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"Adamus group" in Halberstadt "Adamus group" in Halberstadt: Unternehmen entwickelt Taschen-WC

Von ingo kugenbuch 19.10.2014, 10:08
Nick Sahr hat die Maschine, mit der „adamus“ hergestellt wird, laufend verbessert.
Nick Sahr hat die Maschine, mit der „adamus“ hergestellt wird, laufend verbessert. Chris wohlfeld Lizenz

halberstadt - Kranfahrer, Lokführer oder Menschen im Stau - manchmal gibt es nichts Schlimmeres als müssen zu müssen. „Bei Männern tritt bei etwa 350 bis 750 Millilitern Füllmenge starker Harndrang ein, bei Frauen bei 250 bis 550 Millilitern“, konstatiert die Online-Bibliothek Wikipedia sachlich. Dann wird es Zeit für die „Miktion“, wie das Entleeren der Harnblase von Medizinern genannt wird. Doch was tun, wenn keine Toilette vorhanden ist? Das ist ein Fall für Marc Collinet.

Collinet ist Chef der noch jungen „adamus group“ GmbH in Halberstadt. Sein Unternehmen stellt nur ein Produkt her: das „Taschen-Örtchen“ - die kleinste mobile Toilette der Welt (Eigenwerbung). „Das Thema Pipi ist ein Hemmthema“, sagt Collinet und lächelt dabei so breit, dass man ihm das nicht so recht abnehmen möchte. Erst habe sein Produkt „Einmal-Urinal“ geheißen - ein Name, der nach Krankenhaus und Siechtum klingt. Daraus wurde dann das - schon freundlichere - „Taschen-WC“ und dann das „Taschen-Örtchen“ namens „adamus“. „Am Anfang war es ein Männerprodukt“, sagt Collinet, „dann haben wir gemerkt, dass es für Frauen sogar noch wichtiger ist.“

Zu „adamus“ kam „evamus“. „Für Frauen haben wir ,adamus‘ speziell modifiziert“, heißt es auf der „adamus“-Website. „,evamus‘ verfügt über zusätzliche Bestandteile, die sich dem weiblichen Körper anpassen. Die Vorteile bleiben bei beiden Produkten dieselben: Befreiung von Blasendruck, wo und wann man will.“ Dem Taschen-Örtchen für Frauen liegt eine Art Trichter aus Pappe bei. Die Funktionsweise der Notfall-Tüten ist ganz einfach - quasi pipileicht. Collinet demonstriert die Handhabung mit einer Flasche Wasser - 750 Milliliter, eine volle Männerblase also.

„adamus“ ist zusammengefaltet etwa so groß wie eine Tafel Ritter Sport, wiegt aber nur 26 Gramm. Collinet reißt den Etikett-Aufkleber ab und entfaltet „adamus“ zu einer blauen, schmalen Kunststoff-Tüte mit großer, runder Öffnung. „Das ist weich und darf nicht kneifen“, sagt Collinet.

„Wir reden hier über was, in das wir unser wertvollstes Stück hineinstecken.“ Nachdem der Urin in die Tüte gelaufen ist, kann man sie sogar umdrehen. Die gesamte Flüssigkeit hat der „Superabsorber“, kleine Polymersalzkugeln, aufgenommen und gebunden. „adamus“ zusammenfalten, mit Etikett zukleben - ab in den nächsten Müll. Alles bleibt sauber, es gibt keine Gerüche.

Der Aachener Marc Collinet hat die Anlage in Halberstadt samt Produktidee und Produktionsmaschine 2011 aus einer Pleite übernommen. Einen Großauftrag für eine Drogeriemarktkette über 100.000 Taschen-Örtchen hat er bereits abgewickelt, den Preis „Top 100 Innovator“ verliehen bekommen. „adamus“ gibt es mittlerweile in Apotheken oder auch bei Amazon - den Fünferpack für 8,49 Euro - zu kaufen. Die Konkurrenzprodukte „Travel John“ und „Roadbag“ sind etwas teurer.

Im Einzelpreis von 1,79 Euro sind laut Collinet „etliche 100 Prozent an Marge“ enthalten. 2014 strebt er einen Umsatz von fast einer Million Euro an. Jetzt konnte Collinet in der Vox-Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ sogar drei Investoren von seiner Geschäftsidee überzeugen: Sie haben für 150.000 Euro 27 Prozent an der „adamus group“ übernommen.

Immerhin könnte das Taschen-Örtchen sogar Leben retten: Der große dänische Astronom Tycho Brahe war am 13. Oktober 1601 bei Kaiser Rudolf II. in Prag zum Bankett geladen, bei dem reichlich Bier floss. Er traute sich aus Anstand aber nicht auf die Toilette und starb den Überlieferungen zufolge an einer geplatzten Blase. Mit „adamus“ wäre das nicht passiert. (mz)

Marc Collinet demonstriert die Funktion des „adamus“ mit einer Wasserflasche.
Marc Collinet demonstriert die Funktion des „adamus“ mit einer Wasserflasche.
Chris wohlfeld Lizenz
2.100 Stück pro Stunde schafft die Maschine.
2.100 Stück pro Stunde schafft die Maschine.
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