Idylle als Postkartenmotiv
Für das Engagement der kleinen Gemeinde und die jahrelange Sanierung des Gebäudes findet Pfarrer Sven Hanson andere Worte: "Es war für mich immer wieder eine Freude, wenn ein Abschnitt fertiggestellt wurde. Es gibt in vielen Orten dieses Engagement, aber gerade hier wird es besonders offensichtlich." Wie viel Geld in die Kirche floss - Renate Repke kann die Frage nicht genau beantworten. "Allein die Orgelrestauration hat im vergangenen Jahr 40 000 Euro gekostet", erinnert sich die Nißmitzerin. An den Wänden im Vorraum beweisen lange Listen mit Geldbeträgen die hohe Spendenbereitschaft für das prächtige Haus, in dem aller vier Wochen Gottesdienst gefeiert, regelmäßig zu Konzerten eingeladen wird. Nur einen Steinwurf entfernt liegt der Vierseitenhof von Helmut Börner. Den Gebäudekomplex hat der 78-Jährige vor gut 15 Jahren von seinen Eltern geerbt. Sie fanden in den 50er Jahren aus Naundorf kommend, einem Ort im Geiseltal, der dem Braunkohleabbau weichen musste, an der Unstrut ihr neues Zuhause. "Der Hof zählt zu den ältesten Gebäuden im Dorf", weiß der Rentner. Das Alter seines Domizils kann er allerdings nicht benennen. Doch glaubt man den Aufzeichnungen (siehe Zahlen und Fakten), bildet sein Grundstück mit der Hausnummer 33 die Überreste eines Stammsitzes einer mittelalterlichen Adelsfamilie, deren Bezeichnung Nißmitz bis heute als Ortsnamen erhalten ist. Helmut Börner besitzt allerdings noch ein weiteres historisches Erbe: das sogenannte Schneider-Haus. In dessen vier Wänden wohnte ein Schneider, der zu Lebzeiten den regen Schiffsverkehr auf der Unstrut, unter anderem auch das Treideln stromaufwärts, überwachte. Das kleine Häuschen ist noch immer mit Möbeln eingerichtet. Empfangen die Börners mal Besuch, wird er dort einquartiert. Unverhoffte Gäste können dagegen bei Edeltraud Herrmann oft umsonst klingeln. Traudl, wie sie liebevoll genannt wird, wurde vor 66 Jahren in Nißmitz geboren. "Ich bin allerdings fast nie zu Hause", betont sie. Denn meist ist sie anzutreffen zwischen Fußballwimpeln, Vereinspokalen und Mannschaftsfotos des FC RSK Freyburg. Das Vereinsgelände in der Querfurter Straße bildet ihre zweite Heimat. Hier kümmert sie sich um den Ausschank und putzt die Spielerkabinen, wäscht Teamtrikots und stopft auch schon mal die Stutzen. Bei Wind und Wetter fährt Traudl mit dem Fahrrad von Nißmitz nach Freyburg und zurück. Dabei hat sie als Kind nie selbst das Leder getreten, wie sie mit einem Lächeln zugibt.
Während die gute Seele des Clubs am Ausschank auf Spieler wartet, befreit Heidemarie Melchior mit Schaufel und Besen die Straße von herbstlichem Laub. Die 67-Jährige ist ebenfalls in Nißmitz geboren und lebt noch immer in ihrem Geburtshaus. "Es ist einfach schön hier", sagt sie. Die Lage an der Unstrut mit Blick auf die Weinberge und die gute Anbindung. Und das Dorf hat Zukunft, ist sich die gebürtige Nißmitzerin sicher. Einige junge Familien haben sich angesiedelt. "Es fehlt uns allerdings noch ein Spielplatz und eine Begegnungsstätte", bemerkt Heidemarie Melchior. Die Erfüllung des zweiten Wunsches steht in den Sternen. Der Spielplatz soll laut Freyburgs Bürgermeister Udo Mänicke allerdings nicht nur Zukunftsmusik bleiben. Einwohner hatten eine Unterschriftenaktion gestartet, so das Stadtoberhaupt.
Apropos Musik: Auch der erste Tenor des Freyburger Männerchors sorgt an jenem Tag für Ordnung. Karl Lautenschläger, gebürtiger Steigraer und geduldeter Nißmitzer, wie er ironisch bemerkt, rückt ebenfalls den Herbstresten zu Leibe. Die Tische und Bänke für jene Radler und Paddler, die am Ufer der Unstrut oft eine kleine Rast einlegen, seien schon im Winterquartier, berichtet der 76-Jährige. Er hat am zweiten Advent ein Heimspiel. Mit seinen Chorfreunden singt er in der Kirche Nißmitz. Das Konzert am Nachmittag bietet dann die beste Gelegenheit, das Innere eines Postkartenmotivs zu sehen. Und nicht nur dessen äußere Gestalt am Rande der B 180 mit Blick auf die Neuenburg.