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In vino veritas In vino veritas: Maximum - mindestens

Von Wolf-Dietrich Balzereit 04.08.2013, 12:59

Wohl die Liebe führte den 1896 in Braunschweig geborenen Friedrich Plagge nach Naumburg. Hier heiratete er 1927 Susanne Schmidt, eine Naumburgerin. Der gelernte Drogist übernahm geraume Zeit später die „Drogerie am Dom“ im Steinweg 9 von dem langjährigen Vorbesitzer, dem Drogisten und ehemaligen Stadtrat von Naumburg, Paul Richter. Heute befindet sich im Erdgeschoss dieses Gebäudes das Geschäft „Perlhuhn“.

Siegeszug der Kleinbildfotografie

In einer von damals etwa 15 Drogerien in Naumburg führte Friedrich Plagge auch Fotoarbeiten für seine Kundschaft aus. Mit dem Fotoapparat Leica fotografierte er schließlich überaus professionell sein Lebensumfeld.

Die Leica war damals der modernste Fotoapparat dieser Art und war als erste Kleinbildkamera der Welt 1913 in Deutschland entwickelt worden. Erst in den 1920er/30er Jahren hatte sich dieser Kameratyp international durchgesetzt und damit auch das Kleinbildfilmformat von 24 mal 36 Millimetern. Der Siegeszug der Kleinbildfotografie wurde erst durch die Digitalisierung in der jüngsten Vergangenheit abgelöst. Vorerst fotografierte damals vor allem die künstlerische und journalistische Avantgarde mit der handlichen, aber auch nicht preiswerten Leica.

Fotochronik in Jahresbänden

Friedrich Plagge wählte seine Motive mit geschultem Auge aus und inszenierte zahlreiche Aufnahmen, geprägt von der modernen Fotoliteratur seiner Zeit. Außergewöhnlich wurden seine Fotobildbände, die in Leinen oder Halbpergament gebunden sind. Ab 1933 begann er, die vorzüglichen Leica-Aufnahmen vorwiegend auf das Format 24 mal 28 Zentimeter zu vergrößern und diese Abzüge nach sorgfältiger Auswahl und Bearbeitung chronologisch zusammenzustellen. Auch heute noch beeindruckend ist die Qualität der Handabzüge. Die schönen Aufnahmen dokumentieren Jahrgangsweise ein Stück Kulturgeschichte, welche die Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg umfasst. Ob Naumburg, die Familie, Urlaubsreisen oder auch die Zeit als Offizier im von Deutschland besetzten Norwegen, eine einzigartige Chronologie aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit großartigen Aufnahmen. Porträtfotografie, Landschafts- und Architekturaufnahmen oder liebevoll in Szene gesetzte Details, nahezu alle Bereiche der Fotografie sind ausgewogen in sehr guter Qualität vorhanden. Mit dem Jahrgangsband 1955 schließt diese ausgefallene chronologische Fotodokumentation, die nur durch die Zeit der Kriegsgefangenschaft zwischen 1945 und 1947 unterbrochen wird. 1959 verstarb Friedrich Plagge in Naumburg. Der stille Chronist in einer schwierigen Zeit.