Dorfreport Dorfreport: Zwischen Ehre und Knast

Seit dem 12. Jahrhundert wurde in der Region um Freiberg in Sachsen Silberbergbau betrieben, und noch im 19. Jahrhundert kam ein Drittel der gesamten Silberproduktion in Deutschland aus diesem Raum. Die Stadt am Nordfuß des Osterzgebirges, auf einer Hochfläche westlich der Freiberger Mulde, zählt heute 41000 Einwohner und ist die Kreisstadt des Landkreises Mittelsachsen. Die „Silberstadt Sachsens“ bildete mit dem Bergbau und Hüttenwesen über Jahrhunderte hinweg das ökonomische Rückgrat von Sachsen und schuf mit zahlreichen wissenschaftlichen Innovationen sowie technischen Entwicklungen die Grundlage nicht nur für die Industrialisierung in Mitteldeutschland, sondern setzte auch international maßgebliche Akzente. Inmitten einer vielfältigen Kulturlandschaft, die untrennbar mit einer über 800-jährigen Bergbaugeschichte verbunden ist, steht Freiberg an der Spitze in einer Region, welche sich 2011 auf den Weg gemacht hat, Unesco-Welterbe zu werden. Das länderübergreifende Projekt, gemeinsam mit Tschechien, heißt „Montane Kulturlandschaft Erzgebirge/Krušnohori“. 35 Städte und Gemeinden haben sich auf diesem Weg zum Welterbe zusammengeschlossen und werben unter dem Motto „Erzgebirgisch - Ein Lebensgefühl wird Weltkulturerbe“.
Gaststätten und Cafés gut besucht
Die Stadt ist gerappelt voll an diesem Adventswochenende. Einer der zweifellos schönsten Weihnachtsmärkte Deutschlands auf dem historischen Obermarkt lockt, ebenso die Aufführung des Weihnachtsoratoriums im Dom und die Bergparade am späten Nachmittag. Auf der über 500 Quadratmeter großen künstlichen Eisbahn im Innenhof des zentral gelegenen Schlosses Freudenstein - einer Initiative der Stadt Freiberg mit der ortsansässigen Wirtschaft - tummeln sich die Schlittschuhläufer.
Zahlreiche Geschäfte haben auch noch am späteren Abend geöffnet und präsentieren eine große Warenvielfalt, die einer Großstadt ähnelt. Die Gaststätten und Cafés sind überfüllt, und überall hört man unterschiedlichste Sprachen und Dialekte. Geduldig auf einen Platz im alteingesessenen „Café Hartmann“ wartend, freue ich mich auf einzigartige Schleckereien wie Freiberger Bauerhase und Freiberger Eierschecke.
Freiberg hat beachtliche Teile des alten Stadtbildes bewahrt und verfügt mit über 500 historischen Einzeldenkmalen in einer beeindruckenden Bandbreite über einen einzigartigen Schatz. Der Freiberger Dom „St. Marien“ mit seiner berühmten „Goldenen Pforte“ als ehemaliges Westportal aus der Zeit der Romanik, zählt zu den bedeutendsten Kirchenbauten Deutschlands und ist mit seiner Innenausstattung ein Kleinod europäischer Kultur. Die heutige Gestalt des Doms wird wesentlich durch den Wiederaufbau nach einem verheerenden Stadtbrand 1484 bestimmt. Die erhaltene außergewöhnliche romanische Kreuzigungsgruppe um 1230 gehört ebenso zu Ausstattung, wie die beiden nebeneinander befindlichen steinernen Kanzeln, die Tulpen- und die Bergmannskanzel. Die Fürstenloge wurde vom Dresdener Baumeister Pöppelmann geschaffen, der auch den Zwinger erbaute.
