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Wenzelsturm Wenzelsturm: Jahres-Besucherkarten erst Mitte Mai

06.05.2013, 06:06
Liedermacher Konstantin Wecker gastierte mit den Musikern Nils Tuxen, Tim Neuhaus und Jo Barnikel (v.l.) im Lichthof in Freyburg.
Liedermacher Konstantin Wecker gastierte mit den Musikern Nils Tuxen, Tim Neuhaus und Jo Barnikel (v.l.) im Lichthof in Freyburg. Nicky Hellfritzsch Lizenz

Freyburg - Kein „Hallo Freyburg“ oder „Mensch, habt Ihr es schön hier“. Ein Konstantin Wecker braucht kein Schmeicheleien und Lockrufe. Er bekam Vorschusslorbeeren noch vor dem ersten Wort und den ersten Tönen. Das Publikum im nahezu voll besetzten Lichthof der Rotkäppchen-Sektkellerei spendete ihm und seinen drei Musikern im Schlepptau kräftig Applaus und Jubelrufe, da stand das Quartett gerade mal einige Sekunden auf der Bühne im Scheinwerferlicht. Manch anderer musikalischer Gast hat sich in den vergangenen Jahren dafür bis zur Pause abstrampeln müssen. Nicht so Konstantin Wecker. Und wer ihn am Sonnabend erleben durfte, weiß auch warum.

Mit „Wut und Zärtlichkeit“, dem Titel, der dem aktuellen Album seinen Namen gibt, begann der lange Abend in Freyburg, der nun schon zur langen Reihe vergangener Konzerte auf der bereits anderthalbjährigen Tour zählt. Wut und Zärtlichkeit - auf den ersten Blick zwei verschiedene Zustände von Körper und Seele - brachte der 65-jährige Liedermacher zusammen. Mit sowohl kritischen Seitenhieben in Richtung Wirtschaft und Politik als auch alten und neuen Liebesliedern, die das Herz ergreifen. Kontraste, die dem Konzert an der Unstrut einen besonderen Anstrich verliehen haben, scheint Wecker besonders zu lieben. Der Münchner sprang zwischen den musikalischen Stilen und den vier Jahrzehnten seines nunmehr andauernden Künstlerlebens. Sein beißend-ironischer Blick auf die „Blüte aus der Uckermark“ mit dem Titel „Die Kanzlerin“ kam als klamaukhafte und süffisante Varieténummer daher, der Song „Fliegen mit dir“ als Blues, Rock pur war „Sage Nein!“ als klares Bekenntnis gegen Rechts, „St. Adelheim“ wurde dagegen zum Reggae-Volksmusik-Stück. „Vom Schwimmen in Seen und Flüssen“, nach einem Text von Bertolt Brecht, den Wecker neben weiteren großen Namen wie Benn, Rilke, Wilde und Kästner immer wieder zitierte und so aus der Kiste leider im Alltag oft vergessener Lyriker ans Tageslicht brachte, erklang als bezaubernde Ballade.

Weckers Werke sind nicht nur Poesie, sondern auch Anklage. Und seine Lieder sind deshalb so wertvoll, weil sie nicht nur die passenden Worte finden für schwer beschreibbare innere und äußere Lebensbilder und das verrückte, weil oftmals ungerechte Weltgeschehen, sondern weil er auch den Mut hat, sich öffentlich zu äußern und jeden auffordert, gegen selbstgefällige Politikerfloskeln den eigenen Verstand zu setzen - ganz nach der Streitschrift des Essayisten Stéphane Hessel „Empört Euch!“. Wecker ist Erzähler und Kritiker, zugleich ein weiser Schelm, dem man gern zuhört, weil er charmant mit der Selbstironie per Du ist. Er lachte selbst, als er berichtete, dass kein Radiosender seine Lieder mehr spielt, er zuletzt in den 80er Jahren ein Stadion gefüllt hat - damals im Rahmen der Friedensbewegung und an der Seite von Künstlern wie Harry Belafonte. „Ich wollte die Welt verändern. Aber wenn ich heute so auf die Welt schaue - ich war das nicht“, scherzte er.

An seiner Seite wusste der Liedermacher drei unglaublich begnadete Musiker. Mit Nils Tuxen, Tim Neuhaus und Jo Barnikel bekam Weckers Poesie - er setzte sich auch selbst an einen Bösendorfer Flügel - den musikalischen Glanz, die sie verdiente. Tuxen, Neuhaus und Barnikel waren nicht nur eine Band, sie bildeten vielmehr ein ganzes Orchester, spielten nicht nur Gitarre, Klavier, E-Bass und Schlagzeug, sondern griffen auch zu Geige, Ukulele, Kornett und Akkordeon. Sogar einem Koffer wurden Töne entlockt.

Schon vor den Zugaben bedankte sich das Publikum mit stehenden Ovationen. Von einer Dame gab es eine rote Rose, von den Mitarbeiterinnen der Sektkellerei zudem Gastgeschenke. Nach drei Stunden verabschiedete sich der gefeierte Liedermacher mit einem italienischen Schlaflied. Nur einen Wermutstropfen hatte der emotionsgeladene Abend: Die jüngeren Generationen fehlten.