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Empörte Eltern schreiben Offenen Brief Tests sorgen für Wirbel

Im Burgenlandkreis dürfen nur noch Schüler am Unterricht teilnehmen, wenn sie sich auf Corona testen lassen. Ein Gespräch mit Robert Aßmann, Leiter des Kreis-Bildungsamtes.

14.04.2021, 09:05

Naumburg - Seit einigen Tagen können Schüler des Burgenlandkreises nur noch das Schulgelände betreten, wenn deren Eltern in den Corona-Schnelltest eingewilligt haben. Es gibt Eltern, die dies wohl lang ersehnt hatten, aber auch solche, bei denen die Empörung groß ist, die entsetzt sind und sich unter Druck gesetzt fühlen. Das geht auch aus einem Offenen Brief hervor, den 20 Elternhäuser Ende vergangener Woche an Robert Aßmann, Leiter des Amtes für Bildung, Kultur und Sport beim Burgenlandkreis, geschickt haben. Mit ihm sprach Redakteurin Jana Kainz.

In dem Offenen Brief bezweifeln die Eltern, dass es für die aktuell verpflichtende Teststrategie des Burgenlandkreises eine rechtliche Grundlage gibt. Ist das so?

Robert Aßmann: Den meisten Eltern haben wir bereits persönlich geantwortet. Die Rechtsgrundlage ist Paragraf 28a Absatz1 des Infektionsschutzgesetzes. Danach können notwendige Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (Covid-19) für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch die Landkreise getroffen werden. Zudem hat die Landesregierung in Paragraf 13 der Elften Eindämmungsverordnung des Landes Sachsen-Anhalt die Landkreise ermächtigt, hierzu eigene Verordnungen zu erlassen. Das ist mit der Verordnung zur Änderung der Dritten Corona-Schutzverordnung des Burgenlandkreises geschehen. Ich wüsste nicht, warum die Teststrategie nicht rechtsgültig sein sollte. Mit dem neuesten Erlass des Ministeriums ist jetzt auch geregelt, dass das Testregime verpflichtend ist.

Die Eltern lassen Sie in dem Brief wissen, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlen: Entweder Test oder kein Zutritt zur Schule, damit aber auch kein Recht auf Distanzunterricht. Wie sieht es damit aus?

Es besteht nach wie vor kein Zwang. Aber der Zugang zum Präsenzunterricht beziehungsweise zum Schulgelände ist beschränkt. Wer keine Einwilligung zum Test vorlegt, darf das Schulgelände nicht betreten. Diese Regelung gilt nicht nur für Schüler und Schülerinnen, sondern für alle an der Schule tätigen Personen.

Kein Test, kein Unterricht. Das verstehen die unterzeichnenden Eltern offensichtlich als Zwang.

Mit dem jüngsten Erlass des Ministeriums ist jetzt für alle das Testen verpflichtend. Wir möchten die größtmögliche Anzahl Schülerinnen und Schülern wieder in den Schulen haben. In der derzeitigen hohen Infektionslage im Burgenlandkreis sind diese Einschränkungen aber notwendig. Der Schutz von Leib und Leben hat oberste Priorität.

In einem Schreiben des Landesbildungsministers Marco Tullner vom 8. April heißt es, nachdem dargelegt wurde, dass Schulen in Regionen mit einem Inzidenzwert über 200 geschlossen werden: „Als Landkreis mit der höchsten 7-Tages-Inzidenz in Sachsen-Anhalt wurde der Burgenlandkreis von der Landesregierung als Modellregion für die Einführung der Schnelltests für Schüler an den Schulen ausgewählt. Bis zum Abschluss des Modellprojekts am 16. April werden die Schulen dort bei Überschreiten eines 7-Tage-Inzidenzwerts von 200 nicht geschlossen.“ Ist das zu gewagt?

Das Modellprojekt wurde im Burgenlandkreis initiiert, als der Inzidenzwert niedriger war. Damals hatten wir zum zweiten Mal Schulen über einen längeren Zeitraum geschlossen. Wir mussten und wollten reagieren, denn der Präsenzunterricht ist durch nichts zu ersetzen. Am ersten Schultag nach den Osterferien haben wir mit den Tests acht positive Fälle ermittelt. Wenn wir kontinuierlich testen, erhalten wir ein Bild vom Infektionsgeschehen, können den Infektionsherd feststellen und möglichst weitere Verbreitungen von Infektionen verhindern. Durch das regelmäßige Testregime beugen wir auch der Schließung ganzer Schulen oder Klassen vor. Aus meiner Sicht ist das nicht gewagt, sondern stützt sich auf die aktuelle Infektionslage in den Schulen.

In dem Offenen Brief teilen die Eltern ihre Sorge mit, dass die positiv getesteten Kinder ausgegrenzt werden könnten und fragen, wie diese Kinder aufgefangen würden?

