Fakten Fakten: Halle-Hohenthurm

schellsitz - Am Eingangsschild vor Schellsitz erfolgt die Übergabe. Vor, hinter und neben Elke Rödde und Loreen Kieshauer ist Wasser. Die eine trägt weiße Gummistiefel, die andere leichte Turnschuhe. Ein gelbes Postauto parkt auf der Straße zum Naumburger Ortsteil neben einem roten Handwagen. Ein Schwung Briefe, die Zeitschrift des ADAC und einige Päckchen nimmt Elke Rödde in Empfang. Die 54-jährige Zustellerin hat in den vergangenen Tagen schon ihren Heimatort mit Post versorgt - seit Schellsitz vom Hochwasser umschlossen ist. „Außer Montag, da lief nichts“, bemerkt sie. Noch Dienstag und Mittwoch mit dem Fahrzeug der freiwilligen Feuerwehr unterwegs, wird sie nun mit dem rustikalen Handwagen - ebenfalls in Feuerrot - durch die Straßen ziehen. „Es ist erstaunlich, wie schnell das Wasser zurückgeht. Das nächste Mal wird die Zustellung normal erfolgen, heute gehe ich noch zu vier, fünf schlimmen Häusern“, erzählt sie.
Seit Mitte der 80er Jahre ist sie zudem als Feuerwehrfrau aktiv. In den vergangenen Tagen war sie zur zweistündigen Deichwache eingeteilt. Die Stimmung im Dorf sei trotz des Hochwassers gut. Weil vor allem der Zusammenhalt stärke. Viel Hilfe erhielten die Einwohner dabei auch von den Wehren der Umgebung. Während die Schellsitzerin - ihr angestammtes Zustellrevier ist der Westen Naumburgs und Roßbach - das Hochwasser der vergangenen Tage kennt, ist der Anblick von überfluteten Feldern und Straßen und in Wasser stehenden Häusern und Gartenlauben für die 31 Jahre jüngere Kollegin nahezu Neuland. Beide plaudern nur kurz, denn Loreen Kieshauer muss weiter. Sie bekommt von ihrer Kollegin zwei Briefe - der Inhalt des Schellsitzer Briefkastens. Nicht viel, aber verständlich bei der Lage. „Wir sind mit dem Wasser vertraut, aber so schlimm habe ich es noch nicht erlebt. Dabei dachten wir, schon 1994 war furchtbar“, sagt Elke Rödde. Während in ihrem Haus „nur“ der Keller mit seinem „gestampften Lehmboden“ betroffen ist, haben andere viel mehr verloren. Sie kennt die schlimmsten Fälle. Besonders wehmütig wird sie mit Blick auf das Bürgerhaus, beliebter Treffpunkt der Einwohner. „Das wurde voll erwischt.“ Vor dem Eingang des Hauses liegen Sandsäcke, sogar im Feuerwehrgebäude steht Wasser. Auch daran läuft sie während ihrer Tour mit dem voll beladenen Handwagen vorbei. Sie kennt jede Adresse, hatte einst in der Poststelle vor Ort gearbeitet. Das Dorf wirkt nahezu idyllisch unter einem blauen Himmel mit Blick zur Schönburg und Goldfischen sowie Kois, die sich im Wasser tummeln. „Und was das für Brummer sind“, beschreibt Elke Rödde die unfreiwilligen Ausreißer.