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Schulpforte - Nicht einsamer Dichter im stillen Kämmerlein, sondern Verfasser und Präsentator der eigenen Lyrik in Personalunion: Das ist Bas Böttcher. Er zählt zu den bekanntesten Poetry-Slamern in Deutschland und stellte sich jetzt in der bis auf den letzten Platz besetzten Aula der Landesschule Pforta einem - soviel kann vorweggenommen werden - von Anfang begeisterten Publikum von Gymnasiasten. Und das, obwohl Böttcher eine Lehrveranstaltung angedroht hatte - es sei Unterrichtszeit.
Aber was unterscheidet eigentlich ein Poetry Slam - einem Poesie-Schleudern ins Publikum - von einer gewöhnlichen Lyrik-Lesung (Poetry Reading)? Böttcher, der an diesem Tag auch ein Seminar für 40 interessierte Landesschüler durchführte, vergleicht diese junge Kunstform mit dem Sport: „Im Sport bezeichnet der Ausdruck slam dunk das kraftvolle Schleudern eines Basketballs in den Korb. Der Titel Grand Slam steht für das Gewinnen der wichtigsten großen Turniere einer Sportart. Analog dazu sind Poetry-Slams Turniere für Sprachkunst. Poetry-Slam und Sport haben vieles gemeinsam: den Wettkampfcharakter, die Disziplinen Einzel, Team und U 20, die Jury-Notenvergabe, das Zusammenspiel von Geist und Körper.“
Der Schriftsteller und Slamer Böttcher wurde 1974 in Bremen geboren und studierte an der Bauhaus-Universität Weimar Mediengestaltung. Er gilt als der erste deutsche Slam Poet und brachte in den 90er Jahren diese Poesie-Art auf die Bühne. Seit 2012 lehrt er als Gastdozent für Sprache und Inszenierung am Deutschen Literaturinstitut Leipzig.
Dass er dieses Zusammenspiel, den rhythmisch-dynamischen Vortrag, perfekt beherrscht, zeigte der 39-Jährige im Festsaal des Internatsgymnasiums eindrucksvoll. Mit salvenartiger Geschwindigkeit prasseln die von gewandter Wortakrobatik geprägten Verse auf die Zuhörer herab, bei der die Worte oft nur durch die unterschiedliche Silbenbetonung einen mehrdeutigen Sinn erhalten.
Böttcher ist dabei des Lobes voll für die deutsche Sprache, die ihm gestatte, Worte wie Lego-Bausteine zusammenzufügen zu neuen Begriffskompositionen. Und er ist stolz darauf, dass er auch ein Erfinder von neuen Worten ist. So dem Begriff „bekommbar“. „Das ist viel besser betonbar als ,erhältlich’ mit seinem stimmlosen Konsonanten in der Hauptsilbe und wird dieses Wort verdrängen“, ist sich der gebürtige Bremer sicher. Wobei, das hat er mit guten Rappern wie Cro gemeinsam, die Metrik für ihn sehr wichtig ist: durch den extakten Rhythmus bleiben die Verse im Gedächtnis haften. Böttcher, von dessen Vornamen irgendwann mal das -tian verloren ging, veranstaltet seine Poetry-Slam-Shows übrigens nicht nur in Deutschland.
Als Botschafter der deutschen Sprache reist er im Auftrag des Goethe-Instituts um die ganze Welt, trat beispielsweise im Juni in Washington und vor rund zwei Wochen beim Sprachfest in Moskau auf. Er wird am kommenden Sonntag in der deutschen Schule in Hongkong weilen, um dann nach Singapur und Shanghai sowie nach Peking weiterzureisen.
Den Auftritt in Schulpforte hatte er spontan auf der 2014er Leipziger Buchmesse zugesagt. Dort waren Schüler der 10 N mit Silke Mertins, Lehrerin für Deutsch und Englisch, unterwegs. Dabei erlebten die Pfortenser den Vortrag von Bas Böttcher, waren begeistert und sich sofort einig: Der Mann muss in der Landesschule auftreten.