Einerseits sind die Pädagogen sensibilisiert, Kinder - die positiv getestet wurden, wie auch all die anderen - zu beruhigen und Kinder in einer solchen Situation adäquat zu begleiten. Auch das Landesschulamt unterstützt die Lehrkräfte dahingehend. Aktuell ist es so, dass es in Klassen meist nur ein Kind gibt, das – weil es positiv getestet ist – am Unterricht nicht teilnehmen kann und nicht gleich die ganze Klasse von einer Quarantänemaßnahme betroffen ist. Andererseits haben sich auch mehrfach während der Phase der freiwilligen Testung Kinder ausgegrenzt gefühlt, wenn sie am Test in der Klasse nicht teilnehmen konnten oder durften. Auch in diesem Fall müssen Lehrkräfte alle Kinder begleiten und solchen Situationen begegnen, so dass es eben nicht zu Ausgrenzung kommt. Zudem kommen Fälle, in denen Eltern in Quarantäne müssen und damit auch deren Kind, das dann ebenfalls aus der Schule genommen werden muss. All das sind natürlich keine schönen Situationen – gerade für kleinere Kinder. Auch in diesem Fall müssen die betroffenen Kinder und die ganze Klasse entsprechend durch die Lehrkräfte begleitet werden. Wenn wir kontinuierlich testen, verhindern wir, dass ganze Klassen von Quarantänen und vor allem von weiteren Infektionen betroffen sind.

Nun vernimmt man nicht nur aus Schulbriefen an Eltern, dass das Lehrerpersonal sehr besorgt sei - trotz Impfung und Maskentragen während des gesamten Schultags - und es eines besonderen Schutzes bedürfe. Wie wird Sorge getragen, dass die Pädagogen dennoch besonnen mit der Situation umgehen?

Wir haben im Burgenlandkreis sehr viele Pädagogen, die sicherlich unterschiedlich mit der Situation umgehen. Die Lehrkräfte werden durch das Landesschulamt betreut und beraten. Dazu hat das Landesschulamt „Pädagogische Hinweise zur Durchführung von Selbsttests in Schulen“ zusammengestellt. Von den Schulleitungen wurde das Testregime sehr begrüßt. Schulleiter haben uns wiederholt gesagt, dass sie sich so sicherer fühlen. Trotzdem muss man aufpassen, dass man kein falsches Sicherheitsgefühl erzeugt. Eine 100-prozentige Sicherheit kann es auch mit den Testungen nicht geben.

Diese Reaktion der Schulleiter legt nahe, dass es vor allem um die Sicherheit der Lehrer geht?

Es geht selbstverständlich um die Sicherheit aller Personen, die sich in den Schulen befinden. Wir wissen auch, dass sehr viele Eltern das kontinuierliche Testen sehr begrüßen.

Wie haben Sie das erfahren?

Vorab hat der Landrat Gespräche mit Schulleitungen, dem Kreiselternrat und den Spitzen von Bildungsministerium und Landesschulamt geführt. Natürlich gab es auch Anrufe von Eltern, die sich für das Testregime bedanken, weil dadurch die Schulen wieder geöffnet werden konnten. Genauso gibt es natürlich auch Eltern, die die Teststrategie ablehnen und weitere, die ihre Kinder zu Hause lassen, weil ihnen die Situation noch zu unsicher ist.

Bilden diese Eltern, die sich bei Ihnen bedanken, die Mehrheit?

Nein, die Mehrheit der Eltern, die bei uns anfragen, haben Fragen zu den Testungen oder verweigern diese. Erster Ansprechpartner der Eltern ist und bleibt aber natürlich die Schule selbst. Viele Eltern, die sich bei uns melden, sind von den Schulen an uns verwiesen worden. Aber die Teilnahme an den freiwilligen Testungen von zirka 86 Prozent vor Ostern ist ebenfalls ein deutliches Indiz für die überwiegende Akzeptanz der Testungen. Zudem sind wir im regelmäßigen Kontakt mit dem Kreiselternrat.

Mit den Testungen wollen Sie den Präsenzunterricht sichern - aber nur für jene Schüler, deren Eltern damit einverstanden sind. Die anderen, die von der aufgehobenen Präsenzpflicht Gebrauch machen, haben laut Minister Tullner nicht einmal das Recht auf Distanzunterricht. Wird diesen Schülern damit das Recht auf Bildung verwehrt?

Dieses Testregime ist derzeit die einzige Möglichkeit, die Schulen offen zu halten. In der Zeit vor den Tests haben andere Eltern aus Sorge um die Gesundheit ihrer Kinder diese nicht in die Schule geschickt, weil nicht alle Kinder getestet wurden. Es gibt zu allen Maßnahmen immer unterschiedliche Meinungen. Eine Zeit lang war der Distanzunterricht alternativlos. Die meisten Schulen haben das sehr gut gestaltet. Da gibt es aber große Unterschiede zwischen den Schulformen. Für Grundschüler ist der Online-Unterricht natürlich nicht so geeignet wie für ältere Schüler und Schülerinnen.

Eltern befürchten, dass mit regelmäßigen Tests den Kindern vermittelt wird, dass sie - trotz dessen, dass sie sich gesund fühlen - krank und für andere eine Gefahr sein können. Was sagen Sie diesen Eltern?

Ich hoffe, dass diese Testregelung nicht lange bestehen muss. Ich hoffe, dass die Inzidenz bald sinkt, merklich sinkt, so dass das Testen nicht weiter notwendig sein muss. Das Problem, das die Eltern in dem Brief sehen, sehe ich nicht. Das Testen wird für die Kinder zum Ritual, einem angenehmen Ritual - das liegt in der Hand der Pädagogen.