Historie Historie: Bekanntes Schloss

Es war ein besonderer Tag in Steinburg - der 27. September 2014. Nach über 40 Jahren gab es wieder einen Gottesdienst in der Kirche. Besser: In den Ruinen, die von ihr noch erhalten sind. Als 1976 das „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler“ von Georg Dehio erschien, heißt es zur Dorfkirche: „Kleiner Bau des 17. Jahrhunderts aus rechteckigem Schiff und quadratischem Westturm mit geschweifter Haube und Laterne. Innen muldenförmige Holzdecke und dreiseitige Empore. Hölzerner Kanzelaltar aus der Bauzeit.“
Doch da war das schon seit zwei Jahren überholt. 1974 - so zeigen alte Fotos - wurde der Kirchturm mit starken Stahlseilen zum Einsturz gebracht und das Kirchenschiff eingerissen. „Uns hat damals das Herz geblutet“, erinnern sich alte Einwohner. „Doch was wollten wir machen?“, fragt Henning Büttner, dessen Vater damals Kirchenältester war. „Geld zum Erhalt hatte keiner. Die Kirche verfiel zusehends, und es gab Beschwerden aus dem Kinderferienlager, das damals im Schloss war, die Sicherheit der Kinder betreffend.“ Also wurde von den damaligen Entscheidungsträgern im Kreis Nebra der Abriss angeordnet. Nur Mauerreste blieben erhalten und waren zuletzt ein unansehnlicher und vom Bewuchs überwucherter Dreckhaufen.
Nicht selbstverständliche Arbeit
„Dass die Einwohner und viele Familien aus dem Dorf daran gingen, diese Reste ihrer Kirche zu säubern, sich der Unterstützung von Kirchenkreis und Verbandsgemeinde zu versichern und eine Baufirma für die handwerklich-fachlichen Arbeiten zu gewinnen, das alles ist nicht selbstverständlich, und wir können stolz und dankbar sein“, wie es Pfarrer Lutz Gitter zum festlichen Gottesdienst zum Ausdruck brachte.
Besonders gedankt von ihm und Bürgermeisterin Monika Ludwig wurde Conrad Hörich, dem Steinburger, der mit der Kirchenratsvorsitzenden Simone Klein Initiator und Motor des Ganzen war. Nun ist das einstige Kircheninnere wieder von ordentlich gesicherten Mauern umgeben. Auch der alte Taufstein steht wieder an seinem Platz, und Henning Büttner übergab dem Pfarrer die alte Wetterfahne von 1744 und die einstigen Kirchenschlüssel, die er über all die Jahre aufgehoben hatte. Es wurde ein schönes Fest. Aus Saubach waren Kirchen- und Posaunenchor zum Singen und Musizieren herauf gekommen, und die Einwohner hatten leckeren Kuchen gebacken.
Steinburg mit knapp 100 Einwohnern ist ein Dorf mit vielen gepflegten Gehöften, freilich ein wenig abseits von der Welt, im „Gebirge“ des Burgenlandkreises, auf dem Höhenzug der Finne, 276 Meter hoch. Gleich hinter dem Dorf öffnet sich die Natur in ihrer ganzen Schönheit. Jahrhundertealte Baumriesen stehen hier, Kastanien, Eschen, Eichen und Buchen. 1846 hatte der weimarsche Garteninspektor Eduard Petzold auf Geheiß des Steinburger Rittergutsbesitzers Otto von Münchhausen (1803-1869) einen Landschaftsgarten eingerichtet. Er nutzte die Lage von Dorf und Schloss auf einem Bergsporn, der an drei Seiten steil in enge, von Quellbächen durchflossene Täler abfällt. Die munter plätschernden kleinen Bachläufe vereinen sich nach Osten zum Steinbach und öffnen ein weites Tal. Kleine Teiche gehören dazu und Terrassenmauern. Der Weg zum Wald ist offen. Natur und Park sollten sich im Petzoldschen Sinne verbinden. „Der Steinburger Landschaftspark gehört zu den wertvollsten Gartenanlagen des Naturparks Saale-Unstrut-Triasland“, verkündet eine Tafel am Parkrand.
Efeu über bröselnder Fassade
Für den Herbst ist das durchaus eine Wanderempfehlung für Pflastermüde. Freilich, die große gärtnerische Hand, derer ein Landschaftspark bedarf, fehlt, wie auch der einstige Blickpunkt, das herrschaftliche Schloss seit der politischen Wende im Dornröschenschlaf liegt. Hier wuchert Efeu über bröselnder Fassade und an zerbrochenen Fensterscheiben entlang.
