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Romanisches Haus Romanisches Haus: Die Stasi war nicht amüsiert

Von hans-dieter speck 30.07.2013, 09:09
Große Stimme: Die Berliner Jazz-Sängerin Jessica Gall gastierte zum MDR-Musiksommer im Freyburger Lichthof.
Große Stimme: Die Berliner Jazz-Sängerin Jessica Gall gastierte zum MDR-Musiksommer im Freyburger Lichthof. Torsten Biel Lizenz

freyburg - Der Jazz hat es hierzulande nicht leicht. Die Fangemeinde ist überschaubar. Wie es auch das Publikum am Sonnabend im Lichthof der Rotkäppchen-Sektkellerei in Freyburg war. Manch Stammgast vermisste die obligatorischen Parkeinweiser und sah auf leere Stuhlreihen. Eine junge Frau und fünf Männer sorgten indes dafür, dass es trotz Saunatemperatur im Lichthof - die Eintrittskarten wurden dankbar als Fächer benutzt - ein herrlich erfrischender Sommerabend wurde.

Dabei waren Jessica Gall und ihre Band „nur“ zweite Wahl, wie Oliver Jueterbock, Manager des MDR-Musiksommers, während seiner Begrüßung erzählte. Wegen der Schwangerschaft von Jasmin Tabatabai musste Ersatz gefunden werden. „Sie bekommt das Baby, und ich stehe hier. Eine Win-Win-Situation für uns beide“, frohlockte Jessica Gall scherzhaft zu Beginn. Mitgebracht hatte sie Lieder aus ihrem neuen, mittlerweile dritten Album „Riviera“. Ein Urlaub mit ihrem Freund und Pianisten der Band, Robert Matt, an der türkischen Riviera war Inspiration, wie die Sängerin verriet. Charmant begleitete sie nahezu jedes Lied auf diese Weise mit einer Anekdote und knüpfte so an die Texte ihrer Songs an, die Geschichten erzählen, sowohl die kleinen des Alltags als auch die großen des Lebens. Doch in Erinnerung wird sie den Konzertgästen vor allem wegen ihrer Stimme bleiben. Wer den Namen Jessica Gall bis zu jenem Abend noch nicht kannte, wird ihn nun nicht mehr so schnell vergessen, ihn getrost in die Reihe der Lieblingssängerinnen und vielleicht auch in der heimischen Albumsammlung einreihen. Einen Vergleich mit den großen Namen braucht die Berlinerin nicht zu scheuen. Ihre Stimme, so voller Wärme und Weiblichkeit und gleichzeitig mit einem Ausdruck von immenser Stärke und Kraft, ließ Jazzfans manches Mal an die Norwegerin Rebekka Bakken denken und Schauer über den Rücken jagen.

Jessica Galls Lieder haben viele Gesichter. „Same Sky“ und „Stones & Feathers“ erscheinen nachdenklich, quirlig dagegen „Saturday Night“ und „Pardon me“. Oft spielen Text und Titel, so bei „Rain“ und oder „Touch the Rain“, auf die Kraft des Wassers, in jenem Fall des Regens an. Neben eigenen Werken präsentierte sie mit „All I wanna do“ von Sheryl Crow und „Diamonds and Pearls“ von Prince Songs von Kollegen, indes in ihrer eigenen Interpretation.

Mit den Musikern Robert Matt (Piano), Enrico Antico (Gitarre), Andreas Henze (Bass), Martell Beigang (Schlagzeug) und Jo Ambros (pedal steel) harmonierte die Sängerin prächtig. Es machte Spaß, ihnen zuzuhören und zuzusehen, wie sie ihre Freude auf der Bühne hatten. Soloeinlagen würdigte das Publikum mit besonderem Beifall. Nach dem Pflichtteil bedankten sich die Gäste wiederum mit zwei Zugaben: der schönsten und wichtigsten Botschaft der jüngeren Musikgeschichte, „Imagine“ von John Lennon, sowie einem bekannten Kinderlied. Doch in dieser rührenden und melancholischen Weise hat man „Hänschen klein“ wohl noch nie gehört. Nach gut zweieinhalb Stunden konnte sich auch das Publikum zu den Siegern zählen.