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Hintergrund Hintergrund: Herrschersitz Verwaltung Irrenhaus und Jugendherberge

06.05.2014, 15:12
Stapelei: Objekt in der Sonderschau „Weißes Gold vom Meeresgrund“.
Stapelei: Objekt in der Sonderschau „Weißes Gold vom Meeresgrund“. Hellfritzsch Lizenz

Das Glück kommt mit den Scherben. Vielleicht auch der erhoffte Lottogewinn, die Liebe des Lebens, Gesundheit und Erfolg im Beruf. Im Gegensatz zum zerbrochenen Spiegelglas knüpfen sich an das Porzellan Wünsche. Und manch weitere spannende Geschichte rankt sich um das weiße Gold. Wie es im fernen China entstanden ist, im Mittelalter auf langen Handelsrouten von Asien nach Europa kam, am sächsischen Hofe August des Starken nach dessen Formel eifrig experimentiert wurde. Heute ist das kostbare Gut früherer Zeiten aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken - fernab von Omas Sammeltassen in der Glasvitrine.

All jene Geschichten erzählt die neue Dauerausstellung „Porzellanwelten“ auf der Leuchtenburg nahe Kahla. Nicht nur mit einer Vielzahl an historischen und modernen Exponaten, sondern auf eine zauberhafte Art, die staunen lässt. Vier sogenannte Porzellan-Welten sind bisher entstanden, drei weitere Attraktionen werden folgen. Wie das Archiv der Wünsche mit einer 7,90 Meter hohen und damit der größten Vase der Welt. An der Burgmauer entsteht derzeit der sogenannte Steg der Wünsche, der 20 Meter hinausragen und über der Landschaft schweben wird. In der Kapelle soll das weiße Gold ab dem Frühjahr 2015 auf sakral-künstlerische Weise präsentiert werden. Porzellan trifft auf Mittelalter, Geschichte auf Moderne. Begegnungen, die der Leuchtenburg eine hoffnungsvolle Zukunft geben sollen. Eine Zuversicht, die nicht immer bestanden hatte. Denn die historische Stätte nahe Kahla, rund 400 Meter über den Meeresspiegel gelegen, erlebte nicht nur eine wechselvolle Geschichte (siehe „Hintergrund“), sondern stand nach der Schließung der dortigen Jugendherberge 1997 vor einer ungewissen Zukunft und 2007 zum Verkauf. „Weite Teile der Burganlage waren leergeräumt. Es gab einen großen Investitionsrückstand“, erinnert sich Direktorin Ulrike Kaiser.

Rettung kam wie in vielen Fällen, in denen eine historische Stätte verfällt, mit einer gemeinnützigen Stiftung und dessen Stiftungsvorstand Sven-Erik Hitzer. Der Pächter der Burgschänke und Besitzer des ersten Bio-Hotels in Sachsen brachte mit 50 000 Euro eigenes Vermögen in die Stiftung. „Wir waren arm an Kapital, aber reich an Ideen“, bemerkt die Direktorin. Eine Rundreise durch Europa, die unter anderem nach Frankreich und in die Schweiz führte, setzte den Grundstein für die Verwirklichung einer besonderen Vision: die Leuchtenburg als Kompetenzzentrum für die Porzellan-Herstellung. Nicht nur wegen der burgeigenen Sammlung an wertvollen Stücken. Denn nur wenige wissen: Auch wenn in Meißen dank Johann Friedrich Böttger das erste Porzellan in Europa entstanden ist. In Thüringen schossen zwischen 1762 und 1929 die Manufakturen wie Pilze aus dem Boden. 300 waren es zu Höchstzeiten. Zwei Unternehmen in Hermsdorf und Kahla galten als Weltmarktführer in der Herstellung von Isolatoren aus Porzellan sowie Gebrauchsgeschirr für die Gastronomiebranche. Heute existieren noch 40 Unternehmen, die ebenfalls in der neuen Dauerausstellung Erwähnung finden.

Insgesamt flossen 14 Millionen Euro, auch Mittel des Freistaates, in die Umgestaltung. Mit den realisierten Entwürfen dreier namhafter Ausstellungsbüros wird die Exposition der Faszination und des Mythos des Porzellans mehr als gerecht. „Wir wollten die Staubschicht wegwischen, die auf diesem Thema liegt“, betont Ilka Kunze, Sprecherin der Stiftung. Besucher treten ein in eine magische Welt. Sie verfolgen in einem Schattentheater die Anfänge des weißen Goldes, um in der Schatzkammer nach den richtigen Komponenten für die Herstellung zu stöbern, die Zutaten abzuwiegen und mit Hilfe des Blasebalgs den Brennofen in Gang zu halten. Viele Sinne werden angesprochen. In der Wunderkammer bewegen sich scheinbar leblose Dinge wie von Zauberhand, die es zu betrachten gilt. Auf einer prunkhaften Tafel wird via Film das zeremonielle Dinieren ebenfalls vor Augen geführt. Der Duft von Holz, Brennstoff und damit eine wichtige Voraussetzung für die Herstellung des Porzellans, kann genossen werden. In den alten Räumen der Burg wird noch ein Porzellan-Café eingerichtet. Speis und Trank auf gutem Geschirr bietet das Besucherzentrum, auf irdenen Tellern die Burgschänke.

Für das Erlebnis mit der Begegnung von Porzellan und Mittelalter sollte indes genug Zeit eingeplant werden. Denn auch die malerische Gegend mit Wanderwegen, die weiten Blicke in das Land und die historische Burganlage an sich bieten viel Raum und Gelegenheiten für Entdeckungen. Ob auf dem Burgturm, im Keller oder eben an jener Stelle, wo Wünsche wahr werden. Auf Geschirr können diese persönlichen Hoffnungen geschrieben werden. Der Teller segelt dann in die Tiefe. Bisher noch in einem Gewölbe der Burg, ab Juni dann vom Steg der Wünsche.

Prunk und Glamour: Das Porzellan veränderte die Tischkultur. In früheren Zeiten war das weiße Gold nur den gut Betuchten vorbehalten.
Prunk und Glamour: Das Porzellan veränderte die Tischkultur. In früheren Zeiten war das weiße Gold nur den gut Betuchten vorbehalten.
Nicky Hellfritzsch Lizenz
In der Schatzkammer beginnt die Suche nach den richtigen Zutaten.
In der Schatzkammer beginnt die Suche nach den richtigen Zutaten.
Hellfritzsch Lizenz
Blick in die Arbeitsstube eines Porzellanmalers.
Blick in die Arbeitsstube eines Porzellanmalers.
Hellfritzsch Lizenz