Hintergrund Hintergrund: Vom fränkischen Adelsgeschlecht von Auhausen um 1200 errichtet

Seitenroda - Die Perlrückenkröte ist in Thüringen heimisch. Auch der äußerst seltenen Schüsselechse kann man hier begegnen. Wer sie sehen will, muss das Reich „Utopia Porcellana“ besuchen. Der Weg dahin ist nicht weit und kaum beschwerlich. Eine gute Stunde Autofahrt nebst fünf bis zehn Minuten den Berg hinauf. Dann ist man ankommen und betritt eine Fantasiewelt, die zugleich den Auftakt der Porzellan-Welten auf der Leuchtenburg nahe Kahla bildet.
Im vergangenen Frühjahr mit einem Teil des Erlebnismuseums gestartet (wir berichteten im Burgenland-Journal), sind nun alle Themenräume und Exponate vollständig an Ort und Stelle. Erstmals präsentiert am vergangenen Freitag, anlässlich des Welttages des Glücks. Nur wunschlos glücklich sollte der Besucher dann wohl doch nicht sein. Schließlich widmet sich eine zweite neue Attraktion den geheimen wie großen Hoffnungen. Sieben Tage Wochenende, Gedanken lesen, der Bademantel von Udo Jürgens steht an einer Wand mit großen Lettern geschrieben. Als Vorzimmer zum Glück, das bekanntlich mit Scherben verbunden ist. Die liegen als ansehnliches Häufchen bereits unterhalb des Stegs der Wünsche, der sich 20 Meter lang über die mittelalterlichen Burgmauern hinausragend in Richtung Horizont erstreckt. Der Blick geht über die Landschaft und nach unten in die Tiefe. Einige Sekunden dauert es, bis der Porzellan-Teller zerspringt, auf dem die Wünsche in einem dunklen Raum zuvor mit Zauberstift aufgeschrieben werden kann. „Das ist ein sehr privater Ort, denn jeder hat bekanntlich einen Herzenswunsch“, sagt Ilka Kunze, Pressesprecherin der Trägerstiftung der Leuchtenburg.
In insgesamt sieben Welten erleben die Besucher nun die spannenden Geschichten des Porzellans, die emsige Suche nach der nötigen Formel sowie die langen Wege, die es einst von Asien nach Europa genommen hat, bis es schließlich in Meißen von Johann Friedrich Böttger zum ersten Mal in der Alten Welt hergestellt wurde. Später wurde jedoch Thüringen die Porzellan-Hochburg. Zwischen 1762 und dem Ende der 1920er Jahren schossen Manufakturen wie Pilze aus dem Boden, zu Höchstzeiten waren es an die 300 Fabriken. Doch die Leuchtenburg erzählt nicht nur diese Geschichten, sie macht Unmögliches möglich, stellt Rekorde auf. Der russische Künstler Alim Pasht-Han (Foto) schuf mit der Porzellanmanufaktur Reichenbach die größte Vase der Welt. Doch nicht nur ihre Höhe erstaunt. Es ist weit mehr ihre Gestaltung, die beeindruckt. 360 bemalte Einzelkacheln, sogenannte Waben, berichten mit ihren Motiven von der Entstehung der Welt und der Evolution - vom Urknall bis zur Menschwerdung. „Jede Wabe ist ein Unikat, das ganze Kunstwerk ein Spiegel des Universums“, erklärt die Sprecherin der Stiftung. Zwei Strukturen der Natur - die Hexagon-Form von Bienenwaben und die Helix-Struktur der DNA - finden sich hier wieder. Rundherum leuchten die Planeten unseres Sonnensystems auf. In der Nachbarschaft des Giganten dann ein Zwerg, das kleinste Stück aus Porzellan - eine Kanne, in der nicht einmal ein Wassertropfen passt.
Insgesamt elf Millionen Euro flossen - darunter Fördermittel des Freistaates Thüringen - in die Porzellan-Welten. „Inklusive Infrastruktur“, betont Stiftungsdirektorin Ulrike Kaiser. Neben drei neu errichteten Gebäuden wurden zwei saniert, ein Parkplatz geschaffen. Die Außenanlage kommt Ansprüchen an die Barrierefreiheit nach.
Dabei sah die Leuchtenburg noch bis vor einigen Jahren einer ungewissen Zukunft entgegen. Leerstehend sollte sie versteigert werden. Doch Sven-Erik Hitzer, umtriebiger Unternehmer und Besitzer des ersten Bio-Hotels in Sachsen, hob 2007 eine Stiftung aus der Taufe. Von da an ging es Schlag auf Schlag - trotz skeptischer Stimmen, die es gab. Die Krönung des Ganzen: der Marketing-Award des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, auf der ITB in Berlin verliehen. Die Leuchtenburg hat sich zum Ziel gesteckt, das Zentrum der Thüringer Porzellan-Industrie zu werden. Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen spiele dabei eine ganz wesentliche Rolle, so Ilka Kunze: „Wir denken als Netzwerk.“ Der kommende Tag des Porzellans am zweiten Aprilwochenende (siehe Beitrag linke Spalte) sei eines dieser besonderen Ergebnisse.
Obwohl die Anlage auch nach der Eröffnung der ersten vier Porzellan-Welten einer Baustelle glich und noch bis zur Eröffnung an vielen Stellen gewerkelt wurde, konnte die Stiftung die Besucherzahlen in die Höhe bringen. Allein im vergangenen Jahr kamen 25 000 Gäste mehr, das ist ein Plus von mehr als 50 Prozent. Und die Ideen reißen nicht ab. Im kommenden Jahr soll eine Porzellankirche entstehen. 2016 ist zudem die Errichtung eines Schrägaufzugs geplant, der gehbehinderte Besucher vom Parkplatz direkt ins Museum und damit auch zu Schüsselechse und Co. bringen wird - die zeigen, dass die Suche nach dem Porzellan noch immer eine fantastische ist.

