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Historie Historie: Landwirtschaft prägt

12.06.2015, 08:24
Christian und Sarah Kurth mit zwei ihrer Schützlinge.
Christian und Sarah Kurth mit zwei ihrer Schützlinge. hds Lizenz

Mehr Pferde als Einwohner gäbe es in Meyhen, sagte man mir vor der Fahrt aus dem Wethautal in das Dorf auf der Höhe am Rande der Molauer Platte. Nun ja, war wohl leicht übertrieben, aber mehr Rösser als in anderen Orten sind es schon, die den Besucher von Koppeln, Wiesen und aus Hausgärten neugierig anblicken. Auch Pferdeäpfel sieht man mitunter auf den Straßen, ehe sie die Kleingärtner für die Erdbeerfelder einsammeln. Wie zu Großvaters Zeiten. Meister im Gespannfahren kamen aus Meyhen und seit den 1990er Jahren gibt es eine Reitanlage, deren Grundstock Stallungen, Hallen und Außengelände der ehemaligen LPG Tierproduktion waren und vom Meyhener Rainer Deike zur jetzigen Nutzung umgebaut wurden.

Freyburger auf einstiger Ranch

Etliche Jahre verbreitete hier die „Broken Wheel Ranch“ Western-Flair, seit 2014 sind neue Besitzer eingezogen: Christian und Steffi Kurth aus Freyburg. Sie Inhaberin der dortigen Elisabeth- und der Adler-Apotheke in Naumburg, er Pferdewirt mit Fachausbildung. „Das Ganze ist aus einem Familienhobby entstanden, nun wollen wir etwas mehr machen“, sagen beide. Ausgangspunkt war die Pferdeliebe von Tochter Sarah (12), die ein Foto entdeckte und ihren Vater darauf hoch zu Ross sah. So ein Pferd wünschte sie sich auch. Inzwischen sind es fünf Pferde geworden, die mit den Kurths nach Meyhen kamen. Doch bis zu 40 Tiere konnten hier einst stehen. Für die Pferdepensionen werden Stallungen und Boxen derzeit saniert und die Reitanlagen neu gestaltet. Auch Reitstunden werden angeboten.

Wo Reiter sind, gibt es auch eine Reiterstube. Die Gaststätte wurde zu Pfingsten in neuem Gewand eröffnet - eine gemütliche Einkehr mit 60 Plätzen und einem Freisitz. Bewirtschaftet wird sie von Annemarie Kurth und Gerald Angermann. Letzterer wird über seine Party-Live-Tour für Veranstaltungen unterschiedlicher Art sorgen. Geöffnet ist von Dienstag bis Freitag ab 16 Uhr, Sonnabend und Sonntag ab 11 Uhr.

Hundegebell ertönt auf dem Gelände. Aha, auch solche Vierbeiner sind hier also zu Hause. Ich treffe den Naumburger Thomas Winkler (35). Der hat hier eine Hundeschule mit Erziehung vom Welpenalter an, mit Einzeltraining und Unterrichtung in kleinen Gruppen eröffnet. Hund und Halter werden gemeinsam unterrichtet und trainiert. Vorbild für Winkler ist dabei der durch Bücher und Fernsehen bekannte Hundetrainer Martin Rütter. Und selbstverständlich: Auch Winkler hat ein Pferd in Meyhen.

Auf dem zwei Hektar großen Gelände ist auch Platz für die Armbrust- und Bogenschützen Naumburg-Meyhen. Seit 1995 haben sie hier ihr Domizil. Pfingsten feierten sie ihr 20-jähriges Bestehen. Viola Lazarowicz, die Vereinsvorsitzende, und Ehemann Klaus zeigen mir den als Schießhalle ausgebauten Dachboden einer ehemaligen LPG-Halle. Unter urigem Gebälk sind auf Gestellen aufgereiht die unterschiedlichsten Bogen vom Hightech-Bogen, dem Compound-Bogen, bis zum Primitivbogen, dem traditionellen Holzbogen von der Art, mit der schon die Steinzeitjäger pirschten. Gejagt wird in der Halle auch. Da stehen grimmige Bären und Luchse mit funkelnden Augen im Raum, Hasen und Hirsche fehlen nicht, ebenso die Wildsau. „Alles aus Schaumstoff“, beruhigt Viola Lazarowicz. 41 dreidimensionale Tiere gehören zu diesem Wildgehege der besonderen Art, und zweimal jährlich wird in der Halle zu den großen Turnieren im Jagdschießen geblasen.

