1.050-jähriges Bestehen 1.050-jähriges Bestehen: Jubiläum in Radisleben wird mit Festumzug gefeiert

Radisleben/MZ - Manche fahren mit der Kirche ums Dorf, andere lassen sie dort. Die Radislebener haben eine dritte Variante: Sie ziehen mit der Kirche durch den Ort. Jedenfalls war dies zum Festumzug anlässlich des 1050-jährigen Bestehens des Ortes, der heute Teil von Ballenstedt ist, der Fall. Unübersehbar zuckelt die St. Stephani-Kirche am vergangenen Samstag ihre Runde über die Straßen des Dorfes. Natürlich als Modell - im Maßstab 1:10. Erbauer ist Peter Muser, Leiter der Ortsfeuerwehr.
Über 100 Stunden lang hat er daran gewerkelt. Ähnlich wie beim Kulissenbau im Theater wurde Spezialfolie über Rahmen gespannt, bis St. Stephani fertig war. Was nach dem Festumzug mit dem wetterfesten Modell passiert, weiß Muser noch nicht. „Vielleicht kann ich es ja im Internet versteigern“, überlegt er.
Muser hat nicht nur die Kirche seines Wohnortes zu dessen Jubiläum verkleinert, sondern auch die Fäden für den Festumzug in seiner Hand. In 36 Bildern ließen die Radislebener und ihre Nachbarn aus den umliegenden Orten Vergangenheit und Gegenwart Revue passieren. Alte und moderne Gerätschaften aus der Landwirtschaft spielten dabei unter anderem ebenso eine Rolle wie die Feuerwehr, der Verein Motorbiker aus Radisleben, die Reinstedter Grabenfischer oder die Rassegeflügelzüchter aus Badeborn.
Radisleben wurde 964 erstmals als Rathmersleve erwähnt. Die im Jahr 810 gestiftete St.-Stephani-Kirche mit ihren zu den jeweiligen Zeiten handelnden Pfarrern hatte im Leben der Radislebener immer eine große Bedeutung. So waren es im Verlaufe der Jahrhunderte die Pfarrer, die den Menschen Mut machten und voran gingen beim Wiederaufbau ihres Ortes. Die Kirchenglocken mussten mehrmals ersetzt werden, dafür wurde immer genügend Geld, auch von dem wenigen, was oft nur vorhanden war, gesammelt. Das setzt sich bis in die heutige Zeit fort, wo durch Spendenaktionen die Uhr repariert werden konnte, Fenster erneuert und einige andere Dinge erledigt werden konnten. Diese Verbundenheit zu ihren Pfarrern und der Kirche brachte den Einwohnern den Ruf der „Radislebener Gotteskinder“ ein. Bis Ende 2009 war Radisleben eine selbstständige Gemeinde. Seit 1. Januar 2010 gehört der Ort zur Stadt Ballenstedt. (dd)
Deren besonderes Angebot erkannte der Zuschauer nicht auf den ersten Blick. Fast unbeweglich saß ein Hahn auf einer Stange und ließ sich von zwei Jungen über die gesamte Umzugsstrecke tragen. Die beiden Jungzüchter Armin Schlömer und Mirko Thormann waren stolz auf ihren Star-Hahn.
Organisator Muser freute sich über die vielen Teilnehmer am Umzug und über die gelungenen Festwagen. Anerkennung gab es auch von den Zuschauern, wie beispielsweise Sabine und Wilhelm Baran aus Ballenstedt. „Für einen so kleinen Ort so viel auf die Beine zu stellen, ist einfach anerkennenswert“, meinten sie. „Das ist ganz große Klasse, alle Achtung“, sagten auch Christa Bürger und Hans Tempe. Die beiden hatten sozusagen einen Platz in der ersten Reihe, denn der Festumzug führte direkt an ihren Wohnhäusern vorbei.
„Für 450 Einwohner war das großartig“, stellte Christa Bürger fest. Sie ist gebürtige Radislebenerin und kann sich nicht erinnern, in ihren bisherigen 65 Lebensjahren einen ähnlich großen Umzug im Heimatdorf erlebt zu haben. Mit großem Interesse besuchte sie an den vier Tagen, an denen der 1050. Geburtstag des Ortes gefeiert wurde, zahlreiche Veranstaltungen. „Ich habe mir auch die Ausstellung zur Ortsgeschichte in der Kirche angesehen. Da sind viele interessante Sachen zu sehen“, verriet Bürger. Zum Beispiel ein Foto von einem Denkmal, das heute nicht mehr existiert und zum Grübeln darüber anregte, wann es aus dem Ort verschwand.
Am Samstag ging es nach dem Festumzug zum gemeinsamen Kaffeetrinken auf den Anger. Auch um anschließend die Darbietungen der Tanzgruppe zu bewundern. Ob sie am Abend selber das Tanzbein schwingen, ließen die Bürgers und Tempes offen. Grund zum ordentlichen Feiern hatten die Radislebener. Schließlich packten sie an den unterschiedlichsten Plätzen mit an, um zum Beispiel den Festumzug reibungslos über die Bühne zu bringen.
Wie Hubert Baumgraß, der beim Ordnen der einzelnen Zugbilder half. Der Grund für sein Mittun war schnell genannt: „Das gehört dazu, schließlich ist man doch in diesem Ort groß geworden.“

