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Unwetter Unwetter: Wilde Fluten rasen

06.05.2015, 13:00
Berliner, Geisenheimer, Neu-Freyburger: Sören Siegmund in Flechtners Weinberg in der Lage Steinmeister.
Berliner, Geisenheimer, Neu-Freyburger: Sören Siegmund in Flechtners Weinberg in der Lage Steinmeister. torsten biel Lizenz

Wie der Kenner auf den ersten Blick sieht, hat die Zahlenspielerei in der Überschrift nichts mit der Füllmenge von Lesegefäßen oder sonstigen Körbchengrößen zu tun. 61A wäre quasi unsichtbar. Und doch war die 61A eine der großen Überraschungen. Sie schraubte die Anzahl der Weine und Sekte bei der Jungweinprobe in der Rotkäppchen Sektkellerei Mitte April auf 91. Sören Siegmund wollte seinen Weißburgunder eigentlich zur Großen Gemeinsamen Jungweinprobe in Dresden anmelden, doch in diesem Jahr hat der Weinbauverband die Teilnahme in Sachsen an die Teilnahme in Freyburg gebunden. Eine Art Doppelstart-Recht, aber eben auch -pflicht.

Hinter der 61A prangte als Erzeuger des Weines das „Weinhaus Siegmund und Klingbeil“. Viele fragende Augen. Doch dann waren die Männer dahinter doch identifiziert. Sören Siegmund und Sebastian Klingbeil. Beide gebürtige Berliner. Der 30-jährige Siegmund vom Fach, Spannemann Klingbeil williger Helfer und kundiger Finanzer der Unternehmung. Für Winzer und manchen Weinfreund dürfte Sören Siegmund ein durchaus bekanntes Gesicht sein, ist er doch seit gut anderthalb Jahren im Freyburger Labor, dem Institut für Agrar- und Umweltanalytik in der Villa der einstigen Preußischen Gartenbauschule, gleich neben der Winzervereinigung tätig.

Beim Pflichtpraktikum in Freyburg kreuzen sich die Wege

Der damit zwangsläufige Kontakt zu Winzern führte letztendlich zur Gründung des Weinhauses. Doch der Reihe nach. Die für den Weinfreund interessantere Vita führte den Berliner Siegmund zur Lehre nach Johannisberg in den Rheingau und zum Studium nach Geisenheim. Beim Pflichtpraktikum in der Winzervereinigung Freyburg kreuzten sich die Wege von Siegmund und Matthias Hey, noch ein „Geisenheimer“, doch dazu später. Nach dem Studium zog es ihn in die nahe Ferne. Beim Top-Rotweingut Heinrich in Gols am Neusiedlersee schnupperte er in die große weite Welt des Weinmachens so richtig tief hinein.

Die Rückkehr in die Heimat ließ ihn dann in Werder landen, wo er bei Manfred Lindicke half, den Keller aufzubauen, den ersten in Werder gekelterten Jahrgang zu pflegen, bei der Lese und im Ausbau. Seine Kellermeister-Rolle dauerte freilich nicht lange. 2012 begonnen, war 2013 auch schon wieder Schluss. Ab September heuerte der Diplom-Ingenieur für Weinbau und Önologie in Freyburg an. Und ebenda wuchs auch stetig die Sehnsucht, selbst Wein zu machen. Möglichst aus eigenen Trauben. Zunächst wurde es ein eigener Wein aus zugekauften Trauben. Weißburgunder vom Göttersitz landete im Keller unterm Labor. Gepresst bei Matthias Hey, landete der Saft zum Teil im Barrique, zum Teil wurde ein zwischen sehr halbtrocken und lieblich angesiedelter Wein daraus gemacht. Über die überraschend gelungene Barrique-Variante, überraschend für einen Erstling, habe ich schon Andeutungen gemacht, dessen Entwicklung schon hin zur Großen Gemeinsamen Verkostung in Dresden dürfte interessant sein. Aber auch nach der Füllung scheint er auf Jahre hinaus lagerbar. Auch für die süßere Schwester werden sich sicher Liebhaber finden.

In diesem Jahr sollen nun auch selbst gepflegte Trauben in die neuen Keller in der Nähe des Naumburger Marktes kommen, wohin Siegmund und Klingbeil zeitnah umziehen wollen. Auf der Suche nach geeigneten Flächen war der Neu-Freyburger überrascht, wie relativ schnell ihm Angebote auf den Tisch flatterten. Oft jedoch mit utopischen Preisvorstellungen. Fündig wurde er bei Familie Flechtner im Naumburger Steinmeister. Eine Fläche, die lange Jahre vom Weinhaus Wölk bearbeitet wurde. Nun also kümmern sich Siegmund und Klingbeil, der, wann immer er Zeit hat, mit seiner Freundin im Weinberg unter die Arme greift. Gut 3000 Stöcke stehen hier. 80 Jahre alter Gutedel, Silvaner, um die 30 Jahre in der Erde, Weißburgunder und Portugieser sowie Riesling und Dornfelder. Höchsterträge um die 50 Hektoliter pro Hektar strebt man an. Zu den Immervoll-Tanks, die demnächst von Freyburg nach Naumburg ziehen, sollen weitere Barriques kommen. Wenn die Erntemenge nicht reicht, gern auch halbe.

Wie lange das Intermezzo in der Steillage westlich der Rebzeilen von Matthias Hey dauern wird, da möchte sich Sören Siegmund noch nicht festlegen. „Mal schauen, wie es läuft“, lässt er sich alle Optionen offen. Auch weitere Traubenzukäufe kann er sich vorstellen, um das Sorten-Spektrum zu erweitern. Im Steinmeister von Flechtners zu roden, kann er sich nicht vorstellen. „Da stehen so schöne alte Reben, und inzwischen habe ich auch den Aufbau des Berges verstanden, glaube ich. Nachpflanzungen an Fehlstellen ja. Aber keine anderen Sorten. Nicht in nächster Zeit.“

Ach, ja, was hat es jetzt noch mit der 75 auf sich? Das ist seine Startnummer in Dresden bei der Großen Gemeinsamen Jungweinprobe am 8. Mai. Falls der geneigte Weinfreund zielsicher suchen will.