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Dorfreport Dorfreport: Alles Pferd oder was?

Von hans-dieter speck 12.06.2015, 08:26
Stefan Hodel restauriert in Steigra einen IFA F8. Im Krankenwagen-Look ist er eine automobilhistorische Rarität.
Stefan Hodel restauriert in Steigra einen IFA F8. Im Krankenwagen-Look ist er eine automobilhistorische Rarität. Peter Wölk Lizenz

Das Auto ist aus Holz. Zu großen Teilen. Weiße Bretter, nebeneinander auf einen Rahmen geschraubt. Oben drauf eine Spanplatte. Ein Holzdach. Mit Lederbezug. So wurden also früher Autos gebaut. Die zwei Fenster links und rechts an den Seiten hat wahrscheinlich ein Tischler eingepasst, und kein moderner Fließbandroboter. Milchglas mit jeweils einem roten Kreuz. Ein Krankenwagen der Holzklasse steht in der Werkstatt von Kfz-Meister Stefan Hodel in Steigra.

Dass es ein Oldtimer ist, sogar ein ziemlich alter, sieht man auf den ersten Blick. Der große Motorraum mit den Schlitzen an der Seite, das prägnante Fahrgestell - heute sieht das edel und gediegen aus. Man kennt diese Autos aus alten Filmen oder Wochenschauen aus den 30er oder 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Doch der Krankenwagen in Hodels Werkstatt ist Baujahr 1953. Es ist ein IFA F8, das Allroundfahrzeug der frühen DDR. Zwischen 1949 und 1955 liefen davon im VEB Kraftfahrzeugwerk Audi in Zwickau, einem Vorgänger des VEB Sachsenring, geschätzt rund 26000 Exemplare vom Band. Den IFA F8, einen fast identischen Weiterbau des in Zwickau bereits in den 1940er Jahren hergestellten DKW F8, gab es als Limousine, als Cabrio, als Luxus-Karosse, als Kasten- und eben als Krankenwagen.

Karl-Heinz Bauch hat sie als kleines Kind noch fahren sehen. Der 65-Jährige ist engagiert im Traditionsverein des Deutschen Roten Kreuzes in Altenburg (Thüringen). Er und seine Mitstreiter haben Stefan Hodel den Auftrag gegeben, den Oldtimer zu restaurieren. „Der F8 war ein einfaches Krankentransport-Auto“, sagt er. Ausgeklügelte Rettungswagen wie heute gab es damals noch nicht. Eine Pritsche auf der Beifahrerseite, das war’s.

Mehr Platz ist da auch nicht im F8. „Früher ging es einfach rein mit dem Verletzten und ab“, sagt Karl-Heinz Bauch. Ohne Blaulicht, nur mit einem sogenannten Zweiklanghorn. Das klingt, als ob ein heiserer Boxer bellt, als Stefan Hodel es kurz durch die Werkstatt schallen lässt. Nur zehnmal so laut. Das Horn dürfte seinen Effekt auf den Straßen der 50er-Jahre nicht verfehlt haben. Hodel hat es sich, wie viele andere Teile auch, mühsam besorgt, so originalgetreu wie möglich. „Allein die Messing-Schlitzschrauben waren gar nicht so einfach zu kriegen“, sagt er. Akkurat senkrecht ausgerichtet müssen sie sein. „Oldtimerfreunde sind pingelig“, sagt Hodel. Doch hinter Schrauben, weißem Holz und geschwungenem Schriftzug „Deutsches Rotes Kreuz Altenburg“ auf der Fahrertür verbirgt sich ein kleiner Kniff: Der IFA F8 ist nie als Krankenwagen gefahren.

Baujahr 1953 stimmt also nur zur Hälfte. Wie an Gründerzeithäusern müsste auf dem Typenschild unter der Motorhaube neben dem Baujahr noch eine zweite Zahl stehen, die Jahreszahl der Restaurierung, der Wiedergeburt in neuem Gewand. Gebaut wurde der Wagen als Kastenwagen, vermutlich wurde er als Lieferwagen genutzt, wie wohl ziemlich oft damals. „Der F8 war der Sprinter der DDR“, witzelt Stefan Hodel. Doch im Vergleich zu den modernen, meist übermotorisierten Kleintransportern von heute kommt der IFA F8 nur mit 20 PS daher. Sein Zweitaktmotor wurde später Grundlage für den Trabant. Er schnurrt daher auch nicht wie ein Rolls-Royce, was man bei der edlen äußeren Form des Autos eher erwarten würde, sondern knattert wie ein Saporoshez. Das war ein Kleinwagen aus der UdSSR - der knatterndste Wagen des RGW. In der DDR soll er so schmeichelhafte Namen wie „Stalins letzte Rache“ oder „Kremlwanze“ getragen haben. Aber UdSSR, Saporoshez und RGW sind für Stefan Hodel in etwa so alte Hüte, wie Filme aus den 1930er Jahren.

Hodel ist 32. Für ihn war der F8 einfach ein cooler alter Wagen, als er ihn mit einem Freund in einer Scheune in Thüringen ausgegraben hatte. Hodel kaufte den F8, der „ziemlich runter“ war, wie er sagt - einfach, um ein bisschen dran herumzubasteln, um Erfahrungen zu sammeln. Denn Oldtimersanierung ist mittlerweile eines der Standbeine seiner Firma SAS Steigra. Später stellte er ihn ins Internet. Dann kam die Anfrage aus Altenburg. „Wir suchten nach einem Nachfolger für unser voriges Traditionsfahrzeug, einen Phänomen Garant 27“, sagt Karl-Heinz Bauch.

Am 9. Mai nun war in Steigra bei Hodels Firma SAS Tag der offenen Tür. Feierlicher Roll-out, würde man neudeutsch wohl sagen. Die Männer vom Altenburger DRK-Traditionsverein nahmen ihren F8 in Augenschein und später mit nach Altenburg. Automobilhistorisch haben sie und Stefan Hodel dann einen Coup gelandet, denn es wird wohl der einzige bekannte Krankenwagen seines Typs sein, wie Uwe Wilk vom Verein IFA-Freunde Sachsen-Anhalt schätzt. „Ich kenne keinen anderen und habe auch noch nie einen F8-Krankenwagen gesehen“, sagt er. Die gesamte fahrtüchtige F8-Flotte schätzt er für Mitteldeutschland aber immerhin auf 200 bis 300.

Der F8 aus Steigra hat heute, nach 62 Jahren, übrigens rund 4700 Kilometer auf der Kilometeruhr. Aus heutiger Sicht ist das lächerlich wenig. Aber es waren andere Zeiten, damals in der DDR.