Gefängnis Gefängnis: Beinamen durch Kriminalfall
Matzturmstadt, so wird Osterfeld häufig genannt. Der seltsame Beiname kommt vom Bergfried, dem Wahrzeichen der Kleinstadt, und hat vermutlich weder etwas mit der kindlichen Bezeichnung für ein Schwein noch mit der ostmitteldeutschen Bezeichnung für Quark zu tun, der im Mittelalter als Bestandteil des Kaseinmörtels auch im Burgenbau verwendet wurde. Vielmehr, so fand im 20. Jahrhundert Heimatforscher G. Genz heraus, steht der Name des Burgturms
wohl im Zusammenhang mit einem speziellen Kapitel der Osterfelder (Kriminal-)Geschichte. Ein Matz Steinmetz, auch Bettelmatz genannt, hatte 1575 auf dem Osterfelder Jahrmarkt seine Geliebte erstochen und war dafür zum Tode verurteilt worden. Bis zu seiner Hinrichtung mit dem Schwert saß der Delinquent dann im Bergfried ein, wodurch dieser wahrscheinlich im Volksmund den Namen Matzturm erhielt.
So viel erst einmal zur Vergangenheit des Turmes. Als Verlies für allerlei Spitzbuben dient er schon lange nicht mehr, aber als lebendiges Baudenkmal spielt dieser Teil einer einst stolzen Feste auch heute noch eine wichtige Rolle im Stadtleben. "Vor einem Jahrzehnt", so blickt Bürgermeister Gerd Seidel (SPD) bei einem Stadtrundgang mit Tageblatt / MZ zurück, "wurde seine Außenhaut erneuert, in den letzten Jahren erfolgte die Sanierung des Turminneren." So stand die denkmalgerechte Instandsetzung der 120 Jahre alten Treppenanlage an. Insgesamt wurden in den Turm 64 000 Euro investiert, davon 47 000 Euro Fördermittel vom Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung und Forsten. Großen Anteil an der bis Mitte 2009 laufenden Erneuerung hatte der unter Vorsitz von Gerhard Burkhardt agierende Denkmalförderverein, der extra für die Erhaltung des mittelalterlichen Profanbaus gegründet wurde.
Und die Arbeiten auf dem Gelände der früheren Feste gingen weiter. So können sich Heiratswillige in historischem Ambiente, in einem auf dem Burghof stehenden Umgebindehaus, trauen lassen. "Das wurde jedoch nicht im Mittelalter und ursprünglich auch nicht in Osterfeld errichtet", ist von Karlheinz Hoppe,Vorstandsmitglied des Heimatvereins, zu erfahren. Vielmehr, so zeigten Holzuntersuchungen, stammt es aus dem frühen 19. Jahrhundert, aus der Zeit der napoleonischen Kriege. Und errichtet hatte man es seinerzeit in Profen. Das Haus wurde dort seit vielen Jahren nicht mehr genutzt, sein Verfall drohte. In Osterfeld aber, wo ein ähnlich altes, nicht mehr sanierungsfähiges Gebäude auf dem Burghof abgerissen werden musste, konnte man das Umgebindehaus gut gebrauchen, so als Heimstatt für städtische Vereine.
Was die Rettung des berühmten ägyptischen Abu-Simbel-Tempels vor den Fluten des Nasser-Stausees ermöglichte - seine Zerlegung in Einzelteile und der Aufbau an einem höher gelegenen Ort - wurde seit 2006 im kleineren Maßstab bei diesem Gebäude wiederholt. Die letzten Wiederaufbauarbeiten wurde im November vergangenen Jahres beendet. Nun stehen weitere Innenausbauten an, so der Bau einer Treppe zum Bodengeschoss oder der Einbau von Türen und Dielen in der zweiten Etage. Diese Maßnahmen sollen laut Seidel aber nicht aus dem in den roten Zahlen stehenden Stadthaushalt, sondern über Zuwendungen von Sponsoren finanziert werden.
