Schüsse in der Luisenstraße
NAUMBURG. - Die Naumburger Luisenstraße als Tatort. Schüsse aus einer Maschinenpistole fallen, ein alter Shiguli rast los und rammt auf seiner Flucht ein anderes Auto. Doch alles ist nur Kintopp, ein Stunt, der später in dem Film "Ilich - The Story Of Carlos" zu sehen sein wird (wir berichteten). Produziert wird der Kinofilm, der später auch in einer Fassung als TV-Dreiteiler zu sehen ist, von der Film en Stock (Frankreich) und der Egoli Tossell Film (Deutschland) in Co-Produktion mit Morena Films (Spanien) sowie den Fernsehanstalten Canal Plus Frankreich und Arte.
Der Schütze auf der Straße ist Ilich Ramírez Sánchez, doch die Welt kennt ihn als Carlos, den Schakal. Und die Szene spielt im Streifen dann natürlich auch nicht in der beschaulichen Domstadt an der Saale, sondern in der Donau-Metropole Budapest. Dort schießt sich der selbst ernannte Weltrevolutionär den Weg frei, weil er vermutet, dass Sicherheitskräfte ihn verhaften wollen.
Auch das einen etwas morbiden Charme ausstrahlende Haus mit der Nummer 12 in genannter Straße zählt zu den "Budapester" Drehorten. Im Esszimmer dieser konspirativen Wohnung sind noch Spuren eines Gelages zu sehen: schmutzige Teller, eine Karaffe mit Rotwein sowie eine halbgeleerte Flasche Becherovka. Im plüschigen Wohnzimmer fallen ein großer Bücherschrank und eine Plattensammlung ins Auge. "Das Ambiente in diesem Gebäude ebenso wie das Haus selbst bilden eine ideale Kulisse für die Dreharbeiten", so Produzent Jens Meurer im Gespräch mit unserer Zeitung. Entsprachen doch vor allem die Räume und auch ihr sichtbar in die Jahre gekommenes, einst gutbürgerliches Interieur genau den Vorstellungen der Filmemacher. Genauso bot sich Sonnabend das Kroppental-Gelände bei Schönburg als Drehort für Szenen an, die an der deutsch-schweizer Grenze spielen.
Meurer zum Inhalt des Films: "Wir zeigen den Aufstieg und Fall eines Mannes, der die Welt in Atem hielt." 1975 verantwortete Carlos den Anschlag auf das Opec-Hauptquartier in Wien, in den Jahren darauf zeigte er sich als kaltblütiger Mörder. Als auch von der Stasi unterstützter Waffenhändler wurde er zum effizienten Manager organisierter Gewalt. Immer wieder schaffte er es unterzutauchen, verprasste sein auf Schweizer Konten angehäuftes Vermögen an Hotelpools und in Bordellen, machte sich Frauen hörig und ließ seine Kontakte zu den Geheimdiensten in Ost und West spielen. Später ließen ihn seine Unterstützer aber fallen, weil sie Carlos als blutbesudeltes Relikt des Kalten Krieges loswerden wollten. 1997 wurde der Schakal schließlich in Frankreich zu lebenslanger Haft verurteilt.
Zurück zum Drehort: Nicht nur für die Domstadt als Kulisse gibt es von Meurer viel Lob. Auch die gute Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung hebt der Produzent hervor ebenso wie die für die Crew faszinierende hiesige Kultur- und Weinlandschaft. Deshalb soll hier bald wieder gedreht werden, Entstehen wird ein historischer Streifen mit dem Titel "Black Death" (schwarzer Tod), der im pestgeplagten Mittelalter spielt. Auch die Kreisstadt selbst profitiert übrigens von den Dreharbeiten. Sorgte doch beispielsweise der einwöchige Aufenthalt des Filmteams für rund 120 belegte Hotelbetten.