Von Naumburg in die Welt
NAUMBURG. - Als Reiner Schulze kürzlich im Biergarten der Gaststätte "Zum alten Krug" am Naumburger Lindenring saß, hatte er stets die gegenüber liegende Bäckerei im Blickwinkel. Die Gefühle, die er dabei empfand, kann er kaum beschreiben, denn über drei Generationen war diese Bäckerei bis 1973 im Besitz seiner direkten Vorfahren. Reiner Schulze lebt schon 29 Jahre lang nicht mehr hier. 1982 ist er ausgereist - nicht in den "Westen", sondern auf direktem Weg nach Australien. Er folgte seinem Bruder Harald, der damals bereits schon zehn Jahre lang dort lebte. Inzwischen hat der gelernte Schmied sich in Perth eine eigene Existenz aufgebaut.
In mehr oder weniger kurzen Abständen zieht es ihn und seine Ehefrau Uta in die alte Heimat. Beiden gefällt es sehr gut hier. "Wir fühlen uns wohl in Naumburg, aber zurückkommen wollen wir nicht", meint Uta Schulze. Auf den Winter in Deutschland und das Schneeschippen könne sie gern verzichten, setzt sie hinzu.
Bereits 38 Jahre lang kennen sich Uta und Reiner Schulze. Verheiratet sind sie allerdings erst seit 1993. Als Reiner Schulze nach zehn Jahren zum ersten Mal wieder Naumburg besuchte, sind sich beide über den Weg gelaufen. Es funkte sofort und ein Jahr später ist auch Uta nach Australien ausgereist.
Dass beide in Perth neue Freunde, kennen gelernt haben, verdankt Reiner Schulze einem ehemaligen Naumburger Schulfreund. Der hatte davon erfahren, dass Anke Bergmann sich auch in Perth aufhält. Es kam zu einem Treffen der ehemaligen Naumburger und seitdem gibt es regelmäßige gegenseitige Besuche. Gerade zwei Wochen Ferien hat sich Familie Schulze in der alten Heimat gegönnt. Morgen geht es wieder zurück ins ferne Australien. Im Gepäck haben beide dann viele guten Erinnerungen an Naumburg und vor allem an die Freunde.
Anke Bergmann (43) muss viele Hände schütteln, wenn sie in Naumburg unterwegs ist. Einige kennen sie als Kinderkrankenschwester, die meisten aus dem Hotel "Zur alten Schmiede", das ihr Vater Gerd Bergmann in den 1990er Jahren aufgebaut hatte und viele Jahre leitete. Doch die Anke zog es weder in die Gastronomie, noch in die Hotellerie. Mehrere Monate arbeitete sie in einer Patengemeinde der evangelischen Kirche in Tansania in ihrem Beruf.
Vor sechs Jahren ging sie nach Australien. Dort lebt sie in der 1,5 Millionen Einwohner großen Stadt Perth am Indischen Ozean, ist in der medizinischen Forschung tätig. Gut eingelebt habe sie sich da, erzählt sie und schwärmt von der großflächig angelegten Stadt mit ihrem Vielvölkergemisch, von der schönen Umgebung, dem Klima, dem Zusammensein mit den neuen Freunden und Bekannten. Vor eineinhalb Jahren hat sie geheiratet. Ehemann Graham Hoskins (56), ein gebürtiger Australier mit englischen Wurzeln (der Urahn kam 1850 auf den Kontinent) ist immer mit dabei, wenn seine Frau ihre Familie besucht.
"Nun schon zum dritten Mal und das sehr gern", sagt er und, dass er Naumburg mag. Der Tourismus in der Stadt wachse von Jahr zu Jahr, stellt er fest. In Perth betreibt Hoskins ein Musikalienunternehmen mit mehreren Angestellten. Fünf Wochen dauert der Urlaub in Naumburg, ehe es wieder zurück nach Perth geht. Dort ist jetzt Winter. "Der ist so, wie das Wetter derzeit in Deutschland", lacht Anke. "Dafür sind die Sommer durchgängig heiß und sonnenreich."