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montalbâne montalbâne: Stimmen aus dem Paradies

Von hans-dieter speck 24.06.2013, 07:31
Eine höfische Jagdanlage in der Alten Göhle zwischen Pödelist und Freyburg: das Schloss Klein-Friedenthal.
Eine höfische Jagdanlage in der Alten Göhle zwischen Pödelist und Freyburg: das Schloss Klein-Friedenthal. Speck Lizenz

naumburg - Entdeckungen sind immer für eine Überraschung gut. „Doch das war schon ein Jahrhundertfund“, sagte Reinhard Schmitt über die Stiche und Zeichnungen, die unlängst während des Forschungsprojekts „Inventar“ im Naumburger Domstiftsarchiv gefunden wurden. Der Bauforscher und Archäologe im Landesamt für Denkmalpflege und der Naumburger Historiker Joachim Säckl berichteten darüber vor dem Saale-Unstrut-Verein für Kulturgeschichte und Naturkunde in der Marienkirche des Domes. Denn die Darstellungen aus dem 18. Jahrhundert erhellen und bereichern wesentlich die Kenntnisse über die Stadtstruktur von Freyburg in der Barockzeit, über die Neuenburg und das legendäre Jagdschlösschen der Weißenfelser Herzöge, Klein-Friedenthal.

Frühe kartografische Nachweise sind da zu sehen. „Viele Details sind recht genau ausgeführt“, sagte Schmitt. Das gilt besonders für eine Übersicht der Stadt aus der Vogelperspektive von Osten, die hier sämtliche Häuser, die Stadtmauer mit ihren Bastionen und Türmen, die dreitürmige Stadtkirche St.Marien und viele heute verschwundene Gebäude zeigt, so das Stadtgut und die Kilianskirche, ein romanischer Kapellenbau aus den Jahren um 1090, der im 19. Jahrhundert abgerissen wurde. Auf mehreren alten Stichen zeigt die Neuenburg einen uns heute fremden Anblick: Nicht nur, dass es hier neben dem „Dicken Wilhelm“ noch einen zweiten Bergfried gab, aus dem Dach der Hauptburg ragen auch elf dünne, doch recht hohe Türmchen. Die waren jedoch instabil und mussten nach einem Sturmschaden abgerissen werden, wie im Vortrag zu erfahren war.

Der Saale-Unstrut-Verein für Kulturgeschichte und Naturkunde vertritt kulturgeschichtliche, denkmalpflegerische, kulturelle und naturkundliche Interessen der Bürger. Er hat sich auch der wissenschaftlichen Erforschung kulturgeschichtlicher und naturkundlicher Gegebenheiten des Saale-Unstrut-Gebietes verschrieben. Erster Vorsitzender des Vereins ist Holger Kunde, zugleich Kustos der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstiftes Zeitz.

Joachim Säckl, der sich mit der barocken Kultur am Hof der Weißenfelser Herzöge intensiv beschäftigt, interpretierte die aufgefundenen Grafiken und Baupläne zu dem 1703 erbauten Jagdschlösschen der Herzöge Klein-Friedenthal. Dank der aufgefundenen Dokumente, aber auch seit einer Lasermessung im Rahmen der Welterbeantragstellung, weiß man über diese höfische Jagdanlage in der Alten Göhle zwischen Pödelist und Freyburg jetzt vieles mehr. So, dass es eine doch recht prächtige und interessante Anlage war, wie die alten Zeichnungen beweisen: Eine barocke Kunstlandschaft mit dem Sommerschlösschen, Nebengebäuden, Jagdanlagen und kunstvollen Pflanzungen mitten im Wald. Mit bloßem Auge freilich ist heute davon nichts mehr zu sehen. Das Schlösschen hatte kaum 50 Jahre Bestand und verfiel mit dem Ende der Herzogzeit 1746.

Wie es auch nur noch (heute auf der Neuenburg aufgestellte) Reste einer weiteren barocken Kostbarkeit gibt: Des Reiterstandbilds des Herzogs Christian, das von 1774 bis 1948 auf dem Freyburger Marktplatz stand. Das exzellente Kunstwerk und Zeugnis des sächsischen Barocks wurde durch ideologisch verbohrte und wildgewordene FDJler in einer Nacht- und Nebelaktion zerstört. Der damalige Bürgermeister sei empört gewesen und habe 1000 Mark Belohnung zur Ergreifung der Täter ausgesetzt. Doch die blieben anonym und erhielten Rückendeckung von „oben“. Im FDJ-Blatt „Neues Leben“ wurde dagegen der Bürgermeister scharf angegriffen, berichtete Säckl weiter.

Im Anschluss an den Vortrag in der Marienkirche am Dom konnten die acht vor 1768 entstandenen Ansichten im Original noch betrachtet werden.

Berichten zu Funden im Naumburger Domstiftsarchiv: Joachim Säckl und Reinhard Schmitt (r.).
Berichten zu Funden im Naumburger Domstiftsarchiv: Joachim Säckl und Reinhard Schmitt (r.).
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