erfindet Geschichten für sie. "Der einzige Haken: Ich kann sie genau so nicht noch einmal erzählen." Darum schrieb Angelika Zädow sie auf. So entstand "Tröpfchen - Eine Tauf-Geschichte", die Ulrike Krüsmann illustrierte.

Und von noch einer Leidenschaft berichtet die zierliche Frau, die so viel Temperament versprüht. "Ich spiele Doppelkopf. Wenn es sein muss, bis zum frühen Morgen." Vielleicht hat sie sich das in den Skatrunden ihres Halberstädter Großvaters abgeschaut?