Weltberühmt ist der Freiberger Dom auch durch seine große Silbermannorgel. 1711 hatte der berühmte Orgelbaumeister seine Werkstatt und seinen Lebensmittelpunkt nach Freiberg verlegt und baute hier seine größte Orgel, die 1714 übergeben wurde. Weitere vier Orgelbauten folgten alleine in der Stadt Freiberg. Während der Arbeit an seiner großen Orgel im Freiberger Dom nahm Silbermann 1713 einen jungen Mann kostenlos als Lehrling auf, Zacharias Hildebrandt (1688-1757). Der begnadete Schüler, der seinem Lehrmeister bald ebenbürtig wurde, fertige in der Naumburger Stadtkirche St. Wenzel wiederum seine größte und bedeutendste Orgel. Bei der Abnahme im sächsischen Naumburg trafen der Freiberger Gottfried Silbermann und Johann Sebastian Bach 1746 aufeinander, um gemeinsam ein knappes, aber äußerst wohlgefälliges Urteil über die Hildebrandt-Orgel in Naumburg zu geben. Silbermann verblieb bis zu seinem Lebensende in Freiberg, prägte maßgeblich die Orgellandschaft in Sachsen und setzte Maßstäbe für den Orgelbau in Europa.
Neben den zahlreichen herausragenden Ausstattungsteilen im Freiberger Dom ist nach millionenschwerer Sanierung die Grablege der Wettiner im Hohen Chor des Doms ein absolutes Glanzstück europäischer Kultur. Im Ausgang der Reformationszeit entstand hier eine Begräbniskapelle für die albertinischen Wettiner, die Herzöge und Kurfürsten von Sachsen, welche über Jahrhunderte auch die Herrschaft über einen Großteil des heutigen Burgenlandkreises ausübten. Der ab 1505 auf Schloss Freundenstein in Freiberg residierende Heinrich der Fromme (1473 –1541), später Herzog von Sachsen, wurde als erster der Wettiner im Freiberger Dom beigesetzt. Unter seiner Regierung wurde die Reformation der Kirche in Sachsen vollzogen und der evangelische Protestantismus als Staatsreligion eingeführt. Einer der bedeutendsten Wettiner prägte damit das Land Sachsen nachhaltig bis zum heutigen Tage. Weitere 37 Nachfolger und Familienangehörige wurden in der wettinischen Begräbniskapelle beigesetzt, darunter auch die in Freiberg geborenen Söhne von Heinrich dem Frommen, Moritz und August.
Gründer dreier Landesschulen
Moritz von Sachsen (1521–1553) wurde 1541 nach dem Tode seines Vaters Herzog von Sachsen. Während seiner relativ kurzen Regierungszeit gründete der sächsische Herzog unter anderem die drei Landesschulen in Schulpforte, in Meißen und schließlich in Grimma. Sein sächsisches Landesschulmodell brachte nicht nur zahlreiche herausragend ausgebildete Absolventen hervor, sondern wurde auch Muster für weitere Schulformen dieser Art in Deutschland. Im Ergebnis des „Schmalkaldischen Krieges“ wechselte 1547 die Kurwürde (das Recht, den deutschen König zu wählen) von den ernestinischen Wettinern an die albertinischen Wettiner. Moritz von Sachsen wurde damit der erste sächsische Kurfürst innerhalb der albertinischen Linie. Tödlich in der Schlacht bei Sievershausen verwundet, wurde sein Leichnam nach Freiberg verbracht, während sein Herz und die Eingeweide im niedersächsischen Sievershausen bei Hannover verblieben.
Freiberger Dom, www.freiberger-dom.de (Besichtigung der Begräbniskapelle nur mit Führung !); Stadt- und Bergbaumuseum, Am Dom 1, www.museum-freiberg.de; „terra mineralia“, Schloss Freudenstein, Schlossplatz 4, www.terra-mineralia.de;
Unschlagbar: „Konditorei & Café Hartmann“, Petersstraße 1A, www.cafe-hartmann.de; empfehlenswert: Restaurant „Himmel und Hölle“, Nikolaigasse 1, www.himmelundhoelle-freiberg.de; für junge Leute: TU Bergakademie Freiberg, Tag der offenen Tür am 15. Januar.
