Zisterzienser Zisterzienser: Eine Urenkelin

Dass es kein Bier auf Hawaii gäbe, war eine ebenso gewagte und inzwischen widerlegte Behauptung wie die, dass es keine Rebstöcke der Rebsorte Schönburger im hiesigen Schönburg gibt. Dummerweise war die von mir – mea culpa! Acht Braustätten soll es rings um Honolulu geben, und Paul Kuhn war das völlig Wurst, als er in den Sechzigern seinen Hit schrieb. Der Anruf, der vom Schönburger in Schönburg kündete, erreichte mich, kaum dass das letzte Burgenjournal im Briefkasten war. Also, klar, hinfahren, Buße tun, angucken.
Jörg Stützer, 14 Jahre Bürgermeister in Schönburg, hat ihn. Wohl 160 Stöcke. Und sein Vereinskamerad von der Naumburger Weinbaugesellschaft, Wolfgang Rausch, hat ihn auch. So um die 30 Stöcke. Die Idee, den Schönburger hier zu pflanzen, hatte aber wohl wirklich Volker Frölich, als er seine Flächen in Schönburg schon aufgerebt hatte und von der sehr seltenen Sorte Wind bekam. Vater Rudolf Frölich, zu der Zeit Chef der Weinbaugesellschaft, wusste sicher um seine Kameraden in Schönburg und konnte da Beziehungen knüpfen. Wie das nun genau gelaufen ist – völlig egal. Auf jeden Fall fanden zu der Zeit, als Volker Frölich in Roßbach Schönburger pflanzte, auch Schönburger-Reben den Weg in den gleichnamigen Boden.
Jörg Stützer hatte da schon seit 1994 einen alten Weinberg im Mühlental der Gemarkung Schönburg mit Portugieser, Gutedel und Müller-Thurgau im Ertrag, weil diese Rebsorten zum Standardprogramm der einstigen Kulturbündler von der Weinbaugesellschaft gehörten. Diese gut fünf Sechstel seiner rund 1000 Rebstöcke landen nach wie vor in den Kellern des Landesweingutes, wo die Mitglieder der Weinbaugesellschaft ihre Standardtropfen verarbeiten lassen. Doch einige der NWGler haben eben auch andere Rebsorten im Programm, die sie selbst oder bei befreundeten Winzern ausbauen (lassen). So landet Stützers Schönburger eben bei Volker Frölich. Und der 14er von Stützer schmeckt so gut wie der des Hauses Frölich-Hake, aus gutem Grund. Finden sich doch die Schönburger-Trauben aus Schönburg mit denen des Hauses Frölich-Hake im gleichen Tank.
Die Lust, sich dem Weine zu widmen, kam Stützer parallel zum Bürgermeister-Job. Die alten Terrassen-Mauern am elterlichen Grundstück schrien geradezu danach, hier im versteckten Terrain wieder Wein anzubauen. Also Erdbeeren und Co. raus und Reben rein. Mauern repariert – ein Miniatur-Terrassen-Weinberg auf sechs Etagen. Daneben bewirtschaftet Stützer noch eine Fläche gleich hinterm Haus mitten im Ort. Mit Blick auf weitere Reben, die Dr. Klose pflegt und deren Ergebnisse er in einem kleinen Café in der alten Bäckerei des Dorfs verkauft.
Dann gibt es noch Neuanpflanzungen rund um die Burg. Und eben die leicht gelichteten Rebzeilen von Volker Frölich. Ein Besuch in Schönburg scheint für viele eine interessante Entdeckungsreise. Und da gibt es ja noch den Ortsteil Possenhain, wo Stützer auf ortseigenem Terrain 600 Reben setzen ließ, die ebenfalls bei der Weinbaugesellschaft landen. Die meisten dieser Stöcke hatten sich bislang erfolgreich vor mir versteckt.
Stützer, der einst bei Metallwaren in Naumburg gearbeitet hatte und zuletzt auf dem Wertstoffhof in Weißenfels tätig war, ehe er jetzt den Rentnerjob antrat, hängt dem Amt des Bürgermeisters mit etwas Wehmut nach, weil er gern noch mehr bewegt hätte und manches von ihm angeschobene Projekt besser betreut wüsste. Das kann er kaum verbergen. Aber die Wähler hatten sich anders entschieden, eine Entwicklung wie sie so mancher Politiker tragen muss.
Da gibt der Wein Halt und ist Aufgabe. Ebenso wie die Liebe zur Blasmusik. Gerade waren die Freunde aus Ribnitz-Damgarten zu Besuch – Kontakte zur Ostsee waren schon früher nicht das Schlechteste. Die Freundschaft hält bis heute. Hinterm Hof mitten im Ort wacht ein aufmerksamer Hahn nicht nur über seine Damen, er kündet auch von jedem Fremden.
Künftig soll man hier den Schönburger von Stützer verkosten können und auch die Weine der Weinbaugesellschaft. Anders als bei der Winzervereinigung gibt es hier kein Traubengeld. Die Mitglieder erhalten den aus ihren Trauben produzierten Wein anteilig zurück und vermarkten ihn selbstständig. Auf „seine“ Flaschen klebte Stützer bislang eigene Rücketiketten mit dem Schriftzug „Schönburger Stützerling“. Da klebt jetzt schon ein Etikett der NWG. So wird Jörg Stützer wohl künftig Zusatzetiketten um den Hals der Flaschen baumeln lassen.