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Register Register: Namen und Fakten

02.02.2013, 14:17

Saaleck - Der historische Roman „Die letzten Rudelsburger“ hatte seine Geburtsstunde 1913 auf der Rudelsburg. In der Gaststätte des Wirts Adolf Büchner hatten sich zwei renommierte Historiker zu einem fachlichen Gespräch getroffen - der Naumburger Regionalhistoriker Friedrich Hoppe und der Pfarrer Paul Schreckenbach aus dem Dorf Klitschen bei Torgau, zugleich namhafter Schriftsteller historischer Romane.

Die Geschichte der seit vier Jahrzehnten mit Hilfe der Kösener Corpsstudenten restaurierten Burgruine und vor allem die erste Erstürmung im Jahre 1348 standen im Mittelpunkt der Unterhaltung. Was veranlasste den Pfarrer der kleinen Kirchgemeinde Klitschen, einem Ortsteil von Mockrehna zwischen Eilenburg und Torgau, sich jenem damaligen Ereignis zuzuwenden?

76 Publikationen insgesamt

In literarischen Kreisen war Schreckenbach schon längst kein Unbekannter mehr. Seit 1895 lagen zahlreiche Romane vor, die der deutschen Geschichte gewidmet waren. Am Lebensende weist der Katalog der deutschen Nationalbibliothek 76 Publikationen von ihm nach. Sein Lebensweg begann am 6. November 1866 in Neumark, unweit Weimars, in einer Pfarrersfamilie. Es ist bemerkenswert, dass er sich dem Studium der Theologie, aber auch der Geschichte zuwandte, das 1894 mit seiner Promotion an der Universität Leipzig den Abschluss fand. Nach kurzer Lehrtätigkeit an der Brüdergemeinde in Niesky erhielt er 1896 eine Pfarrstelle in Klitschen mit seinen 500 Seelen und blieb bis zum Lebensende (1922) dort wirksam.

Der Mutter zum Geburtstag

Sein Interesse an historischen Stoffen, verbunden mit einer gründlichen Recherche der vorhandenen Fakten und einer raschen Niederschrift der Ergebnisse führten dazu, dass er fast jährlich einen neuen Roman vorlegte, den er - wie er einmal bemerkte - seiner Mutter auf den Geburtstagstisch legte. Schreckenbach wird heute in der Literaturwissenschaft als einer der erfolgreichsten Autoren historischer Romane der wilhelminischen Epoche eingeordnet, eng mit preußischen ethischen Vorstellungen verbunden, dabei mit Überbetonungen einiger Persönlichkeiten seiner Zeit und ihrer Leistungen behaftet. Das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“- infolge der Ereignisse von 1806 ohnehin zugrunde gegangen - lehnte er aus historischer Betrachtung als überalterte Herrschaftsform ab, verehrte andererseits jedoch die Jahrzehnte Friedrich des Großen.

1905 hatte er im Roman „Die von Wintzingerrode“ Spannungen in dem westthürischen Ort aufgegriffen. Zwei Jahre danach stand Krosigk im Zentrum seiner unterhaltenden Betrachtung „Der böse Baron von Krosigk“. Eindeutig wird seine Haltung als Historiker im Roman „Der König von Rothenburg“ (1910) erkennbar, als er den Konflikt zwischen der Reichsstadt und dem Burggrafen von Nürnberg darstellte, eigene Vorstellungen mit der Zurückdrängung der Rolle der Volksmassen im Geschehen vorbrachte. In sehr guter Aufmachung und ausgezeichnet recherchiert beschrieb er die Person Martin Luthers, mit zahlreichen Originalquellen und 384 Abbildungen illustriert (1916).

Wenden wir uns unserem Heimatroman „Die letzten Rudelsburger“ zu, der 1913 bereits nach jenem Gespräch mit Hoppe dem Leser angeboten wurde. Eingebunden in dichterische Freiheiten, zwar die wahren Ereignisse genutzt, gelangten wissenschaftliche Fehler in den Text, die aus der begrenzten Sicht und dem damaligen Kenntnisstand zu verstehen sind. Das leistete der allgemeinen Meinung Vorschub, die Burg als Raubritternest zu bezeichnen, eine Ansicht, die noch in unseren Tagen zuweilen vertreten wird. Sie knüpft an die Erstürmung der Vorburg 1348 an. Naumburger Quellen berichten sehr knapp davon mit dem Satz „ivimus in Rothelewesburg per destructionem“ ( wir zogen zur Rudelsburg, um sie zu zerstören). Ferner gibt es eine Aufwandsrechnung und den Vermerk zu einem „Instrumentum“ (Kriegsmaschine). Nach der monatelangen Belagerung von April bis Juli 1348 wurde tatsächlich die Außenmauer der Vorburg so beschädigt, dass die Erstürmung durch die Naumburger erfolgen konnte - mit der Folge, dass danach die Vorburg als Wirtschaftsbereich aufgegeben wurde, nachdem die Übeltäter inhaftiert waren. Die Ursachen der kriegerischen Auseinandersetzung werden in Raubüberfallen auf Warenzüge von Ministerialen der Vorburg oder als Folge einer Fehde gesucht - die Rudelsburg war nicht die einzige Burg, welche damals erstürmt wurde. Hier hat die Historie noch ein neues Arbeitsfeld.

Auf jeden Fall wurde nicht - wie immer wieder geschrieben wird, eine Kanone verwendet. Der Marburger Militärwissenschaftler Bernhard Rathgen wies Anfang des 20. Jahrhunderts mit einer wissenschaftlichen Arbeit (Promotion) nach, dass Pulvergeschütze erst später verwendet wurden, in Naumburg eine Kanone erst Mitte des 15. Jahrhunderts gegossen wurde. Es handelte sich beim Instrumentum eindeutig um eine Blide, eine Steinschleuder, welche sowohl Gesteinsbrocken als auch Pfeilbolzen verwendete - auch Sturmböcke wurden übrigens in jener Zeit genutzt. Historisch gesehen verließen die „letzten“ Rudelsburger gegen 1580 das Gemäuer. Die Burg verkam zur Ruine.

Kulturelles Erbe

Nachzutragen zu Paul Schreckenbach ist noch, dass sein Pfarrort Klitschen eine kleine Ausstellung gestaltet hatte, die den langjährigen Pfarrer würdigt. Ungeschmälert darf man behaupten, dass die Lieder Kuglers und Allmers ebenso wie der Roman Schreckenbachs zum kulturellen Erbe der Rudelsburg und der Region gehören.