Überaus imponierend ist das Kenotaph für Moritz von Sachsen in der Mitte der Begräbniskapelle, welches sein Bruder August in Antwerpen von namhaften Meistern anfertigen ließ und das als eine der prächtigsten Anlagen dieser Art aus der Epoche der Renaissance erhalten blieb. Seit 2010 wieder im Freiberger Dom präsentiert ist auch der Harnisch des Kurfürsten Moritz mit dem Einschussloch, welchen er in der Schlacht trug.
Aufsehen erregte in der jüngsten Vergangenheit die künstlerische Ausstattung der Begräbniskapelle. Bei Restaurierungsarbeiten wurden 30 original erhaltene Musikinstrumente aus der Spätrenaissance identifiziert, die vor über 400 Jahren dick mit Goldbronze überfasst worden waren.
Kurfürst August von Sachsen (1526-1586), der seinem Bruder als Kurfürst nachfolgte, ist mit Naumburg nicht nur als langjähriger Landesherr und „Postulierter Administrator des Stifts Naumburg“ verbunden. Seine Titelaufzählung und sein Name prangen auch nach der jüngsten Restaurierung des Naumburger Rathauses weiterhin als Schriftband am Gebäude. Der 1554 in seiner Regierungszeit besiegelte „Naumburger Vertrag“ regelte maßgeblich die Besitzverhältnisse zwischen der albertinischen und ernestinische Line des Hauses Wettin und beeinflusste die territorialen Strukturen von Sachsen und den thüringischen Kleinstaaten.
3500 Mineralien aus aller Welt
Das ehemalige Residenzschloss der Wettiner in Freiberg, das Schloss Freudenstein, wo die beiden sächsischen Kurfürsten Moritz und August geboren wurden, hatte 2003 die Stadt Freiberg aus Landesbesitz erworben. Seit 2008 befindet sich im Schloss das Sächsische Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, eine gastronomische Einrichtung und „terra mineralia“, eine Mineralienausstellung der TU Bergakademie Freiberg. In dieser werden über 3500 der schönsten Mineralien und Edelsteine aus allen Kontinenten präsentiert. In den vergangenen Jahren durch die umfangreiche Leihgabe einer Privatsammlerin aus der Schweiz maßgeblich erweitert, ist sie eine der größten Spezialsammlungen der Welt und ein echter Besuchermagnet. Seit 2012 wird diese Präsentation durch eine weitere Ausstellung deutscher Mineralien im benachbarten Krüger-Haus ergänzt.
Nicht nur der „Vater der Mineralogie“ und Begründer der modernen geologischen Wissenschaften, Abraham Gottlob Werner (1749-1817), studierte in Freiberg an der angesehenen „Kurfüstlich-Sächsischen Bergakademie zu Freiberg“, sondern auch zahlreiche prominente Wissenschaftler, wie Alexander von Humboldt oder Georg Friedrich von Hardenberg, der später als Novalis in die Literaturgeschichte einging. Inzwischen als „Technische Universität Bergakademie Freiberg“ ist diese Universität die älteste noch bestehende montanwissenschaftliche Bildungseinrichtung der Welt. 1765, also vor genau 250 Jahren, bestätigte Prinz Xaver von Sachsen die Pläne der beiden Begründer dieser akademischen Bildungseinrichtung. Neben Friedrich Wilhelm Oppel war das Friedrich Anton von Heynitz (1725-1802), ein Absolvent der Sächsischen Landesschule Pforta. Er hatte in Dresden studiert und sich mit dem Berg-, Hütten- und Salinewesen in Freiberg und Kösen beschäftigt.
Die Vorbereitungen auf den großen Jahrestag der Technischen Universität Bergakademie Freiberg laufen derzeit auf Hochtouren in einer Stadt mit erstaunlicher Kulturvielfalt, zahlreichen alten Traditionen, einer bekannten Biermarke und vor allem mit einer jung gebliebenen, modernen Universität. Inzwischen darf sich Freiberg auch amtlich als Universitätsstadt bezeichnen. „Glück auf“ für Jubiläum und Welterbeliste!


