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Schutzgebiet Schutzgebiet: Von vielfältiger Nutzung geprägt

27.05.2015, 06:42
Nachwuchs bei den Koniks. Seit 2009 weiden sie hier das ganze Jahr über.
Nachwuchs bei den Koniks. Seit 2009 weiden sie hier das ganze Jahr über. Archiv Lizenz

freyburg - Vorm Tor zur Rödel-Weide rasten drei Damen. Sie sind Kundschafter der Senioren-Wandergruppe von Schott aus Jena und bereiten eine Exkursion ins Orchideengebiet Tote Täler vor. Über die Königinnen der Blumen wissen die Seniorinnen bestens bescheid, und die Artenvielfalt im Naturschutzgebiet zwischen Balgstädt, Freyburg und Naumburg wissen sie zu schätzen, auch wenn das Leutra-Tal nahe ihrer Heimatstadt da womöglich doch noch mehr zu bieten hat. „Die Bocks-Riemenzunge, die’s dort gibt, gibt’s hier nicht“, verkündet eine der Jenaerinnen. Das habe sie im Internet recherchiert.

Diese Orchidee, so bestätigt Georg Hiller, war in den 90er Jahren in der Roten Liste Sachsen-Anhalts mit null ausgewiesen. Doch das Internet ist da nicht auf dem aktuellen Stand. „2013 haben wir die Himantoglossum hircinum erstmals wieder auf dem Rödel nachgewiesen“, sagt er. 2014 habe man sie nicht feststellen können, doch in diesem Jahr erneut gesichtet. Wenn daran wohl auch die Klimaerwärmung ihren Anteil hat, die Rückkehr dieser Art auf den Rödel sei in erster Linie der Beweidung durch Konik-Pferde zu verdanken, ist sich seine Kollegin Martina Köhler sicher. Die Tiere halten das Gelände offen und helfen so den „konkurrenzschwachen Pflanzen“ , gegen wuchsfreudigere Arten zu bestehen.

Regelmäßige Dokumentation

Köhler und Hiller waren dieser Tage erneut auf dem Rödel unterwegs, um die Auswirkungen der Beweidung zu dokumentieren. Sie gehören zu der Wissenschaftler-Gruppe der Hochschule Anhalt, die das Naturschutzprojekt seit 2009 begleitet. Die vierbeinigen Landschaftspfleger leisten gute Arbeit, ist man sich einig, zumal, wenn man in Rechnung stellt, dass eine Beweidung durch Schafe wirtschaftlich aufwendiger wäre.

Auch Fachleute hatten zunächst am Erfolg gezweifelt, räumt Hiller ein. Sie fürchteten, dass die Pferde die Orchideen zertreten, auch die Blüten-Stände abweiden. Die Koniks aber haben offenbar keinen Appetit auf Orchideen, auch Trittschäden haben die Beobachter nur in begrenztem Maß festgestellt.

Trockenrasenflächen gehören zu den artenreichsten Biotopen überhaupt. „Nach sechs Jahren Beweidung hat sich hier die Artenvielfalt eindeutig erhöht“, versichert Martina Köhler. Belegen können sie und ihr Kollege das mit regelmäßiger Erfassung von Beobachtungsflächen. Über 70 haben sie dafür auf dem 90 Hektar großen Areal angelegt - die kleinsten Gevierte umfassen einen Quadratmeter, einige größere jeweils einen halben Hektar. Die Flächen sind markiert und werden mit einem Navi aufgespürt. Mit einem Maßband kennzeichnet Martina Köhler die Grenzen einer Fläche, die sie gerade angesteuert hat, und zückt eine Liste, auf der drei Dutzend Kräuter verzeichnet sind: Knolliger Hahnenfuß, Gelbe Skabiose, Zypressen-Wolfsmilch ... Für die Naturschützerin ist die Bestandsaufnahme kein Problem. Am Anfang ging das schon etwas mühsamer mit dem Bestimmungsbuch, verrät sie.

Botanische Leuchttürme

Insgesamt kommen auf dem Rödel etwa 400 Pflanzenarten vor. Die zehn Orchideenarten dort sind die botanischen Leuchttürme. Für die Wissenschaftler, weil sie die Qualität des Biotops kennzeichnen, für Naturfreunde wie die Schott-Senioren, weil die seltenen Pflanzen hier in besonders großer Zahl blühen. Von der spätblühenden Bienen-Ragwurz etwa hat Georg Hiller im vorigen Jahr knapp 3200 Blütenstände erfasst. Da nur etwa jeweils ein Drittel der Pflanzen blühe, könne man auf dem Rödel von an die 10000 Exemplaren ausgehen.

Martina Köhler und Georg Hiller von der Hochschule Anhalt erfassen regelmäßig der Artenbestand auf dem Muschelkalk-Plateau.
Martina Köhler und Georg Hiller von der Hochschule Anhalt erfassen regelmäßig der Artenbestand auf dem Muschelkalk-Plateau.
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