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Adliger als geschätzter Partner

Von Dieter Jäger 24.03.2006, 15:11

Allerstedt. - Otto-Ludwig Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg hat seinen Hauptwohnsitz im Wohlmirstedter Ortsteil Allerstedt. Am 25. Februar feierte er seinen 68. Geburtstag, und als dies in der MZ zu lesen war, rieb sich wohl nicht nur der Lokalredakteur verwundert die Augen, dass sich ein Sprössling dieses weithin bekannten Adelsgeschlechts hier niedergelassen haben soll. Und das ist so auch nicht ganz richtig.

Spaß an Zusammenarbeit

Der Prinz pendelt als Land- und Forstwirt fast ständig zwischen seinen Ländereien in Italien, England und Deutschland, ist telefonisch am ehesten in Erndtebrück, im Kreis Siegen-Wittgenstein in Nordrhein-Westfalen erreichbar. Prinz Wittgenstein, wie er sich kurz zu melden pflegt, macht nicht viel Aufhebens um seine Person oder den Adelsstand. "Angeben habe ich nicht nötig. Dennoch kennen mich hier wohl mehr Leute als ich denke", meinte er bei einem Treffen in Wohlmirstedt. Er ist mehr als zufrieden mit den Partnern, die sich hier um seinen Besitz kümmern. Er hat Spaß an der Zusammenarbeit mit der Agrargesellschaft Wohlmirstedt mbH, die auf Vertragsbasis sein Ackerland bewirtschaftet, weiß als Mitglied der Forstbetriebsgemeinschaft auch die Arbeit des Forstamts Naumburg zu schätzen, das Wittgensteins Wald betreut.

Respekt vor Harri Reiche

Und diese Sympathie beruht durchaus auf Gegenseitigkeit. Bernd Kürschner als einstiger Chef der Agrargesellschaft erinnerte sich, dass sofort der richtige Draht zum Prinzen da gewesen sei. Er sprach wie sein Nachfolger Maik Michel von einer Zusammenarbeit, wie man sie sich - im Gegensatz zu einigen Erfahrungen mit anderen Eigentümern - nur wünschen könne. Auch Revierförster Lothar Rokitta wusste die angenehme Art und nicht weniger das Fachwissen des Adligen zu würdigen. Dass dieser aber mit Sicherheit eine Respektperson ist, kann man am Fakt erahnen, dass er von seinem begleitenden Verwalter nur mit "Durchlaucht" angesprochen wird.

Als Otto-Ludwig Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg Anfang der 90er Jahre erstmals beim damaligen Wohlmirstedter Bürgermeister Harri Reiche vorstellig wurde, habe er aber, wie er erzählte, seinerseits anfangs Respekt gehabt, als dieser mit seiner ganzen Körperfülle zunächst verdeutlicht habe, dass er gar nichts von den Eigentumsansprüchen des Blaublütigen halte. Dann sei man aber doch noch gut klargekommen, so Wittgenstein.

Der Agrargesellschaft sei im Interesse des Erhalts von Arbeitsplätzen schließlich auch daran gelegen gewesen, möglichst große Flächen bewirtschaften zu können. Und das waren 52 Hektar Ackerland, die der Prinz auf der Grundlage des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes vom einstigen Familienbesitz kostengünstig kaufen konnte, sowie 48 Hektar Ackerland, die er von der Treuhand pachtete. Zusätzlich konnte er, basierend auf genanntem Gesetz, auch 110 Hektar Wald des Altbesitzes zu günstigen Konditionen kaufen.

Diese Rückübertragungsansprüche gehen auf die Familie der Frau des Prinzen zurück, die als Annette von Cramm am 15. April 1944 geboren wurde. Sie wiederum ist die Enkeltochter des Landrats a.D. Herbert von Conrad, dem bis zum Kriegsende 1945 das Rittergut in Wohlmirstedt gehört hatte.

In Buchenwald gestorben

Ortschronist Jürgen Nägler konnte genau Auskunft geben, dass von Conrad am 1. Juli 1880 in Merseburg geboren wurde und aus Fronza in der Weichselniederung nach Wohlmirstedt kam, nachdem er am 18. Februar 1932 das Gut und 886 Hektar Acker und Wald für 1,5 Millionen Schweizer Franken gekauft hatte. Der Kauf erfolgte laut Nägler im Halberstädter Bankhaus Nußbaum und Friedmann, welches die Konkursmasse der Grafen von Helldorf verwaltete. Nicht nur der Wohlmirstedter Ortschronist weiß aus Erzählungen, dass sich Herbert von Conrad politisch nicht für das Naziregime engagiert habe, man ihn im Ort eigentlich in guter Erinnerung habe. Dennoch wurde er enteignet, gebe es Berichte, dass man ihn weg haben wollte und man ihm deshalb eine Pistole untergeschoben habe, die dann als seine gefunden worden sei, so Nägler.

Herbert von Conrad habe jedenfalls zu den vier Wohlmirstedtern gehört, die im Sommer 1945 im vormaligen KZ Buchenwald interniert wurden. Nur zwei sind zurückgekehrt. Der Gutsbesitzer, so ist einem Register von Buchenwald zu entnehmen, starb am 6. Februar 1946. Er ist angeblich erfroren, brachte der Prinz in Erfahrung.

Diese Geschichte wird sicher auch morgen ein Thema sein. Ein Treffen der Nachfahren der Familie von Conrad, das Prinz Wittgenstein organisiert hat, wird da etwa 40 Personen auch nach Wohlmirstedt führen. Und Jürgen Nägler wird sie dann sachkundig auf den historischen Familienspuren begleiten.