Mittelalterliches Flair prägt nicht nur den Burgbereich, sondern auch viele Gassen der Kleinstadt. Was für Osterfeld Segen und Fluch zugleich ist. Bedeutet doch der Bestand an alten Gebäuden auch großen Sanierungsaufwand. Im dritten Anlauf kam der Ort 2000 in die Stadtsanierung. Vieles wurde dabei erreicht, so Dach und Außenhaut des Rathauses erneuert oder das nicht mehr sanierungsfähige alte Becken des Sommerbads in ein Naturschwimmbad umgebaut.
Ebenso zeugen zahlreiche Privatgebäude vom Erneuerungswillen der Osterfelder. Das Stadtoberhaupt verweist allerdings bei der Stippvisite auf vier private Häuser an der Nordseite des Marktes, die ihm Sorgen bereiten. Die stehen seit Jahren leer und verfallen zunehmend. Mit einem Weißenfelser Planungsbüro will er Konzepte zur städtebaulichen Zukunft des Areals entwickeln. Denkbar wäre ein Aufkauf der Flächen, auf denen diese Ruinen stehen, und ein Abriss der maroden Gebäude. Das Gelände könnte dann für Neubauten genutzt werden. Wie die Sache allerdings finanziert werden könnte, ist angesichts des defizitären Stadthaushaltes noch offen. Hier hofft Seidel ähnlich wie andere Bürgermeister, dass mit der schon seit langem angemahnten Änderung des Finanzausgleichsgesetzes der Stadt vom Land endlich wieder die notwendigen Mittel zur Erfüllung der dringlichsten Aufgaben zur Verfügung gestellt wird.
Sorgenkind Nummer zwei sind die erneuerungsbedürftigen Straßen. Deren Sanierung soll gemeinsam mit der Verlegung von Abwasserkanälen erfolgen, und diese Arbeiten hatten sich nicht wegen fehlender Fördermittel für den Abwasserzweckverband (AZV) Naumburg immer wieder verzögert. Vor wenigen Tagen fiel nun der Startschuss für eine Gemeinschaftsbaumaßnahme mit dem AZV in der Borngasse, bei der auch eine Trinkwasserleitung verlegt wird.
Da weiter vorn von Vereinen die Rede war: Geselliges wie sportliches Leben wird in Osterfeld ganz groß geschrieben. Insgesamt existieren in der Kleinstadt 26 Vereine. Heimat- und Denkmalförderverein wurden ja schon erwähnt. Ebenso genannt werden muss, um nur ein Beispiel aus der Fülle zu nennen, auch der FSV Grün-Gelb Osterfeld. Dessen Kicker haben keine Angst vor großen Namen. Wollen sie doch bald in einem Freundschaftsspiel sogar gegen Schalke 04 antreten.
Und musiziert wird in Osterfeld natürlich ebenfalls. Und das nicht nur im Fanfarenzug, sondern auch in der Band "Mixtur". Hier spielt neben dem Stadtoberhaupt Hubertus Just mit, ein Urgestein der Zeitzer Rockmusikszene. Er steht aber zugleich für die vielfältigen handwerklichen Traditionen im Ort.
In vierter Generation führt er den seit 1893 in der Naumburger Straße ansässigen Familienbetrieb weiter, den es aber an anderer Stelle der Stadt schon lange Zeit vorher gab. Just trotzte allen Bemühungen der DDR-Oberen, seine Privatfirma in die Zeitzer PGH Holz einzugliedern, verkleinerte vielmehr den Betrieb und blieb selbstständig. Seine Vorfahren haben sich unter anderem bei der Holzkonstruktion des Turms der Probsteikirche verewigt, er selbst einen guten Ruf als Möbel-Restaurator erworben. "Daneben", so der Meister, "führe ich aber auch Reparaturarbeiten aller Art aus, so an Fenstern oder Türen." Ebenso gehört das Anfertigen von Vertäfelungen oder Parkettfußböden zu seinem Metier.