Auf dem Grund der ehemaligen Steinburg von dem altansässigen Geschlecht derer von Münchhausen im 17. Jahrhundert erbaut, gehörte es einst zu den historischen Sehenswürdigkeiten in der Finne-region. Nachdem die adligen Besitzer 1945 vertrieben wurden, diente es noch bis 1989 der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Kinderferienlager und wurde recht und schlecht erhalten. Danach nur noch schlecht. Den jetzigen Besitzer jedenfalls hat man schon lange nicht mehr gesehen.
Von der Terrasse des Hauses der Familie Wittwer hat man das Schloss direkt im Auge. Ein Kontrast, wie man ihn sich krasser nicht vorstellen kann, ist das liebevoll gepflegte Grundstück zum Schloss. Getrud Wittwer, die hier mit ihrem Ehemann und der Familie ihrer Tochter lebt, war von 1994 bis 2001 Bürgermeisterin in Steinburg, ihrem Geburtsort. In Ordnern sind viele Erinnerungen in Wort und Bild festgehalten. Die Wittwers gehörten auch zu jenen, die bei den Bauarbeiten zur Erhaltung der Kirchenruine Hand anlegten. Frau Wittwer erzählt von den Festen, die noch regelmäßig gefeiert werden: das Parkfest am Schlossteich, Ende Mai, Anfang Juni. „Zur Rhododendronblüte, das ist eine Pracht“, kommt sie regelrecht ins Schwärmen. Seit 30 Jahren wird das schon gefeiert. Tradition hat auch das Erntedankfest.
Klempner und Bauhandwerker gibt es im Dorf. Tradition hat die Tischlerei Knoblauch. Jörg Knoblauch (54), zeigt den Gesellenbrief vom Großvater Louis Bayer, der im April 1897 in Stößen ausgestellt wurde. Arno Knoblauch, der Nachfolgende in der Familie, lernte bei seinem Vater in Steinburg, und Tischlermeister Jörg Knoblauch übernahm 1996 den Betrieb, der vorwiegend in der Bautischlerei und im Treppenbau tätig ist.
Die Schuhwand von Steinburg
Nicht weit vom Knoblauchschen Grundstück steht ein Hoftor offen. An der Durchfahrt angenagelt sind Frauenschuhe, meist Einzelstücke, Pumps, Sandalen und Pantoletten, Ballerinas, Schuhe mit Blockabsätzen und Highheels. Gundula Diener hat dieses Hobby noch nicht allzu lange für sich entdeckt, als sie ihren Schuhschrank aufräumte und seitdem bekommt sie auch Schuhe aus dem Familienkreis und von Bekannten. 16 Einzelstücke in modischen Farben zieren inzwischen die Wand – die Schuhwand von Steinburg. Ein gänzlich anderes Hobby treibt ihren Vater Fritz Weber (77) um. Er fährt nicht nur täglich einen 1962er Trabant-Kombi, er hat noch weitere Original-Fahrzeuge, Trabant und einen Wartburg 312 (1964er Baujahr) im Stall. Wieder eine andere Freizeitbeschäftigung betreiben acht Einwohner von Steinburg, Kahlwinkel und Bad Bibra. Als Interessengruppe Angler bewirtschaften sie die zwei Teiche im Park, züchten Bach- und Regenbogenforellen sowie Bachsaiblinge. Gert und Elfriede Kummer, die direkt am kleinen Teich wohnen, betreuen die Setzlinge in den Aufzuchtbehältern. Größer geworden, kommen sie in den Schlossteich und jedes Jahr, am 1. Sonnabend im November, wird zum Fischfest eingeladen. Dann werden die Forellen, frisch gefangen, eingelegt, geräuchert und gebraten. Das ist ein Schmaus!
Still verabschieden wir uns von Steinburg auf dem gepflegten Gottesacker mit der kleinen Kapelle in der die alte Steinburger Kirchenglocke ihren Platz gefunden hat. Und die Gräber der Familie Münchhausen, deren Mitglieder über Jahrhunderte das Dorf geprägt haben und denen man nach der Wende nun eine würdige Ruhe und Gedenkstätte geschaffen hat.