Aus den Reihen der 38 Mitglieder gehen immer wieder Meister bei Landesvergleichen, Deutschen und sogar Europameisterschaften hervor, und einmal waren sie auch bei der Weltmeisterschaft dabei. „Im Grunde sind wir aber ein Familienverein“, sagt Lazarowicz. Das Alter der Teilnehmer reicht von sechs bis 60 Jahre. Weitaus älter sind die Dinge, mit denen sich Ralf Schade und Andreas Tomm beschäftigen. Altholzsanierung und Antikhandel betreibt Schade, und Andreas Tomm hat einen Antikmöbelhof. Dort schaue ich mal rein und finde ein Stelldichein von schönen Möbeln aus Großelterns Zeiten, Truhen, Schränke, Sekretäre aller Stilepochen und manche andere Antiquitäten. „Eigentlich wollte ich hier eine Autosattlerei einrichten“, sagt Tomm. Das war noch zu DDR-Zeiten und damals gab der Betrieb den gelernten Autosattler nicht frei, und so wurde es erst 1993 was mit der Selbstständigkeit. Autosattlerei war da nicht mehr gefragt, und so richtete sich der Meyhener im Dreiseithof der Vorfahren einen An- und Verkauf von Antikmöbeln, eine Restaurierungswerkstatt sowie eine Ablaugerei für Tore, Fenster, Möbel und andere Holzteile ein.

Dreiseithöfe geben Einblicke frei

In dem schönen Dreiseithof ist eine Idylle entstanden, mit kleinem Teich, in dem bunte Kois schwimmen, und einem munter sprudelnden Mini-Wasserfall. Das hat einer Schafstelzenfamilie derart gefallen, dass sie vor Jahren in einem ebenfalls im Hof stehenden Taubenturm einzog und dreimal im Jahr brütet. Auch Bachstelzen und Schwalben haben im Grundstück eine Heimat gefunden.

Beim Rundgang durch das Dorf fallen viele gut erhaltene Grundstücke auf. Ideenreich, was aus alten Scheunen und Stallungen geworden ist. Manche der Dreiseithöfe sind nach außen verschlossen, etliche halten ihre schönen Toreinfahrten geöffnet, so dass man auf den Hof blicken kann.

Unterwegs treffe ich Bernd Bettge. Der ist stolzer Besitzer eines Cadillac, Baujahr 1976, einen jener Luxusschlitten, die für ihre ausufernden Dimensionen bekannt sind. Entsprechend sind die Maße von Bettges Cabrio: 5,70 Meter lang und 2,03 Meter breit ist das Gefährt, 235 PS hat der 8133-ccm-Motor unter der Haube. Bald nach der Wende hat Bettge den Straßenkreuzer gekauft. Fürs tägliche Fahren allerdings ist das nichts, eingesetzt wird der Cadillac für Hochzeiten und Oldtimer-Treffen.

Am Ende steht eine Vermutung

Der Meyhener ist Hobbymaler und hat nicht nur seine eigenen Gebäude, sondern auch die anderen mit Bildern aus Natur und Landwirtschaft verziert. Und - da sind wir wieder bei den Rössern - Bettge hat ein eigenes Pferd. Schließlich ist er Mitglied der Naumburger Stadtwache, deren Hauptmann 22 Jahre lang Rainer Deike war. Deike, der in Meyhen Gerüsthandel betreibt, besitzt zwei Pferde. Und so glaube ich am Ende, dass es doch mehr Pferde im Dorf gibt als die 173 Einwohner. Aber wer weiß das schon.

Hundetrainer Thomas Winkler mit „Socke“.
Hundetrainer Thomas Winkler mit „Socke“.
HDS Lizenz
Bogenschützenvereins-Mitbegründer: Viola und Klaus Lazarowicz.
Bogenschützenvereins-Mitbegründer: Viola und Klaus Lazarowicz.
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Möbelrestaurator Andreas Tomm bei der Arbeit.
Möbelrestaurator Andreas Tomm bei der Arbeit.
Hds Lizenz