Hintergrund Hintergrund: Niedriger Alkoholgehalt, feiner Honigton

Bad Kösen/Goseck - Die Blätter an den Stöcken waren fahlgelb, die Trauben schrumpelig, leicht faulig. Im Supermarkt würde sie keiner kaufen. Und trotzdem wurden sie sorgsam gelesen. „Die letzte heurige Ernte soll eine edelsüße Qualität bringen“, sagt Franziska Zobel. Zu ihr, der Önologin und Weinbauleiterin im Landesweingut Kloster Pforta, sind wir den beschwerlichen Weg über ausgetretene und ausgewaschene Stufen auf die dritte von vier Terrassen im Gosecker Dechantenberg gestiegen. Eine Art Himmelsleiter, über die schon die Gosecker Benediktiner kletterten. Mehr als 900 Jahre nach ihnen wird noch immer Wein angebaut, und dort, knapp 100 Meter über dem Saaletal, wurde am Wochenende der Schlusspunkt unter die heurige Lese im Weingut gesetzt.
Von den letzten, den schrumpeligen Trauben, erwarten Winzer und Kellermeister nun Großes. „Alles wurde handverlesen, kam in Eimer und kleine Wannen. Die Edelfäule konzentriert auf natürliche Weise die Süße, Säure und Aromen der Weine“, erläutert Zobel. Sie ermittelte Öchslegrade zwischen 120 und 130. Das sind die Maßstäbe für eine Beerenauslese. Gelesen wurde Riesling. Diese Traubensorte bringt mit ihrer Säure als geschmackliches Gegengewicht zur konzentrierten Süße die feinsten Beerenauslesen hervor. Eine besondere mineralische Note kommt zudem aus dem Bundsandstein des Gosecker Dechantenberges. Trauben von 6000 Stöcken pflückten die Winzer und Winzerinnen. Susanne Rothe, die Weinprinzessin aus Laucha, war darunter. Die junge Frau lernt Weinküferin und macht ein Praktikum im Weingut. Mit ihrer Nachbarin in der Rebenreihe, Angela Diermeyer, die sich zur Winzerin in Bad Kösen ausbilden lässt, schaute sie jede Traube genau an. Da wurde streng selektiert. Was hier geerntet wird, kommt direkt in die Traubenpresse. Die Beerenauslese soll im Landesweingut die diesjährige Krönung sein. „Eine Eisweinlese“, sagt Franziska Zobel, „ist bei uns in diesem Jahr nicht vorgesehen.“
Mit 50 Hektar Anbaufläche ist das Landesweingut Kloster Pforta das größte Weingut an Saale-Unstrut. Der sonnenverwöhnte Gosecker Dechantenberg gehört zum Tafelsilber. „Er ist der älteste durchgehend bewirtschafte Weinberg der Region“, erklärt Winzerchefin Zobel. 1080 wurde er bereits erwähnt. Die Benediktinermönche von Goseck haben ihn angelegt. Nach 1900 sorgte er für Aufsehen in der deutschen Winzerlandschaft - als Versuchsweinberg für resistente Sorten bei der Reblausbekämpfung.
Leicht dunstig ging am Wochenende der Blick in die Landschaft. Schloss Goseck auf Hanghöhe, unten die Saale mit Wiesen, Feldern und Streuobstwiesen. Im Welterbeantrag der Region ist der Berg Bestandteil der historischen Kloster- und Gutslandschaft. Insgesamt wachsen auf drei Hektar Dechantenberg außer Riesling auch Silvaner und Weißburgunder. Freilich, die Bewirtschaftung ist schwierig auf vier hohen Terrassen, die durch drei Treppenanlagen verbunden sind. Zudem sind ständige Werter-haltungen an den Trockenmauern notwendig. „In diesem Jahr“, sagte Franziska Zobel, „haben wir im unteren Bereich mit der Sanierung begonnen. Das wird im nächsten Jahr fortgesetzt. Das ist schon eine große Aufgabe.“